Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.
meinigen. So lange noch eine Vogelkehle in die- sem Walde ist, welche die Morgensonne begrüßt; so lange wird mir's an Gesellschaft nicht fehlen. Major. Thu morgen und übermorgen, was dir gefällt; aber leere heute ein Glas Wein mit mir. Unbek. (fest) Nein! nein! Major. Auch dann nicht, wenn du vielleicht im Stande wärest, durch diesen einzigen Besuch das Glück deines Freundes zu gründen? Unbek. (stutzend) Dann -- ja! Aber laß hören! Major. Du sollst mein Freywerber seyn bey Madam Müller. Unbek. Ich? -- Guter Horst! wenn ich auch einst Talente zu solch einem Auftrage hatte, so sind sie schon lange verrostet. Major. Nicht doch. Sieh, Bruder, ich liebe ernstlich, und meine Liebe ist eine Frucht der Hoch- achtung. Sie ist ein herrliches Weib! Und wenn ich so vor ihr stehe; von allem kann ich mit ihr schwatzen, nur nicht von meiner Liebe. Denn sie hat da einen Blick in ihrer Gewalt -- einen Blick, der die Zunge fesselt. Zwar hatte meine Schwester übernommen -- aber das frommt nicht; ihr Lob klingt partheyisch. Du hingegen -- einem so sauer- H 4
meinigen. So lange noch eine Vogelkehle in die- ſem Walde iſt, welche die Morgenſonne begruͤßt; ſo lange wird mir’s an Geſellſchaft nicht fehlen. Major. Thu morgen und uͤbermorgen, was dir gefaͤllt; aber leere heute ein Glas Wein mit mir. Unbek. (feſt) Nein! nein! Major. Auch dann nicht, wenn du vielleicht im Stande waͤreſt, durch dieſen einzigen Beſuch das Gluͤck deines Freundes zu gruͤnden? Unbek. (ſtutzend) Dann — ja! Aber laß hoͤren! Major. Du ſollſt mein Freywerber ſeyn bey Madam Muͤller. Unbek. Ich? — Guter Horſt! wenn ich auch einſt Talente zu ſolch einem Auftrage hatte, ſo ſind ſie ſchon lange verroſtet. Major. Nicht doch. Sieh, Bruder, ich liebe ernſtlich, und meine Liebe iſt eine Frucht der Hoch- achtung. Sie iſt ein herrliches Weib! Und wenn ich ſo vor ihr ſtehe; von allem kann ich mit ihr ſchwatzen, nur nicht von meiner Liebe. Denn ſie hat da einen Blick in ihrer Gewalt — einen Blick, der die Zunge feſſelt. Zwar hatte meine Schweſter uͤbernommen — aber das frommt nicht; ihr Lob klingt partheyiſch. Du hingegen — einem ſo ſauer- H 4
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meinigen. So lange noch eine Vogelkehle in die-
ſem Walde iſt, welche die Morgenſonne begruͤßt;
ſo lange wird mir’s an Geſellſchaft nicht fehlen.
Major. Thu morgen und uͤbermorgen, was dir
gefaͤllt; aber leere heute ein Glas Wein mit mir.
Unbek. (feſt) Nein! nein!
Major. Auch dann nicht, wenn du vielleicht
im Stande waͤreſt, durch dieſen einzigen Beſuch
das Gluͤck deines Freundes zu gruͤnden?
Unbek. (ſtutzend) Dann — ja! Aber laß hoͤren!
Major. Du ſollſt mein Freywerber ſeyn bey
Madam Muͤller.
Unbek. Ich? — Guter Horſt! wenn ich auch einſt
Talente zu ſolch einem Auftrage hatte, ſo ſind ſie
ſchon lange verroſtet.
Major. Nicht doch. Sieh, Bruder, ich liebe
ernſtlich, und meine Liebe iſt eine Frucht der Hoch-
achtung. Sie iſt ein herrliches Weib! Und wenn
ich ſo vor ihr ſtehe; von allem kann ich mit ihr
ſchwatzen, nur nicht von meiner Liebe. Denn ſie
hat da einen Blick in ihrer Gewalt — einen Blick,
der die Zunge feſſelt. Zwar hatte meine Schweſter
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Zitationshilfe: | Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/127>, abgerufen am 22.07.2024. |