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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

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hätten teutsche Jnvaliden nun wohl schwerlich gethan,
hätten auch schwerlich da gesessen, um die Geschichte des
siebenjährigen Krieges, oder ein Trauerspiel von Schiller
zu lesen. Man muß nämlich dabei nicht vergessen, daß
es lauter gemeine Soldaten sind. -- Wahrlich! wenn
man eine Stunde in dem Palast herumgegangen ist, so
bekommt man selber Lust, sich ein Bein abschießen zu
lassen.

Besonders herzerhebend ist der große Dom, von
dessen Gewölben die zahllose Menge der Fahnen sich
herabneigt, derer jede ein Buchstabe einer Jnschrift ist,
welche die Siege der Nation verkündet, Hieroglyphen,
so leserlich, als es noch keine gab. Die Fahnen fast al-
ler Nationen prangen da, doch preußische habe auch
ich trotz alles Umherschauens nicht bemerkt. Was in
Egypten an Roßschweifen, halben Monden u. dgl. er-
obert worden, ist an den Säulen malerisch gruppirt.
Der Fahnen überhaupt mögen wohl mehrere Tausende
seyn, und man wandelt wie unter einem ungeheuren
Zelte. -- Doch man schaue nicht bloß über sich, die
Seitenwände sind nicht minder merkwürdig. Gleich beim
Hereintreten, rechts und links, sind die Mauern bis hoch
hinauf mit Marmor inkrustirt, und -- gleich den alten
griechischen Tafeln im Museum Napoleon, welche die
Namen der Helden aus dem Stamme der Erechtyden ver-
ewigen -- liest man hier die Namen aller Krieger, die
sich in den verschiedenen Armeen hervorgethan haben,
oder auf dem Bette der Ehre geblieben sind. Diese Ta-
feln werden einst den Franzosen als Ahnenprobe dienen.

Jch schreite vorwärts, um die Gemälde zu betrach-
ten. Das allergrößte Schmeichelbild, den 18. Brümaire
vorstellend, hat gar keinen Eindruck auf mich gemacht,

haͤtten teutsche Jnvaliden nun wohl schwerlich gethan,
haͤtten auch schwerlich da gesessen, um die Geschichte des
siebenjaͤhrigen Krieges, oder ein Trauerspiel von Schiller
zu lesen. Man muß naͤmlich dabei nicht vergessen, daß
es lauter gemeine Soldaten sind. — Wahrlich! wenn
man eine Stunde in dem Palast herumgegangen ist, so
bekommt man selber Lust, sich ein Bein abschießen zu
lassen.

Besonders herzerhebend ist der große Dom, von
dessen Gewoͤlben die zahllose Menge der Fahnen sich
herabneigt, derer jede ein Buchstabe einer Jnschrift ist,
welche die Siege der Nation verkuͤndet, Hieroglyphen,
so leserlich, als es noch keine gab. Die Fahnen fast al-
ler Nationen prangen da, doch preußische habe auch
ich trotz alles Umherschauens nicht bemerkt. Was in
Egypten an Roßschweifen, halben Monden u. dgl. er-
obert worden, ist an den Saͤulen malerisch gruppirt.
Der Fahnen uͤberhaupt moͤgen wohl mehrere Tausende
seyn, und man wandelt wie unter einem ungeheuren
Zelte. — Doch man schaue nicht bloß uͤber sich, die
Seitenwaͤnde sind nicht minder merkwuͤrdig. Gleich beim
Hereintreten, rechts und links, sind die Mauern bis hoch
hinauf mit Marmor inkrustirt, und — gleich den alten
griechischen Tafeln im Museum Napoleon, welche die
Namen der Helden aus dem Stamme der Erechtyden ver-
ewigen — liest man hier die Namen aller Krieger, die
sich in den verschiedenen Armeen hervorgethan haben,
oder auf dem Bette der Ehre geblieben sind. Diese Ta-
feln werden einst den Franzosen als Ahnenprobe dienen.

Jch schreite vorwaͤrts, um die Gemaͤlde zu betrach-
ten. Das allergroͤßte Schmeichelbild, den 18. Bruͤmaire
vorstellend, hat gar keinen Eindruck auf mich gemacht,

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[82/0082] haͤtten teutsche Jnvaliden nun wohl schwerlich gethan, haͤtten auch schwerlich da gesessen, um die Geschichte des siebenjaͤhrigen Krieges, oder ein Trauerspiel von Schiller zu lesen. Man muß naͤmlich dabei nicht vergessen, daß es lauter gemeine Soldaten sind. — Wahrlich! wenn man eine Stunde in dem Palast herumgegangen ist, so bekommt man selber Lust, sich ein Bein abschießen zu lassen. Besonders herzerhebend ist der große Dom, von dessen Gewoͤlben die zahllose Menge der Fahnen sich herabneigt, derer jede ein Buchstabe einer Jnschrift ist, welche die Siege der Nation verkuͤndet, Hieroglyphen, so leserlich, als es noch keine gab. Die Fahnen fast al- ler Nationen prangen da, doch preußische habe auch ich trotz alles Umherschauens nicht bemerkt. Was in Egypten an Roßschweifen, halben Monden u. dgl. er- obert worden, ist an den Saͤulen malerisch gruppirt. Der Fahnen uͤberhaupt moͤgen wohl mehrere Tausende seyn, und man wandelt wie unter einem ungeheuren Zelte. — Doch man schaue nicht bloß uͤber sich, die Seitenwaͤnde sind nicht minder merkwuͤrdig. Gleich beim Hereintreten, rechts und links, sind die Mauern bis hoch hinauf mit Marmor inkrustirt, und — gleich den alten griechischen Tafeln im Museum Napoleon, welche die Namen der Helden aus dem Stamme der Erechtyden ver- ewigen — liest man hier die Namen aller Krieger, die sich in den verschiedenen Armeen hervorgethan haben, oder auf dem Bette der Ehre geblieben sind. Diese Ta- feln werden einst den Franzosen als Ahnenprobe dienen. Jch schreite vorwaͤrts, um die Gemaͤlde zu betrach- ten. Das allergroͤßte Schmeichelbild, den 18. Bruͤmaire vorstellend, hat gar keinen Eindruck auf mich gemacht,

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/82>, abgerufen am 05.05.2024.