Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

Schreyerinn Maillard nicht absprechen kann. Ma-
dam Branchü besonders spielt mit Natur und Grazie.
-- Alles Nebenwerk war vortrefflich einstudiert. Die
Statisten kamen nicht paarweise angestiegen, wie
eine Prozession von Schulknaben, sondern immer grup-
penweise,
stellten sich nie zu beiden Seiten immer
auf eine und dieselbe Manier, sondern waren stets in
Gruppen malerisch vertheilt. Die Gefechte bestanden
nicht aus einem elenden Geklapper in der Luft, sondern
schienen in der That sehr ernsthaft. Zu dem Herabkklim-
men über die Felsen hätte man gewiß in Teutschland hin-
ter der Pappe bequeme Stufen angebracht, hier gab es
nur in weiten Entfernungen, bald links bald rechts, un-
ordentliche Absätze, und Viele ließen sich an Seilen her-
ab. Prächtig war Adriens Triumphbogen mit allen sei-
nen Umgebungen, reich und glänzend das Kostum. --
Nie wurde, um einer Verwandlung willen, zwischen den
Akten der Vorhang herabgelassen. -- Doch eine Unschick-
lichkeit muß ich rügen. Eine steinerne Brücke, auf
derben Pfeilern ruhend, stürzte zusammen, weil 20 oder
30 Menschen darüber gelaufen waren. Hier hätte man,
wie auch der Dichter vorgeschrieben, eine hölzerne
Brücke hinstellen, oder, wenn es durchaus Stein seyn
mußte, sie wenigstens sehr baufällig malen sollen.

Da man, um gute Plätze zu haben, in der großen
Oper sehr früh kommen muß, so bringen viele Leute Bü-
cher mit, und lesen bis angefangen wird. Es versteht
sich, daß die Beleuchtung so gut ist, daß man sehr be-
quem dabei lesen kann. Jn Berlin müßte man das wohl
bleiben lassen, denn da gehören schon gute Augen dazu,
um in den Opern die Arien nachlesen zu können.

Der Dichter Duval hat meine Hussitten sehr

Schreyerinn Maillard nicht absprechen kann. Ma-
dam Branchuͤ besonders spielt mit Natur und Grazie.
— Alles Nebenwerk war vortrefflich einstudiert. Die
Statisten kamen nicht paarweise angestiegen, wie
eine Prozession von Schulknaben, sondern immer grup-
penweise,
stellten sich nie zu beiden Seiten immer
auf eine und dieselbe Manier, sondern waren stets in
Gruppen malerisch vertheilt. Die Gefechte bestanden
nicht aus einem elenden Geklapper in der Luft, sondern
schienen in der That sehr ernsthaft. Zu dem Herabkklim-
men uͤber die Felsen haͤtte man gewiß in Teutschland hin-
ter der Pappe bequeme Stufen angebracht, hier gab es
nur in weiten Entfernungen, bald links bald rechts, un-
ordentliche Absaͤtze, und Viele ließen sich an Seilen her-
ab. Praͤchtig war Adriens Triumphbogen mit allen sei-
nen Umgebungen, reich und glaͤnzend das Kostum. —
Nie wurde, um einer Verwandlung willen, zwischen den
Akten der Vorhang herabgelassen. — Doch eine Unschick-
lichkeit muß ich ruͤgen. Eine steinerne Bruͤcke, auf
derben Pfeilern ruhend, stuͤrzte zusammen, weil 20 oder
30 Menschen daruͤber gelaufen waren. Hier haͤtte man,
wie auch der Dichter vorgeschrieben, eine hoͤlzerne
Bruͤcke hinstellen, oder, wenn es durchaus Stein seyn
mußte, sie wenigstens sehr baufaͤllig malen sollen.

Da man, um gute Plaͤtze zu haben, in der großen
Oper sehr fruͤh kommen muß, so bringen viele Leute Buͤ-
cher mit, und lesen bis angefangen wird. Es versteht
sich, daß die Beleuchtung so gut ist, daß man sehr be-
quem dabei lesen kann. Jn Berlin muͤßte man das wohl
bleiben lassen, denn da gehoͤren schon gute Augen dazu,
um in den Opern die Arien nachlesen zu koͤnnen.

Der Dichter Duval hat meine Hussitten sehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0132" n="132"/><hi rendition="#g">Schreyerinn Maillard</hi> nicht absprechen kann. Ma-<lb/>
dam <hi rendition="#g">Branchu&#x0364;</hi> besonders spielt mit Natur und Grazie.<lb/>
&#x2014; Alles Nebenwerk war vortrefflich einstudiert. Die<lb/>
Statisten kamen nicht <hi rendition="#g">paarweise</hi> angestiegen, wie<lb/>
eine Prozession von Schulknaben, sondern immer <hi rendition="#g">grup-<lb/>
penweise,</hi> stellten sich nie zu beiden Seiten immer<lb/>
auf eine und dieselbe Manier, sondern waren stets in<lb/>
Gruppen malerisch vertheilt. Die Gefechte bestanden<lb/>
nicht aus einem elenden Geklapper in der Luft, sondern<lb/>
schienen in der That sehr ernsthaft. Zu dem Herabkklim-<lb/>
men u&#x0364;ber die Felsen ha&#x0364;tte man gewiß in Teutschland hin-<lb/>
ter der Pappe bequeme Stufen angebracht, hier gab es<lb/>
nur in weiten Entfernungen, bald links bald rechts, un-<lb/>
ordentliche Absa&#x0364;tze, und Viele ließen sich an Seilen her-<lb/>
ab. Pra&#x0364;chtig war Adriens Triumphbogen mit allen sei-<lb/>
nen Umgebungen, reich und gla&#x0364;nzend das Kostum. &#x2014;<lb/>
Nie wurde, um einer Verwandlung willen, zwischen den<lb/>
Akten der Vorhang herabgelassen. &#x2014; Doch eine Unschick-<lb/>
lichkeit muß ich ru&#x0364;gen. Eine <hi rendition="#g">steinerne</hi> Bru&#x0364;cke, auf<lb/>
derben Pfeilern ruhend, stu&#x0364;rzte zusammen, weil 20 oder<lb/>
30 Menschen daru&#x0364;ber gelaufen waren. Hier ha&#x0364;tte man,<lb/>
wie auch der Dichter vorgeschrieben, eine <hi rendition="#g">ho&#x0364;lzerne</hi><lb/>
Bru&#x0364;cke hinstellen, oder, wenn es durchaus Stein seyn<lb/>
mußte, sie wenigstens sehr baufa&#x0364;llig malen sollen.</p><lb/>
        <p>Da man, um gute Pla&#x0364;tze zu haben, in der großen<lb/>
Oper sehr fru&#x0364;h kommen muß, so bringen viele Leute Bu&#x0364;-<lb/>
cher mit, und lesen bis angefangen wird. Es versteht<lb/>
sich, daß die Beleuchtung so gut ist, daß man sehr be-<lb/>
quem dabei lesen kann. Jn Berlin mu&#x0364;ßte man das wohl<lb/>
bleiben lassen, denn da geho&#x0364;ren schon gute Augen dazu,<lb/>
um in den Opern die Arien nachlesen zu ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>Der Dichter <hi rendition="#g">Duval</hi> hat meine <hi rendition="#g">Hussitten</hi> sehr<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0132] Schreyerinn Maillard nicht absprechen kann. Ma- dam Branchuͤ besonders spielt mit Natur und Grazie. — Alles Nebenwerk war vortrefflich einstudiert. Die Statisten kamen nicht paarweise angestiegen, wie eine Prozession von Schulknaben, sondern immer grup- penweise, stellten sich nie zu beiden Seiten immer auf eine und dieselbe Manier, sondern waren stets in Gruppen malerisch vertheilt. Die Gefechte bestanden nicht aus einem elenden Geklapper in der Luft, sondern schienen in der That sehr ernsthaft. Zu dem Herabkklim- men uͤber die Felsen haͤtte man gewiß in Teutschland hin- ter der Pappe bequeme Stufen angebracht, hier gab es nur in weiten Entfernungen, bald links bald rechts, un- ordentliche Absaͤtze, und Viele ließen sich an Seilen her- ab. Praͤchtig war Adriens Triumphbogen mit allen sei- nen Umgebungen, reich und glaͤnzend das Kostum. — Nie wurde, um einer Verwandlung willen, zwischen den Akten der Vorhang herabgelassen. — Doch eine Unschick- lichkeit muß ich ruͤgen. Eine steinerne Bruͤcke, auf derben Pfeilern ruhend, stuͤrzte zusammen, weil 20 oder 30 Menschen daruͤber gelaufen waren. Hier haͤtte man, wie auch der Dichter vorgeschrieben, eine hoͤlzerne Bruͤcke hinstellen, oder, wenn es durchaus Stein seyn mußte, sie wenigstens sehr baufaͤllig malen sollen. Da man, um gute Plaͤtze zu haben, in der großen Oper sehr fruͤh kommen muß, so bringen viele Leute Buͤ- cher mit, und lesen bis angefangen wird. Es versteht sich, daß die Beleuchtung so gut ist, daß man sehr be- quem dabei lesen kann. Jn Berlin muͤßte man das wohl bleiben lassen, denn da gehoͤren schon gute Augen dazu, um in den Opern die Arien nachlesen zu koͤnnen. Der Dichter Duval hat meine Hussitten sehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/132
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/132>, abgerufen am 05.05.2024.