haben scheint. Die berühmte, wohlerhaltene Jsista- fel, auf welcher die Figuren mit Silber eingelegt sind, ist schon längst ein Gegenstand gelehrter Nachforschungen gewesen. Ein egyptisches Buch hat Bonaparte ge- schenkt; Schade, daß noch Niemand es zu lesen versteht. Mehrere Schriften auf Papyrus sind von Mumien abgelös[e]t und sorgfältig aufgeklebt worden. Die auch noch vorhandenen Mumien sehen ziemlich zerlumpt aus, weil Cüvier sie anatomirt hat, um die Speze- reien zu erforschen, mit welchen sie einbalsamirt worden. Allerlei Schmuck und kleines Hausgeräth der Egy- pter versetzt die Phantasie plötzlich in ihre Wohnungen, in ihr häusliches Leben. Da sind Löffel, Gabeln, Re- chentafeln, Würfel u. dergl. Ein paar Mumien des Vogels Jbis, der bekanntlich von den Egyptern gött- lich verehrt wurde, weil er ihre Gefilde von dem schäd- lichen Gewürm befreiete. Ein Altar, (eins der sel- tensten Stücke) mit Hieroglyphen beschrieben.
Der berühmte Sardonix*), Kaiser Augustus Apotheose darstellend, ist bekanntlich der größte geschnit- tene Stein in der Welt. Germanicus steht vor dem Ti- ber, und in den Wolken schwebt die Familie, lauter Por- traits. Glücklicher Weise haben die frommen Christen in dieser Vorstellung den Joseph zu erkennen geglaubt, wie er den Traum auslegt, und so ist dieses Kunstwerk dem heiligen Zerstörungseifer entgangen. Dasselbe Glück hat eine allerliebste Büste von gleicher Materie gehabt, Valentinian vorstellend. Der ehrliche Heide ist lan- ge bei christlichen Prozessionen als Heiliger herumgetra- gen worden. Ein kostbarer Kelch, gleichfalls ein Sar- donix, mag den frommen Kommunikanten wohl oft Heil
*) Jst seitdem gestohlen worden.
haben scheint. Die beruͤhmte, wohlerhaltene Jsista- fel, auf welcher die Figuren mit Silber eingelegt sind, ist schon laͤngst ein Gegenstand gelehrter Nachforschungen gewesen. Ein egyptisches Buch hat Bonaparte ge- schenkt; Schade, daß noch Niemand es zu lesen versteht. Mehrere Schriften auf Papyrus sind von Mumien abgeloͤs[e]t und sorgfaͤltig aufgeklebt worden. Die auch noch vorhandenen Mumien sehen ziemlich zerlumpt aus, weil Cuͤvier sie anatomirt hat, um die Speze- reien zu erforschen, mit welchen sie einbalsamirt worden. Allerlei Schmuck und kleines Hausgeraͤth der Egy- pter versetzt die Phantasie ploͤtzlich in ihre Wohnungen, in ihr haͤusliches Leben. Da sind Loͤffel, Gabeln, Re- chentafeln, Wuͤrfel u. dergl. Ein paar Mumien des Vogels Jbis, der bekanntlich von den Egyptern goͤtt- lich verehrt wurde, weil er ihre Gefilde von dem schaͤd- lichen Gewuͤrm befreiete. Ein Altar, (eins der sel- tensten Stuͤcke) mit Hieroglyphen beschrieben.
Der beruͤhmte Sardonix*), Kaiser Augustus Apotheose darstellend, ist bekanntlich der groͤßte geschnit- tene Stein in der Welt. Germanicus steht vor dem Ti- ber, und in den Wolken schwebt die Familie, lauter Por- traits. Gluͤcklicher Weise haben die frommen Christen in dieser Vorstellung den Joseph zu erkennen geglaubt, wie er den Traum auslegt, und so ist dieses Kunstwerk dem heiligen Zerstoͤrungseifer entgangen. Dasselbe Gluͤck hat eine allerliebste Buͤste von gleicher Materie gehabt, Valentinian vorstellend. Der ehrliche Heide ist lan- ge bei christlichen Prozessionen als Heiliger herumgetra- gen worden. Ein kostbarer Kelch, gleichfalls ein Sar- donix, mag den frommen Kommunikanten wohl oft Heil
*) Jst seitdem gestohlen worden.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0012"n="12"/>
haben scheint. Die beruͤhmte, wohlerhaltene <hirendition="#g">Jsista-<lb/>
fel,</hi> auf welcher die Figuren mit Silber eingelegt sind,<lb/>
ist schon laͤngst ein Gegenstand gelehrter Nachforschungen<lb/>
gewesen. Ein egyptisches <hirendition="#g">Buch</hi> hat Bonaparte ge-<lb/>
schenkt; Schade, daß noch Niemand es zu lesen versteht.<lb/>
Mehrere <hirendition="#g">Schriften</hi> auf <hirendition="#g">Papyrus</hi> sind von Mumien<lb/>
abgeloͤs<supplied>e</supplied>t und sorgfaͤltig aufgeklebt worden. Die auch<lb/>
noch vorhandenen <hirendition="#g">Mumien</hi> sehen ziemlich zerlumpt<lb/>
aus, weil <hirendition="#g">Cuͤvier</hi> sie anatomirt hat, um die Speze-<lb/>
reien zu erforschen, mit welchen sie einbalsamirt worden.<lb/>
Allerlei <hirendition="#g">Schmuck</hi> und kleines <hirendition="#g">Hausgeraͤth</hi> der Egy-<lb/>
pter versetzt die Phantasie ploͤtzlich in ihre Wohnungen,<lb/>
in ihr haͤusliches Leben. Da sind Loͤffel, Gabeln, Re-<lb/>
chentafeln, Wuͤrfel u. dergl. Ein paar Mumien des<lb/>
Vogels <hirendition="#g">Jbis,</hi> der bekanntlich von den Egyptern goͤtt-<lb/>
lich verehrt wurde, weil er ihre Gefilde von dem schaͤd-<lb/>
lichen Gewuͤrm befreiete. <hirendition="#g">Ein Altar,</hi> (eins der sel-<lb/>
tensten Stuͤcke) mit <hirendition="#g">Hieroglyphen</hi> beschrieben.</p><lb/><p>Der beruͤhmte <hirendition="#g">Sardonix</hi><noteplace="foot"n="*)">Jst seitdem gestohlen worden.</note>, Kaiser Augustus<lb/>
Apotheose darstellend, ist bekanntlich der groͤßte geschnit-<lb/>
tene Stein in der Welt. Germanicus steht vor dem Ti-<lb/>
ber, und in den Wolken schwebt die Familie, lauter Por-<lb/>
traits. Gluͤcklicher Weise haben die frommen Christen<lb/>
in dieser Vorstellung den <hirendition="#g">Joseph</hi> zu erkennen geglaubt,<lb/>
wie er den Traum auslegt, und so ist dieses Kunstwerk<lb/>
dem heiligen Zerstoͤrungseifer entgangen. Dasselbe Gluͤck<lb/>
hat eine allerliebste Buͤste von gleicher Materie gehabt,<lb/><hirendition="#g">Valentinian</hi> vorstellend. Der ehrliche Heide ist lan-<lb/>
ge bei christlichen Prozessionen als Heiliger herumgetra-<lb/>
gen worden. Ein kostbarer <hirendition="#g">Kelch,</hi> gleichfalls ein Sar-<lb/>
donix, mag den frommen Kommunikanten wohl oft Heil<lb/></p></div></body></text></TEI>
[12/0012]
haben scheint. Die beruͤhmte, wohlerhaltene Jsista-
fel, auf welcher die Figuren mit Silber eingelegt sind,
ist schon laͤngst ein Gegenstand gelehrter Nachforschungen
gewesen. Ein egyptisches Buch hat Bonaparte ge-
schenkt; Schade, daß noch Niemand es zu lesen versteht.
Mehrere Schriften auf Papyrus sind von Mumien
abgeloͤset und sorgfaͤltig aufgeklebt worden. Die auch
noch vorhandenen Mumien sehen ziemlich zerlumpt
aus, weil Cuͤvier sie anatomirt hat, um die Speze-
reien zu erforschen, mit welchen sie einbalsamirt worden.
Allerlei Schmuck und kleines Hausgeraͤth der Egy-
pter versetzt die Phantasie ploͤtzlich in ihre Wohnungen,
in ihr haͤusliches Leben. Da sind Loͤffel, Gabeln, Re-
chentafeln, Wuͤrfel u. dergl. Ein paar Mumien des
Vogels Jbis, der bekanntlich von den Egyptern goͤtt-
lich verehrt wurde, weil er ihre Gefilde von dem schaͤd-
lichen Gewuͤrm befreiete. Ein Altar, (eins der sel-
tensten Stuͤcke) mit Hieroglyphen beschrieben.
Der beruͤhmte Sardonix *), Kaiser Augustus
Apotheose darstellend, ist bekanntlich der groͤßte geschnit-
tene Stein in der Welt. Germanicus steht vor dem Ti-
ber, und in den Wolken schwebt die Familie, lauter Por-
traits. Gluͤcklicher Weise haben die frommen Christen
in dieser Vorstellung den Joseph zu erkennen geglaubt,
wie er den Traum auslegt, und so ist dieses Kunstwerk
dem heiligen Zerstoͤrungseifer entgangen. Dasselbe Gluͤck
hat eine allerliebste Buͤste von gleicher Materie gehabt,
Valentinian vorstellend. Der ehrliche Heide ist lan-
ge bei christlichen Prozessionen als Heiliger herumgetra-
gen worden. Ein kostbarer Kelch, gleichfalls ein Sar-
donix, mag den frommen Kommunikanten wohl oft Heil
*) Jst seitdem gestohlen worden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/12>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.