Kotzebue, August von: Der Rehbock oder die Schuldlosen Schuldbewußten. Leipzig, 1815.
Daß ich ein Herz habe, das zu fühlen, und trotz meines geringen Standes nicht fähig bin, es zu verbergen, das ist mein Verbre- chen. Ich will mich selbst dafür bestrafen - Sie sehen mich zum letzten Male. Gräfin. Das klingt hochtragisch! - Seyn Sie ruhig. Für Schwachheiten hab' ich kein Gedächtniß. Sie sind ein Mann von Erziehung; ich weiß das zu schätzen und darum hab' ich Sie ausgezeichnet. Sie mö- gen bleiben - vorausgesetzt, daß Sie nie sich vergessen werden. Bar. Kann ich dafür bürgen? und wenn auch die Zunge mir gehorcht, kann ich mei- nen Augen gebieten? Besser ich gehe. Gräfin. (empfindlich) Vorwand. Sie ha- ben ohne Zweifel einen Dienst gefunden, der einträglicher - Bar. (stellt sich beleidigt) Dieser Argwohn
zeigt mir, daß Sie meine Gesinnungen für eben so niedrig halten, als meinen Stand.
Daß ich ein Herz habe, das zu fuͤhlen, und trotz meines geringen Standes nicht faͤhig bin, es zu verbergen, das ist mein Verbre- chen. Ich will mich selbst dafuͤr bestrafen – Sie sehen mich zum letzten Male. Graͤfin. Das klingt hochtragisch! – Seyn Sie ruhig. Fuͤr Schwachheiten hab' ich kein Gedaͤchtniß. Sie sind ein Mann von Erziehung; ich weiß das zu schaͤtzen und darum hab' ich Sie ausgezeichnet. Sie moͤ- gen bleiben – vorausgesetzt, daß Sie nie sich vergessen werden. Bar. Kann ich dafuͤr buͤrgen? und wenn auch die Zunge mir gehorcht, kann ich mei- nen Augen gebieten? Besser ich gehe. Graͤfin. (empfindlich) Vorwand. Sie ha- ben ohne Zweifel einen Dienst gefunden, der eintraͤglicher – Bar. (stellt sich beleidigt) Dieser Argwohn
zeigt mir, daß Sie meine Gesinnungen fuͤr eben so niedrig halten, als meinen Stand. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#BA"> <p><pb facs="#f0060" n="54"/> Daß ich ein Herz habe, das zu fuͤhlen, und<lb/> trotz meines geringen Standes nicht faͤhig<lb/> bin, es zu verbergen, das ist mein Verbre-<lb/> chen. Ich will mich selbst dafuͤr bestrafen –<lb/> Sie sehen mich zum letzten Male.</p> </sp> <sp who="#GRAFI"> <speaker>Graͤfin.</speaker> <p> Das klingt hochtragisch! –<lb/> Seyn Sie ruhig. Fuͤr Schwachheiten hab'<lb/> ich kein Gedaͤchtniß. Sie sind ein Mann<lb/> von Erziehung; ich weiß das zu schaͤtzen und<lb/> darum hab' ich Sie ausgezeichnet. Sie moͤ-<lb/> gen bleiben – vorausgesetzt, daß Sie nie<lb/> sich vergessen werden.</p> </sp> <sp who="#BA"> <speaker>Bar.</speaker> <p> Kann ich dafuͤr buͤrgen? und wenn<lb/> auch die Zunge mir gehorcht, kann ich mei-<lb/> nen Augen gebieten? Besser ich gehe.</p> </sp> <sp who="#GRAFI"> <speaker>Graͤfin.</speaker> <p><stage>(empfindlich)</stage> Vorwand. Sie ha-<lb/> ben ohne Zweifel einen Dienst gefunden, der<lb/> eintraͤglicher –</p> </sp> <sp who="#BA"> <speaker>Bar.</speaker> <p><stage>(stellt sich beleidigt)</stage> Dieser Argwohn<lb/> zeigt mir, daß Sie meine Gesinnungen fuͤr<lb/> eben so niedrig halten, als meinen Stand.</p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0060]
Daß ich ein Herz habe, das zu fuͤhlen, und
trotz meines geringen Standes nicht faͤhig
bin, es zu verbergen, das ist mein Verbre-
chen. Ich will mich selbst dafuͤr bestrafen –
Sie sehen mich zum letzten Male.
Graͤfin. Das klingt hochtragisch! –
Seyn Sie ruhig. Fuͤr Schwachheiten hab'
ich kein Gedaͤchtniß. Sie sind ein Mann
von Erziehung; ich weiß das zu schaͤtzen und
darum hab' ich Sie ausgezeichnet. Sie moͤ-
gen bleiben – vorausgesetzt, daß Sie nie
sich vergessen werden.
Bar. Kann ich dafuͤr buͤrgen? und wenn
auch die Zunge mir gehorcht, kann ich mei-
nen Augen gebieten? Besser ich gehe.
Graͤfin. (empfindlich) Vorwand. Sie ha-
ben ohne Zweifel einen Dienst gefunden, der
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Zitationshilfe: | Kotzebue, August von: Der Rehbock oder die Schuldlosen Schuldbewußten. Leipzig, 1815, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_rehbock_1815/60>, abgerufen am 21.07.2024. |