wieder: La toile! Kurz, keine Feder beschreibt den Lärm.
Man hat mich versichert, daß die jungen Herren im Theater Pfeifen mit Blasebälgen unter beiden Armen und in beiden Schuhen haben, so, daß sie mit den Händen zu klatschen scheinen, indessen sie eben durch das Klatschen beide Pfeifen unter den Armen in Bewegung setzen. So oft sie aber auf die Zehen treten, und dann die Fersen wieder sinken lassen, pfeift es in beiden Schuhen.
Die Aufführung von Menschenhaß und Reue war durch eines Schauspielers Krankheit lange verzögert worden. Madame Talma (vormals Petit- Vanhove) spielte die Eulalia recht gut, St. Phal aber den Meinau sehr unter meiner Erwartung. Erstens sollte schon ein so wohlgenährter Mann mit ausgestopften Backen nie den Meinau spielen; zweitens sollte Meinau nie so fürch- terlich toben, und drittens sollte er nicht angezogen seyn wie ein Handwerkspursche. Er trägt nämlich einen alt- väterischen dunkelblauen Rock mit gelben Knöpfen, eine Scharlachweste mit großen viereckigen Taschen, schwarze Beinkleider und Siefeln über die Kniee gezogen. Als ich meine Verwunderung über dieses seltsame Kostum zu er- kennen gab, bestand man darauf, das sey Teutsch. Jch hatte gut reden, und zeigte vergebens auf meinen eigenen Frack, der ja noch in Teutschland gemacht sey. Man blieb dabei: c'est le costume Allemand. Jch schloß mit der Versicherung, daß nur die teutschen Flei- schersknechte sich so kleideten, und verlor kein Wort weiter. -- Meinau packte sich einigemal so wüthend bei der Brust, daß man alle Augenblicke befürchten mußte, er werde sich selbst ins Parterre schleudern.
wieder: La toile! Kurz, keine Feder beschreibt den Laͤrm.
Man hat mich versichert, daß die jungen Herren im Theater Pfeifen mit Blasebaͤlgen unter beiden Armen und in beiden Schuhen haben, so, daß sie mit den Haͤnden zu klatschen scheinen, indessen sie eben durch das Klatschen beide Pfeifen unter den Armen in Bewegung setzen. So oft sie aber auf die Zehen treten, und dann die Fersen wieder sinken lassen, pfeift es in beiden Schuhen.
Die Auffuͤhrung von Menschenhaß und Reue war durch eines Schauspielers Krankheit lange verzoͤgert worden. Madame Talma (vormals Petit- Vanhove) spielte die Eulalia recht gut, St. Phal aber den Meinau sehr unter meiner Erwartung. Erstens sollte schon ein so wohlgenaͤhrter Mann mit ausgestopften Backen nie den Meinau spielen; zweitens sollte Meinau nie so fuͤrch- terlich toben, und drittens sollte er nicht angezogen seyn wie ein Handwerkspursche. Er traͤgt naͤmlich einen alt- vaͤterischen dunkelblauen Rock mit gelben Knoͤpfen, eine Scharlachweste mit großen viereckigen Taschen, schwarze Beinkleider und Siefeln uͤber die Kniee gezogen. Als ich meine Verwunderung uͤber dieses seltsame Kostum zu er- kennen gab, bestand man darauf, das sey Teutsch. Jch hatte gut reden, und zeigte vergebens auf meinen eigenen Frack, der ja noch in Teutschland gemacht sey. Man blieb dabei: c'est le costume Allemand. Jch schloß mit der Versicherung, daß nur die teutschen Flei- schersknechte sich so kleideten, und verlor kein Wort weiter. — Meinau packte sich einigemal so wuͤthend bei der Brust, daß man alle Augenblicke befuͤrchten mußte, er werde sich selbst ins Parterre schleudern.
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wieder: La toile! Kurz, keine Feder beschreibt den
Laͤrm.
Man hat mich versichert, daß die jungen Herren im
Theater Pfeifen mit Blasebaͤlgen unter beiden Armen
und in beiden Schuhen haben, so, daß sie mit den
Haͤnden zu klatschen scheinen, indessen sie eben
durch das Klatschen beide Pfeifen unter den Armen in
Bewegung setzen. So oft sie aber auf die Zehen treten,
und dann die Fersen wieder sinken lassen, pfeift es in
beiden Schuhen.
Die Auffuͤhrung von Menschenhaß und Reue
war durch eines Schauspielers Krankheit lange verzoͤgert
worden. Madame Talma (vormals Petit- Vanhove)
spielte die Eulalia recht gut, St. Phal aber den Meinau
sehr unter meiner Erwartung. Erstens sollte schon ein
so wohlgenaͤhrter Mann mit ausgestopften Backen nie
den Meinau spielen; zweitens sollte Meinau nie so fuͤrch-
terlich toben, und drittens sollte er nicht angezogen seyn
wie ein Handwerkspursche. Er traͤgt naͤmlich einen alt-
vaͤterischen dunkelblauen Rock mit gelben Knoͤpfen, eine
Scharlachweste mit großen viereckigen Taschen, schwarze
Beinkleider und Siefeln uͤber die Kniee gezogen. Als ich
meine Verwunderung uͤber dieses seltsame Kostum zu er-
kennen gab, bestand man darauf, das sey Teutsch.
Jch hatte gut reden, und zeigte vergebens auf meinen
eigenen Frack, der ja noch in Teutschland gemacht sey.
Man blieb dabei: c'est le costume Allemand. Jch
schloß mit der Versicherung, daß nur die teutschen Flei-
schersknechte sich so kleideten, und verlor kein Wort
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/126>, abgerufen am 08.07.2024.
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