Harlekins Geburt aus dem Eye aufführen sehen, ein Zauberspiel mit vielen Verwandlungen, Spektakel, Musik, Pantomine, Tanz, Gesang, Alles so gut, daß man in großen Städten Teutschlands gewaltig herzuströ- men würde. Ein Gefecht zwischen sechs Personen, nach dem Takt der Musik, habe ich auf unseren Bühnen nie so täuschend darstellen sehen. Auch ein Kampf zu Pfer- de zwischen sechs Reitern, bei welchem die Pferde lustig hinten ausschlugen, und Harlekin und Pierrot mit den überhängenden Beinen fochten; ferner, feuerspeiende Drachen u. dgl., Alles so gut als in der Donaunymphe. Bewundernswürdig schnell war Harlekin in der Kunst, sich selbst zu verwandeln, besonders nahm er zweimal hintereinander die Gestalt seines Nebenbuhlers an, wo- bei er nicht allein alle Kleider, sondern auch sogar die schwarze Larve mit seinem eignen Gesichte wechselte, wel- ches Alles -- zumal das zweitemal -- wirklich nahe an Zauberei gränzte. -- Ein Tageblatt (les annales de la politesse) beklagte sich, daß auf den kleinen Theatern der teutsche Geschmack am Wnnderbaren so sehr einrisse, und zu fürchten sey, daß die Vernunft des Vol- kes dadurch werde geschwächt werden, auch werde man endlich wohl gar die Rückwirkung (Contre- coup) auf den großen Theatern spüren: denn die Volks- meynung pflanze sich fort, wie ein elektrischer Schlag, bis in die entferntesten Glieder. So ganz unrecht mag das Blatt nicht haben.
9) Theatre de la gaiete. Ein artiges Haus, sehr geschmackvoll verziert. Statt der ewigen Greifen sieht man hier überall an den Logenberüstungen niedliche Ge- nien mit Blumenguirlanden, die in allerlei Stellungen drapirte Vorhänge aufheben. Jch wüßte mich nicht zu
Harlekins Geburt aus dem Eye auffuͤhren sehen, ein Zauberspiel mit vielen Verwandlungen, Spektakel, Musik, Pantomine, Tanz, Gesang, Alles so gut, daß man in großen Staͤdten Teutschlands gewaltig herzustroͤ- men wuͤrde. Ein Gefecht zwischen sechs Personen, nach dem Takt der Musik, habe ich auf unseren Buͤhnen nie so taͤuschend darstellen sehen. Auch ein Kampf zu Pfer- de zwischen sechs Reitern, bei welchem die Pferde lustig hinten ausschlugen, und Harlekin und Pierrot mit den uͤberhaͤngenden Beinen fochten; ferner, feuerspeiende Drachen u. dgl., Alles so gut als in der Donaunymphe. Bewundernswuͤrdig schnell war Harlekin in der Kunst, sich selbst zu verwandeln, besonders nahm er zweimal hintereinander die Gestalt seines Nebenbuhlers an, wo- bei er nicht allein alle Kleider, sondern auch sogar die schwarze Larve mit seinem eignen Gesichte wechselte, wel- ches Alles — zumal das zweitemal — wirklich nahe an Zauberei graͤnzte. — Ein Tageblatt (les annales de la politesse) beklagte sich, daß auf den kleinen Theatern der teutsche Geschmack am Wnnderbaren so sehr einrisse, und zu fuͤrchten sey, daß die Vernunft des Vol- kes dadurch werde geschwaͤcht werden, auch werde man endlich wohl gar die Ruͤckwirkung (Contre- coup) auf den großen Theatern spuͤren: denn die Volks- meynung pflanze sich fort, wie ein elektrischer Schlag, bis in die entferntesten Glieder. So ganz unrecht mag das Blatt nicht haben.
9) Theatre de la gaiété. Ein artiges Haus, sehr geschmackvoll verziert. Statt der ewigen Greifen sieht man hier uͤberall an den Logenberuͤstungen niedliche Ge- nien mit Blumenguirlanden, die in allerlei Stellungen drapirte Vorhaͤnge aufheben. Jch wuͤßte mich nicht zu
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Harlekins Geburt aus dem Eye auffuͤhren sehen,
ein Zauberspiel mit vielen Verwandlungen, Spektakel,
Musik, Pantomine, Tanz, Gesang, Alles so gut, daß
man in großen Staͤdten Teutschlands gewaltig herzustroͤ-
men wuͤrde. Ein Gefecht zwischen sechs Personen, nach
dem Takt der Musik, habe ich auf unseren Buͤhnen nie
so taͤuschend darstellen sehen. Auch ein Kampf zu Pfer-
de zwischen sechs Reitern, bei welchem die Pferde lustig
hinten ausschlugen, und Harlekin und Pierrot mit den
uͤberhaͤngenden Beinen fochten; ferner, feuerspeiende
Drachen u. dgl., Alles so gut als in der Donaunymphe.
Bewundernswuͤrdig schnell war Harlekin in der Kunst,
sich selbst zu verwandeln, besonders nahm er zweimal
hintereinander die Gestalt seines Nebenbuhlers an, wo-
bei er nicht allein alle Kleider, sondern auch sogar die
schwarze Larve mit seinem eignen Gesichte wechselte, wel-
ches Alles — zumal das zweitemal — wirklich nahe
an Zauberei graͤnzte. — Ein Tageblatt (les annales de
la politesse) beklagte sich, daß auf den kleinen Theatern
der teutsche Geschmack am Wnnderbaren so sehr einrisse,
und zu fuͤrchten sey, daß die Vernunft des Vol-
kes dadurch werde geschwaͤcht werden, auch
werde man endlich wohl gar die Ruͤckwirkung (Contre-
coup) auf den großen Theatern spuͤren: denn die Volks-
meynung pflanze sich fort, wie ein elektrischer Schlag,
bis in die entferntesten Glieder. So ganz unrecht mag
das Blatt nicht haben.
9) Theatre de la gaiété. Ein artiges Haus, sehr
geschmackvoll verziert. Statt der ewigen Greifen sieht
man hier uͤberall an den Logenberuͤstungen niedliche Ge-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/143>, abgerufen am 08.07.2024.
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