lebhafte Einbildungskraft mitbringt, Wenig daran zu se- hen. Die Zeichnungen sind so, wie Kinder von 4 Jah- ren sie zu machen pflegen; gut, daß immer drüber steht, was sie bedeuten sollen, z. B. Hic Harold mare navi- gavit, oder über einem Dinge, das einer Laube ähnlich sieht, steht ecclesia (Kirche) u. s. w.
Für Liebhaber des Studiums alter Kostüme ist der Lappen doch sehr merkwürdig. Da reitet Harold mit dem Falken auf der Faust, und seine Hunde rennen vor ihm her. Er und sein Gefolge sind unbärtig, doch tragen sie Zwickelbärte. Dadurch unterscheiden sie sich von den Franken. Kleine Mäntel, gleich der griechischen Chlamys, sind auf der rechten Schulter angeheftet. Bei einem Gastmahl sieht man Trinkhör- ner. An den Schiffen, die alle nur einen Mast haben, sind zu beiden Seiten eine Reihe von Schilden aufge- stellt, gerade wie man es auf den Gemälden im Her- culanum gewahr wird. Auf den Schilden der Fran- zosen erblickt man bereits Embleme, eine Art von Wappen, die jedoch damals noch nicht erblich wa- ren. Ein Zwerg (die Schrift über seinem Haupte nennt ihn Turold) verrichtet Pagendienste. Die Ta- fel, an welcher Wilhelm mit seinen Baronen speist, bil- det einen halben Zirkel; man reicht ihm knieend zu trin- ken. Jn der Schlacht sieht man die Reiter ihre Lan- zen heben, das Fußvolk seine Bogen spannen, die Schil- der sind mit Pfeilen wie gespickt. Bis hieher war der Rand der Tapete mit Vögeln und allerlei Grotesken ge- stickt, jetzt aber ist er mit Leichnamen besäet. Auch eine Gewohnheit der Alten, z. B. auf dem Sarkophag, der die Schlacht der Amazonen gegen die Athenienser vor- stellt. Ein Bischof streitet mit der Keule, vermuthlich
lebhafte Einbildungskraft mitbringt, Wenig daran zu se- hen. Die Zeichnungen sind so, wie Kinder von 4 Jah- ren sie zu machen pflegen; gut, daß immer druͤber steht, was sie bedeuten sollen, z. B. Hic Harold mare navi- gavit, oder uͤber einem Dinge, das einer Laube aͤhnlich sieht, steht ecclesia (Kirche) u. s. w.
Fuͤr Liebhaber des Studiums alter Kostuͤme ist der Lappen doch sehr merkwuͤrdig. Da reitet Harold mit dem Falken auf der Faust, und seine Hunde rennen vor ihm her. Er und sein Gefolge sind unbaͤrtig, doch tragen sie Zwickelbaͤrte. Dadurch unterscheiden sie sich von den Franken. Kleine Maͤntel, gleich der griechischen Chlamys, sind auf der rechten Schulter angeheftet. Bei einem Gastmahl sieht man Trinkhoͤr- ner. An den Schiffen, die alle nur einen Mast haben, sind zu beiden Seiten eine Reihe von Schilden aufge- stellt, gerade wie man es auf den Gemaͤlden im Her- culanum gewahr wird. Auf den Schilden der Fran- zosen erblickt man bereits Embleme, eine Art von Wappen, die jedoch damals noch nicht erblich wa- ren. Ein Zwerg (die Schrift uͤber seinem Haupte nennt ihn Turold) verrichtet Pagendienste. Die Ta- fel, an welcher Wilhelm mit seinen Baronen speist, bil- det einen halben Zirkel; man reicht ihm knieend zu trin- ken. Jn der Schlacht sieht man die Reiter ihre Lan- zen heben, das Fußvolk seine Bogen spannen, die Schil- der sind mit Pfeilen wie gespickt. Bis hieher war der Rand der Tapete mit Voͤgeln und allerlei Grotesken ge- stickt, jetzt aber ist er mit Leichnamen besaͤet. Auch eine Gewohnheit der Alten, z. B. auf dem Sarkophag, der die Schlacht der Amazonen gegen die Athenienser vor- stellt. Ein Bischof streitet mit der Keule, vermuthlich
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lebhafte Einbildungskraft mitbringt, Wenig daran zu se-
hen. Die Zeichnungen sind so, wie Kinder von 4 Jah-
ren sie zu machen pflegen; gut, daß immer druͤber steht,
was sie bedeuten sollen, z. B. Hic Harold mare navi-
gavit, oder uͤber einem Dinge, das einer Laube aͤhnlich
sieht, steht ecclesia (Kirche) u. s. w.
Fuͤr Liebhaber des Studiums alter Kostuͤme ist der
Lappen doch sehr merkwuͤrdig. Da reitet Harold mit
dem Falken auf der Faust, und seine Hunde rennen
vor ihm her. Er und sein Gefolge sind unbaͤrtig,
doch tragen sie Zwickelbaͤrte. Dadurch unterscheiden
sie sich von den Franken. Kleine Maͤntel, gleich der
griechischen Chlamys, sind auf der rechten Schulter
angeheftet. Bei einem Gastmahl sieht man Trinkhoͤr-
ner. An den Schiffen, die alle nur einen Mast haben,
sind zu beiden Seiten eine Reihe von Schilden aufge-
stellt, gerade wie man es auf den Gemaͤlden im Her-
culanum gewahr wird. Auf den Schilden der Fran-
zosen erblickt man bereits Embleme, eine Art von
Wappen, die jedoch damals noch nicht erblich wa-
ren. Ein Zwerg (die Schrift uͤber seinem Haupte
nennt ihn Turold) verrichtet Pagendienste. Die Ta-
fel, an welcher Wilhelm mit seinen Baronen speist, bil-
det einen halben Zirkel; man reicht ihm knieend zu trin-
ken. Jn der Schlacht sieht man die Reiter ihre Lan-
zen heben, das Fußvolk seine Bogen spannen, die Schil-
der sind mit Pfeilen wie gespickt. Bis hieher war der
Rand der Tapete mit Voͤgeln und allerlei Grotesken ge-
stickt, jetzt aber ist er mit Leichnamen besaͤet. Auch eine
Gewohnheit der Alten, z. B. auf dem Sarkophag, der
die Schlacht der Amazonen gegen die Athenienser vor-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/195>, abgerufen am 16.02.2025.
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