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Kotzebue, August von: Die deutschen Kleinstädter. Leipzig, 1803.

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Sab. Das mögte Ihnen schwer werden,
aber versuchen Sie es.
Olm. Um Ihren Besitz wag' ich das
Schwerste.
Sab. Mit alle dem werden Sie doch
noch nicht zum Ziele gelangen. Es fehlt Ih-
nen noch ein Haupterforderniß.
Olm. Das wäre?
Sab. Ein Titel, lieber Freund, ein Ti-
tel! Ohne Titel kommen Sie in Krähwinkel
nicht fort. Ein Stück geprägtes Leder gilt
hier mehr als ungeprägtes Gold. Ein Titel
ist hier die Handhabe des Menschen, ohne
Titel weiß man gar nicht, wie man ihn an-
fassen soll. Hier wird nicht gefragt: hat er
Kenntnisse? Verdienste? sondern, wie titulirt
man ihn? Wer nicht 12 bis 15 Sylben
vor seinen Namen setzen kann, der darf nicht
mit reden, wenn er es auch zehnmal besser
verstünde. Die Titel nehmen wir mit zu
Bette und zu Grabe, ja, wir nähren eine
leise Hoffnung, daß einst an jenem Tage noch
manches
Sab. Das moͤgte Ihnen ſchwer werden,
aber verſuchen Sie es.
Olm. Um Ihren Beſitz wag’ ich das
Schwerſte.
Sab. Mit alle dem werden Sie doch
noch nicht zum Ziele gelangen. Es fehlt Ih-
nen noch ein Haupterforderniß.
Olm. Das waͤre?
Sab. Ein Titel, lieber Freund, ein Ti-
tel! Ohne Titel kommen Sie in Kraͤhwinkel
nicht fort. Ein Stuͤck gepraͤgtes Leder gilt
hier mehr als ungepraͤgtes Gold. Ein Titel
iſt hier die Handhabe des Menſchen, ohne
Titel weiß man gar nicht, wie man ihn an-
faſſen ſoll. Hier wird nicht gefragt: hat er
Kenntniſſe? Verdienſte? ſondern, wie titulirt
man ihn? Wer nicht 12 bis 15 Sylben
vor ſeinen Namen ſetzen kann, der darf nicht
mit reden, wenn er es auch zehnmal beſſer
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[140/0146] Sab. Das moͤgte Ihnen ſchwer werden, aber verſuchen Sie es. Olm. Um Ihren Beſitz wag’ ich das Schwerſte. Sab. Mit alle dem werden Sie doch noch nicht zum Ziele gelangen. Es fehlt Ih- nen noch ein Haupterforderniß. Olm. Das waͤre? Sab. Ein Titel, lieber Freund, ein Ti- tel! Ohne Titel kommen Sie in Kraͤhwinkel nicht fort. Ein Stuͤck gepraͤgtes Leder gilt hier mehr als ungepraͤgtes Gold. Ein Titel iſt hier die Handhabe des Menſchen, ohne Titel weiß man gar nicht, wie man ihn an- faſſen ſoll. Hier wird nicht gefragt: hat er Kenntniſſe? Verdienſte? ſondern, wie titulirt man ihn? Wer nicht 12 bis 15 Sylben vor ſeinen Namen ſetzen kann, der darf nicht mit reden, wenn er es auch zehnmal beſſer verſtuͤnde. Die Titel nehmen wir mit zu Bette und zu Grabe, ja, wir naͤhren eine leiſe Hoffnung, daß einſt an jenem Tage noch manches

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Die deutschen Kleinstädter. Leipzig, 1803, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_kleinstaedter_1803/146>, abgerufen am 03.05.2024.