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Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.

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Eulal. (endlich in laute Thränen ausbrechend, und mit
beyden Händen ihr Gesicht verhüllend)
Und ich lebe noch!
Gräfin. Wer könnte diese Büßende hassen?
(Eulalien in ihre Arme schließend.) Nein, Sie sind nicht
lasterhaft. Der Augenblick Ihrer Verirrung war
ein Traum, ein Rausch, ein Wahnsinn.
Eulal. O verschonen Sie mich! Wenn Sie
wüßten, daß jede Milderung meiner Verbrechen
mir ein Dolchstich ist -- daß mein Gewissen nie
mich heftiger martert, als wenn mein Kopf nach
Entschuldigungen grübelt. -- Nein, ich kann mich
mit gar nichts entschuldigen! und die einzige, trau-
rige Beruhigung meines Herzens ist die, mich ohne
alle Einschränkung strafbar zu bekennen.
Gräfin. Dieser Zug ist echte Reue.
Eulal. O wenn Sie ihn gekannt hätten! -- als ich
ihn zum ersten Male sah, den schönen, den edlen
Mann -- ich war damals kaum vierzehn Jahr alt --
Gräfin. Und ihre Verbindung?
Eulal. Wenig Monden nachher.
Gräfin. Und Ihre Flucht?
Eulal. Zwey Jahre war ich seine Gattin.
Gräfin. O meine Liebe! dann lassen Sie
Ihre Jugend büßen, was nicht Ihr Herz verbrach.
G 2
Eulal. (endlich in laute Thränen ausbrechend, und mit
beyden Händen ihr Geſicht verhüllend)
Und ich lebe noch!
Graͤfin. Wer koͤnnte dieſe Buͤßende haſſen?
(Eulalien in ihre Arme ſchließend.) Nein, Sie ſind nicht
laſterhaft. Der Augenblick Ihrer Verirrung war
ein Traum, ein Rauſch, ein Wahnſinn.
Eulal. O verſchonen Sie mich! Wenn Sie
wuͤßten, daß jede Milderung meiner Verbrechen
mir ein Dolchſtich iſt — daß mein Gewiſſen nie
mich heftiger martert, als wenn mein Kopf nach
Entſchuldigungen gruͤbelt. — Nein, ich kann mich
mit gar nichts entſchuldigen! und die einzige, trau-
rige Beruhigung meines Herzens iſt die, mich ohne
alle Einſchraͤnkung ſtrafbar zu bekennen.
Graͤfin. Dieſer Zug iſt echte Reue.
Eulal. O wenn Sie ihn gekannt haͤtten! — als ich
ihn zum erſten Male ſah, den ſchoͤnen, den edlen
Mann — ich war damals kaum vierzehn Jahr alt —
Graͤfin. Und ihre Verbindung?
Eulal. Wenig Monden nachher.
Graͤfin. Und Ihre Flucht?
Eulal. Zwey Jahre war ich ſeine Gattin.
Graͤfin. O meine Liebe! dann laſſen Sie
Ihre Jugend buͤßen, was nicht Ihr Herz verbrach.
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[99/0107] Eulal. (endlich in laute Thränen ausbrechend, und mit beyden Händen ihr Geſicht verhüllend) Und ich lebe noch! Graͤfin. Wer koͤnnte dieſe Buͤßende haſſen? (Eulalien in ihre Arme ſchließend.) Nein, Sie ſind nicht laſterhaft. Der Augenblick Ihrer Verirrung war ein Traum, ein Rauſch, ein Wahnſinn. Eulal. O verſchonen Sie mich! Wenn Sie wuͤßten, daß jede Milderung meiner Verbrechen mir ein Dolchſtich iſt — daß mein Gewiſſen nie mich heftiger martert, als wenn mein Kopf nach Entſchuldigungen gruͤbelt. — Nein, ich kann mich mit gar nichts entſchuldigen! und die einzige, trau- rige Beruhigung meines Herzens iſt die, mich ohne alle Einſchraͤnkung ſtrafbar zu bekennen. Graͤfin. Dieſer Zug iſt echte Reue. Eulal. O wenn Sie ihn gekannt haͤtten! — als ich ihn zum erſten Male ſah, den ſchoͤnen, den edlen Mann — ich war damals kaum vierzehn Jahr alt — Graͤfin. Und ihre Verbindung? Eulal. Wenig Monden nachher. Graͤfin. Und Ihre Flucht? Eulal. Zwey Jahre war ich ſeine Gattin. Graͤfin. O meine Liebe! dann laſſen Sie Ihre Jugend buͤßen, was nicht Ihr Herz verbrach. G 2

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/107>, abgerufen am 23.11.2024.