Kotzebue, August von: Die deutschen Kleinstädter. Leipzig, 1803. Fr. St. Ein jeder fege vor seiner Thür, das ist ein altes Sprüchwort. Bürg. Nein Frau Mutter, ich bin Bür- germeister, auch Oberältester, und fege nicht vor meiner Thür. Sie mögen nur appelliren, der Koth bleibt liegen. Und sollte der Pro- ceß 20 Jahre dauern, der Koth rührt sich nicht von der Stelle. Hr. St. Auf Recht muß man halten. Bürg. Wohlgesprochen Herr Bruder. Fr. St. Aber am Ende können wir nicht mehr vor die Hausthür. Bürg. Thut nichts, wir bleiben daheim, dann mögen sie sehen, wie sie auf dem Rath- hause fertig werden. Standhaft bin ich wie die babylonische Mauer. Was wäre auch schon längst aus unsern Privilegien geworden, wenn ich nicht gewesen wäre? -- wer hat es so weit gebracht, daß wir Morgen das hohe Fest feyern können? ich! ich bin durchgedrungen, ich habe die Ehre der Stadt gerettet! Sieben-
Fr. St. Ein jeder fege vor ſeiner Thuͤr, das iſt ein altes Spruͤchwort. Buͤrg. Nein Frau Mutter, ich bin Buͤr- germeiſter, auch Oberaͤlteſter, und fege nicht vor meiner Thuͤr. Sie moͤgen nur appelliren, der Koth bleibt liegen. Und ſollte der Pro- ceß 20 Jahre dauern, der Koth ruͤhrt ſich nicht von der Stelle. Hr. St. Auf Recht muß man halten. Buͤrg. Wohlgeſprochen Herr Bruder. Fr. St. Aber am Ende koͤnnen wir nicht mehr vor die Hausthuͤr. Buͤrg. Thut nichts, wir bleiben daheim, dann moͤgen ſie ſehen, wie ſie auf dem Rath- hauſe fertig werden. Standhaft bin ich wie die babyloniſche Mauer. Was waͤre auch ſchon laͤngſt aus unſern Privilegien geworden, wenn ich nicht geweſen waͤre? — wer hat es ſo weit gebracht, daß wir Morgen das hohe Feſt feyern koͤnnen? ich! ich bin durchgedrungen, ich habe die Ehre der Stadt gerettet! Sieben-
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Fr. St. Ein jeder fege vor ſeiner Thuͤr,
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germeiſter, auch Oberaͤlteſter, und fege nicht
vor meiner Thuͤr. Sie moͤgen nur appelliren,
der Koth bleibt liegen. Und ſollte der Pro-
ceß 20 Jahre dauern, der Koth ruͤhrt ſich
nicht von der Stelle.
Hr. St. Auf Recht muß man halten.
Buͤrg. Wohlgeſprochen Herr Bruder.
Fr. St. Aber am Ende koͤnnen wir nicht
mehr vor die Hausthuͤr.
Buͤrg. Thut nichts, wir bleiben daheim,
dann moͤgen ſie ſehen, wie ſie auf dem Rath-
hauſe fertig werden. Standhaft bin ich wie
die babyloniſche Mauer. Was waͤre auch ſchon
laͤngſt aus unſern Privilegien geworden, wenn
ich nicht geweſen waͤre? — wer hat es ſo
weit gebracht, daß wir Morgen das hohe Feſt
feyern koͤnnen? ich! ich bin durchgedrungen,
ich habe die Ehre der Stadt gerettet!
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