Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorstellungen haben mich sehr angenehm unterhalten,
und, was davon auf deutschen Bühnen noch nicht bekannt
seyn möchte, darf ich zum Uebersetzen empfehlen.

5) Theatre Louvois, an dessen Spitze der brave
Picard, der Verfasser so manches unterhaltenden Lust-
spiels, steht, ist ausschließlich den Spielen der Thalia
gewidmet; Melpomene erscheint hier nie. Das Haus ist
ziemlich groß und artig verziert; nur scheint mir der je-
tzige pariser Geschmack, die Greifen überall so häufig
anzubringen, nicht der beste. Man findet sie fast in den
meisten Theatern. Mit sparsamer Hand vertheilt, thut diese
Zierde allerdings die beabsichtigte Wirkung; aber wenn
alle Logen von oben bis unten darmit bemalt sind, so
verfehlt es den Zweck. -- Das Theatre Louvois be-
sitzt mehrere ausgezeichnete Talente. Picard selbst und
sein Bruder sind brave komische Schauspieler. Besonders
aber zeichnet sich de Vigny aus. Jch sah ihn zuerst in
Le Vieillard et les jeunes gens, und war entzückt.
Auch giebt es wohl wenige Lustspiele, die so zu rech-
ter Zeit
geschrieben worden sind, als dieses. Der elen-
de Uebermuth der heutigen Jünglinge, die Alles besser
wissen, ist hier treffend gezüchtigt. Uebersetzt kann
das Stück nach meiner Meynung nicht werden; aber
bearbeitet, würde es auch in Teutschland sehr willkom-
men seyn, da Teutschland eben so gut als Frankreich von
Originalen dazu wimmelt. -- La Suite du menteur
war mir sehr gerühmt worden, erfüllte aber meine Er-
wartung nicht. Auch nahm mich Wunder, daß die sonst
so delikaten Franzosen keinen Anstoß daran nahmen, ein
honettes Frauenzimmer zu einem jungen Menschen, den
es gar nicht kannte, ins Gefängniß kommen zu sehen,
um sich ihm anzubiethen. Wie würde man in Teutsch-

Vorstellungen haben mich sehr angenehm unterhalten,
und, was davon auf deutschen Buͤhnen noch nicht bekannt
seyn moͤchte, darf ich zum Uebersetzen empfehlen.

5) Theatre Louvois, an dessen Spitze der brave
Picard, der Verfasser so manches unterhaltenden Lust-
spiels, steht, ist ausschließlich den Spielen der Thalia
gewidmet; Melpomene erscheint hier nie. Das Haus ist
ziemlich groß und artig verziert; nur scheint mir der je-
tzige pariser Geschmack, die Greifen uͤberall so haͤufig
anzubringen, nicht der beste. Man findet sie fast in den
meisten Theatern. Mit sparsamer Hand vertheilt, thut diese
Zierde allerdings die beabsichtigte Wirkung; aber wenn
alle Logen von oben bis unten darmit bemalt sind, so
verfehlt es den Zweck. — Das Theatre Louvois be-
sitzt mehrere ausgezeichnete Talente. Picard selbst und
sein Bruder sind brave komische Schauspieler. Besonders
aber zeichnet sich de Vigny aus. Jch sah ihn zuerst in
Le Vieillard et les jeunes gens, und war entzuͤckt.
Auch giebt es wohl wenige Lustspiele, die so zu rech-
ter Zeit
geschrieben worden sind, als dieses. Der elen-
de Uebermuth der heutigen Juͤnglinge, die Alles besser
wissen, ist hier treffend gezuͤchtigt. Uebersetzt kann
das Stuͤck nach meiner Meynung nicht werden; aber
bearbeitet, wuͤrde es auch in Teutschland sehr willkom-
men seyn, da Teutschland eben so gut als Frankreich von
Originalen dazu wimmelt. — La Suite du menteur
war mir sehr geruͤhmt worden, erfuͤllte aber meine Er-
wartung nicht. Auch nahm mich Wunder, daß die sonst
so delikaten Franzosen keinen Anstoß daran nahmen, ein
honettes Frauenzimmer zu einem jungen Menschen, den
es gar nicht kannte, ins Gefaͤngniß kommen zu sehen,
um sich ihm anzubiethen. Wie wuͤrde man in Teutsch-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0138" n="138"/>
Vorstellungen haben mich sehr angenehm unterhalten,<lb/>
und, was davon auf deutschen Bu&#x0364;hnen noch nicht bekannt<lb/>
seyn mo&#x0364;chte, darf ich zum Uebersetzen empfehlen.</p><lb/>
        <p>5) Theatre Louvois, an dessen Spitze der brave<lb/>
Picard, der Verfasser so manches unterhaltenden Lust-<lb/>
spiels, steht, ist ausschließlich den Spielen der Thalia<lb/>
gewidmet; Melpomene erscheint hier nie. Das Haus ist<lb/>
ziemlich groß und artig verziert; nur scheint mir der je-<lb/>
tzige pariser Geschmack, die <hi rendition="#g">Greifen</hi> u&#x0364;berall so ha&#x0364;ufig<lb/>
anzubringen, nicht der beste. Man findet sie fast in den<lb/>
meisten Theatern. Mit sparsamer Hand vertheilt, thut diese<lb/>
Zierde allerdings die beabsichtigte Wirkung; aber wenn<lb/>
alle Logen von oben bis unten darmit bemalt sind, so<lb/>
verfehlt es den Zweck. &#x2014; Das Theatre Louvois be-<lb/>
sitzt mehrere ausgezeichnete Talente. Picard selbst und<lb/>
sein Bruder sind brave komische Schauspieler. Besonders<lb/>
aber zeichnet sich de Vigny aus. Jch sah ihn zuerst in<lb/>
Le Vieillard et les jeunes gens, und war entzu&#x0364;ckt.<lb/>
Auch giebt es wohl wenige Lustspiele, die so <hi rendition="#g">zu rech-<lb/>
ter Zeit</hi> geschrieben worden sind, als dieses. Der elen-<lb/>
de Uebermuth der heutigen Ju&#x0364;nglinge, die Alles besser<lb/>
wissen, ist hier treffend gezu&#x0364;chtigt. <hi rendition="#g">Uebersetzt</hi> kann<lb/>
das Stu&#x0364;ck nach meiner Meynung nicht werden; aber<lb/><hi rendition="#g">bearbeitet,</hi> wu&#x0364;rde es auch in Teutschland sehr willkom-<lb/>
men seyn, da Teutschland eben so gut als Frankreich von<lb/>
Originalen dazu wimmelt. &#x2014; La Suite du menteur<lb/>
war mir sehr geru&#x0364;hmt worden, erfu&#x0364;llte aber meine Er-<lb/>
wartung nicht. Auch nahm mich Wunder, daß die sonst<lb/>
so delikaten Franzosen keinen Anstoß daran nahmen, ein<lb/>
honettes Frauenzimmer zu einem jungen Menschen, den<lb/>
es gar nicht kannte, ins Gefa&#x0364;ngniß kommen zu sehen,<lb/>
um sich ihm <hi rendition="#g">anzubiethen.</hi> Wie wu&#x0364;rde man in Teutsch-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0138] Vorstellungen haben mich sehr angenehm unterhalten, und, was davon auf deutschen Buͤhnen noch nicht bekannt seyn moͤchte, darf ich zum Uebersetzen empfehlen. 5) Theatre Louvois, an dessen Spitze der brave Picard, der Verfasser so manches unterhaltenden Lust- spiels, steht, ist ausschließlich den Spielen der Thalia gewidmet; Melpomene erscheint hier nie. Das Haus ist ziemlich groß und artig verziert; nur scheint mir der je- tzige pariser Geschmack, die Greifen uͤberall so haͤufig anzubringen, nicht der beste. Man findet sie fast in den meisten Theatern. Mit sparsamer Hand vertheilt, thut diese Zierde allerdings die beabsichtigte Wirkung; aber wenn alle Logen von oben bis unten darmit bemalt sind, so verfehlt es den Zweck. — Das Theatre Louvois be- sitzt mehrere ausgezeichnete Talente. Picard selbst und sein Bruder sind brave komische Schauspieler. Besonders aber zeichnet sich de Vigny aus. Jch sah ihn zuerst in Le Vieillard et les jeunes gens, und war entzuͤckt. Auch giebt es wohl wenige Lustspiele, die so zu rech- ter Zeit geschrieben worden sind, als dieses. Der elen- de Uebermuth der heutigen Juͤnglinge, die Alles besser wissen, ist hier treffend gezuͤchtigt. Uebersetzt kann das Stuͤck nach meiner Meynung nicht werden; aber bearbeitet, wuͤrde es auch in Teutschland sehr willkom- men seyn, da Teutschland eben so gut als Frankreich von Originalen dazu wimmelt. — La Suite du menteur war mir sehr geruͤhmt worden, erfuͤllte aber meine Er- wartung nicht. Auch nahm mich Wunder, daß die sonst so delikaten Franzosen keinen Anstoß daran nahmen, ein honettes Frauenzimmer zu einem jungen Menschen, den es gar nicht kannte, ins Gefaͤngniß kommen zu sehen, um sich ihm anzubiethen. Wie wuͤrde man in Teutsch-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/138
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/138>, abgerufen am 06.05.2024.