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Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.

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Unbek. (bey Seite) Nein, länger halte ich's nicht
aus.
(Er wendet sich zu ihr, sein Ton ist nicht rauh und
nicht sanft, nicht fest und nicht weich, sondern schwankt zwi-
schen allen diesen.)
Leben Sie wohl!
Eulal. O nur noch eine Minute, nur noch
Beantwortung einer Frage; Beruhigung des
Mutter-Herzens! -- Leben meine Kinder noch?
Unbek. Sie leben.
Eulal. Und sind gesund?
Unbek. Gesund.
Eulal. Gott sey Dank! -- Mein Wilhelm ist
wohl schon recht groß geworden?
Unbek. Ich vermuthe.
Eulal. Und Malchen -- ist sie noch Ihr Liebling?
Unbek. (den diese ganze Scene sichtbar tief erschüttert,
bleibt stumm im Kampf mit Ehre und Liebe.)
Eulal. O großmüthiger Mann! ich bitte Sie,
lassen Sie mich meine Kinder noch einmal sehen,
ehe wir scheiden, daß ich sie an mein Herz drücke,
daß ich sie segne, daß ich die Züge ihres Vaters
in ihnen küsse.
Unbek. (schweigt.)
Eulal. (fährt nach einer Pause fort) Ach! wenn Sie
wüßten, wie in diesen drey fürchterlichen Jahren mein
Unbek. (bey Seite) Nein, laͤnger halte ich’s nicht
aus.
(Er wendet ſich zu ihr, ſein Ton iſt nicht rauh und
nicht ſanft, nicht feſt und nicht weich, ſondern ſchwankt zwi-
ſchen allen dieſen.)
Leben Sie wohl!
Eulal. O nur noch eine Minute, nur noch
Beantwortung einer Frage; Beruhigung des
Mutter-Herzens! — Leben meine Kinder noch?
Unbek. Sie leben.
Eulal. Und ſind geſund?
Unbek. Geſund.
Eulal. Gott ſey Dank! — Mein Wilhelm iſt
wohl ſchon recht groß geworden?
Unbek. Ich vermuthe.
Eulal. Und Malchen — iſt ſie noch Ihr Liebling?
Unbek. (den dieſe ganze Scene ſichtbar tief erſchüttert,
bleibt ſtumm im Kampf mit Ehre und Liebe.)
Eulal. O großmuͤthiger Mann! ich bitte Sie,
laſſen Sie mich meine Kinder noch einmal ſehen,
ehe wir ſcheiden, daß ich ſie an mein Herz druͤcke,
daß ich ſie ſegne, daß ich die Zuͤge ihres Vaters
in ihnen kuͤſſe.
Unbek. (ſchweigt.)
Eulal. (fährt nach einer Pauſe fort) Ach! wenn Sie
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[164/0172] Unbek. (bey Seite) Nein, laͤnger halte ich’s nicht aus. (Er wendet ſich zu ihr, ſein Ton iſt nicht rauh und nicht ſanft, nicht feſt und nicht weich, ſondern ſchwankt zwi- ſchen allen dieſen.) Leben Sie wohl! Eulal. O nur noch eine Minute, nur noch Beantwortung einer Frage; Beruhigung des Mutter-Herzens! — Leben meine Kinder noch? Unbek. Sie leben. Eulal. Und ſind geſund? Unbek. Geſund. Eulal. Gott ſey Dank! — Mein Wilhelm iſt wohl ſchon recht groß geworden? Unbek. Ich vermuthe. Eulal. Und Malchen — iſt ſie noch Ihr Liebling? Unbek. (den dieſe ganze Scene ſichtbar tief erſchüttert, bleibt ſtumm im Kampf mit Ehre und Liebe.) Eulal. O großmuͤthiger Mann! ich bitte Sie, laſſen Sie mich meine Kinder noch einmal ſehen, ehe wir ſcheiden, daß ich ſie an mein Herz druͤcke, daß ich ſie ſegne, daß ich die Zuͤge ihres Vaters in ihnen kuͤſſe. Unbek. (ſchweigt.) Eulal. (fährt nach einer Pauſe fort) Ach! wenn Sie wuͤßten, wie in dieſen drey fuͤrchterlichen Jahren mein

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/172>, abgerufen am 03.05.2024.