teln nöthigt. Sie haben aber gewöhnlich eine Art zu betteln, die nicht zu ihrem Vortheil einnimmt. Sie lassen sich ansagen, ein bekannter, berühmter Name öffnet ihnen sogleich die Thüre, sie treten herein, affek- tiren die volle Dreistigkeit ihres vormaligen Standes, lassen sich ohne Umstände am Kamin nieder, sagen dem Fremden die unverschämtesten Schmeicheleien, und schwa- tzen von tausend Dingen wohl eine halbe Stunde lang, ohne mit einer Silbe ihrer Noth zu gedenken. Sie ha- ben bloß das Glück haben wollen, den Fremden kennen zu lernen, u. s. w. Endlich rücken sie heraus, anfangs verblümt, dann deutlicher, haben auch wohl ein Buch geschrieben, auf welches sie pränumerieren lassen, und den Pränumerationsschein gleich bei der Hand haben, den sie nachläßig auf den Tisch werfen, indessen sie von etwas Anderm sprechen. -- Mir ist dergleichen öfter widerfahren, und ich könnte Namen nennen, die den Leser in Erstaunen setzen würden. Manche wagen es doch nicht, eine solche Rolle in Person zu spielen, sondern schreiben Briefe, die wenigstens bescheiden klingen. Jch kann mir indessen wohl vorstellen, daß Menschen, die so erzogen wurden, und so zu leben gewohnt wa- ren, wenn sie nun einmal zum Betteln gezwungen sind, auf keine andere Art betteln können.
Speiset man unter Mannspersonen an einer großen Tafel, so kann man darauf wetten, daß unter Zwanzi- gen nicht Zwei seyn werden, die nicht Feldzüge mitge- macht hätten, wenn man sich gleich unter lauter Dich- tern, Künstlern und Schauspielern befindet. Jn der Schreckenszeit war es ein Glück, wenn man Paris
teln noͤthigt. Sie haben aber gewoͤhnlich eine Art zu betteln, die nicht zu ihrem Vortheil einnimmt. Sie lassen sich ansagen, ein bekannter, beruͤhmter Name oͤffnet ihnen sogleich die Thuͤre, sie treten herein, affek- tiren die volle Dreistigkeit ihres vormaligen Standes, lassen sich ohne Umstaͤnde am Kamin nieder, sagen dem Fremden die unverschaͤmtesten Schmeicheleien, und schwa- tzen von tausend Dingen wohl eine halbe Stunde lang, ohne mit einer Silbe ihrer Noth zu gedenken. Sie ha- ben bloß das Gluͤck haben wollen, den Fremden kennen zu lernen, u. s. w. Endlich ruͤcken sie heraus, anfangs verbluͤmt, dann deutlicher, haben auch wohl ein Buch geschrieben, auf welches sie praͤnumerieren lassen, und den Praͤnumerationsschein gleich bei der Hand haben, den sie nachlaͤßig auf den Tisch werfen, indessen sie von etwas Anderm sprechen. — Mir ist dergleichen oͤfter widerfahren, und ich koͤnnte Namen nennen, die den Leser in Erstaunen setzen wuͤrden. Manche wagen es doch nicht, eine solche Rolle in Person zu spielen, sondern schreiben Briefe, die wenigstens bescheiden klingen. Jch kann mir indessen wohl vorstellen, daß Menschen, die so erzogen wurden, und so zu leben gewohnt wa- ren, wenn sie nun einmal zum Betteln gezwungen sind, auf keine andere Art betteln koͤnnen.
Speiset man unter Mannspersonen an einer großen Tafel, so kann man darauf wetten, daß unter Zwanzi- gen nicht Zwei seyn werden, die nicht Feldzuͤge mitge- macht haͤtten, wenn man sich gleich unter lauter Dich- tern, Kuͤnstlern und Schauspielern befindet. Jn der Schreckenszeit war es ein Gluͤck, wenn man Paris
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teln noͤthigt. Sie haben aber gewoͤhnlich eine Art
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lassen sich ansagen, ein bekannter, beruͤhmter Name
oͤffnet ihnen sogleich die Thuͤre, sie treten herein, affek-
tiren die volle Dreistigkeit ihres vormaligen Standes,
lassen sich ohne Umstaͤnde am Kamin nieder, sagen dem
Fremden die unverschaͤmtesten Schmeicheleien, und schwa-
tzen von tausend Dingen wohl eine halbe Stunde lang,
ohne mit einer Silbe ihrer Noth zu gedenken. Sie ha-
ben bloß das Gluͤck haben wollen, den Fremden kennen
zu lernen, u. s. w. Endlich ruͤcken sie heraus, anfangs
verbluͤmt, dann deutlicher, haben auch wohl ein Buch
geschrieben, auf welches sie praͤnumerieren lassen, und
den Praͤnumerationsschein gleich bei der Hand haben,
den sie nachlaͤßig auf den Tisch werfen, indessen sie von
etwas Anderm sprechen. — Mir ist dergleichen oͤfter
widerfahren, und ich koͤnnte Namen nennen, die den
Leser in Erstaunen setzen wuͤrden. Manche wagen es doch
nicht, eine solche Rolle in Person zu spielen, sondern
schreiben Briefe, die wenigstens bescheiden klingen.
Jch kann mir indessen wohl vorstellen, daß Menschen,
die so erzogen wurden, und so zu leben gewohnt wa-
ren, wenn sie nun einmal zum Betteln gezwungen sind,
auf keine andere Art betteln koͤnnen.
Speiset man unter Mannspersonen an einer großen
Tafel, so kann man darauf wetten, daß unter Zwanzi-
gen nicht Zwei seyn werden, die nicht Feldzuͤge mitge-
macht haͤtten, wenn man sich gleich unter lauter Dich-
tern, Kuͤnstlern und Schauspielern befindet. Jn der
Schreckenszeit war es ein Gluͤck, wenn man Paris
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/159>, abgerufen am 16.02.2025.
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