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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

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Kleine drückt mit seinen Händchen ihre Stirn so herzhaft
weg, und auf seinem Gesichte steht so leserlich: Es bleibt
ja Nichts für mich übrig. -- Nun komme mir Einer,
und sage: Gleichviel, welchen Gegenstand die Kunst
wählt. Da hänge mir Einer einmal den heiligen Ste-
phan mit den Pfeilen im Leibe neben eine solche liebliche
Gruppe! -- Auch ein paar Schachspielerinnen
von einem ältern Maler haben mir vorzüglich gefallen.
Gewiß wird diese Gallerie bald Eine der Ersten in Frank-
reich seyn: denn jetzt, da Lucians Geschmack bekannt ist,
biethet man ihm von allen Seiten Meisterwerke zum
Kaufe an, und ich fand eine Menge dergleichen an den
Wänden umherstehen, die seiner Entscheidung harrten.

Auch mehrere schöne Antiken besitzt er, unter an-
dern einen Amor, der von Kennern sehr hoch geschätzt
wird. Er kaufte alles Dieß auf einer Auktion zu Mal-
laga
von einem englischen Schiffe, welches ein franzö-
sischer Kaper genommen hatte. Die Sachen gehörten ei-
nem Engländer, dessen Namen ich vergessen habe, und
der nachher 50000 Franken Mehr both, als Lucian gege-
ben hatte, wenn man ihm die Sachen zurückliefern wol-
le. Sogleich ließ Lucian dem Verkäufer die 50000 Fran-
ken nachzahlen, um ihn zu eutschädigen.

Beyläufig führe ich noch an, daß man nirgend in
Paris eine so gleiche und wohltemperirte Wärme in allen
Zimmern und Sälen findet, als in Lucians Palaste. Es
fällt um so mehr auf, da man gar keinen Ofen gewahr
wird, und man muß sich lange umsehen, ehe man die
kleinen offenen Mäuler bemerkt, die hier und dort, nicht
hoch über dem Fußboden angebracht sind, die Wärme
aus dem untern Stocke empfangen, und hier wieder sanft
aushauchen. Das ist einmal ein vernünftiger Luxus,

Kleine druͤckt mit seinen Haͤndchen ihre Stirn so herzhaft
weg, und auf seinem Gesichte steht so leserlich: Es bleibt
ja Nichts fuͤr mich uͤbrig. — Nun komme mir Einer,
und sage: Gleichviel, welchen Gegenstand die Kunst
waͤhlt. Da haͤnge mir Einer einmal den heiligen Ste-
phan mit den Pfeilen im Leibe neben eine solche liebliche
Gruppe! — Auch ein paar Schachspielerinnen
von einem aͤltern Maler haben mir vorzuͤglich gefallen.
Gewiß wird diese Gallerie bald Eine der Ersten in Frank-
reich seyn: denn jetzt, da Lucians Geschmack bekannt ist,
biethet man ihm von allen Seiten Meisterwerke zum
Kaufe an, und ich fand eine Menge dergleichen an den
Waͤnden umherstehen, die seiner Entscheidung harrten.

Auch mehrere schoͤne Antiken besitzt er, unter an-
dern einen Amor, der von Kennern sehr hoch geschaͤtzt
wird. Er kaufte alles Dieß auf einer Auktion zu Mal-
laga
von einem englischen Schiffe, welches ein franzoͤ-
sischer Kaper genommen hatte. Die Sachen gehoͤrten ei-
nem Englaͤnder, dessen Namen ich vergessen habe, und
der nachher 50000 Franken Mehr both, als Lucian gege-
ben hatte, wenn man ihm die Sachen zuruͤckliefern wol-
le. Sogleich ließ Lucian dem Verkaͤufer die 50000 Fran-
ken nachzahlen, um ihn zu eutschaͤdigen.

Beylaͤufig fuͤhre ich noch an, daß man nirgend in
Paris eine so gleiche und wohltemperirte Waͤrme in allen
Zimmern und Saͤlen findet, als in Lucians Palaste. Es
faͤllt um so mehr auf, da man gar keinen Ofen gewahr
wird, und man muß sich lange umsehen, ehe man die
kleinen offenen Maͤuler bemerkt, die hier und dort, nicht
hoch uͤber dem Fußboden angebracht sind, die Waͤrme
aus dem untern Stocke empfangen, und hier wieder sanft
aushauchen. Das ist einmal ein vernuͤnftiger Luxus,

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[112/0112] Kleine druͤckt mit seinen Haͤndchen ihre Stirn so herzhaft weg, und auf seinem Gesichte steht so leserlich: Es bleibt ja Nichts fuͤr mich uͤbrig. — Nun komme mir Einer, und sage: Gleichviel, welchen Gegenstand die Kunst waͤhlt. Da haͤnge mir Einer einmal den heiligen Ste- phan mit den Pfeilen im Leibe neben eine solche liebliche Gruppe! — Auch ein paar Schachspielerinnen von einem aͤltern Maler haben mir vorzuͤglich gefallen. Gewiß wird diese Gallerie bald Eine der Ersten in Frank- reich seyn: denn jetzt, da Lucians Geschmack bekannt ist, biethet man ihm von allen Seiten Meisterwerke zum Kaufe an, und ich fand eine Menge dergleichen an den Waͤnden umherstehen, die seiner Entscheidung harrten. Auch mehrere schoͤne Antiken besitzt er, unter an- dern einen Amor, der von Kennern sehr hoch geschaͤtzt wird. Er kaufte alles Dieß auf einer Auktion zu Mal- laga von einem englischen Schiffe, welches ein franzoͤ- sischer Kaper genommen hatte. Die Sachen gehoͤrten ei- nem Englaͤnder, dessen Namen ich vergessen habe, und der nachher 50000 Franken Mehr both, als Lucian gege- ben hatte, wenn man ihm die Sachen zuruͤckliefern wol- le. Sogleich ließ Lucian dem Verkaͤufer die 50000 Fran- ken nachzahlen, um ihn zu eutschaͤdigen. Beylaͤufig fuͤhre ich noch an, daß man nirgend in Paris eine so gleiche und wohltemperirte Waͤrme in allen Zimmern und Saͤlen findet, als in Lucians Palaste. Es faͤllt um so mehr auf, da man gar keinen Ofen gewahr wird, und man muß sich lange umsehen, ehe man die kleinen offenen Maͤuler bemerkt, die hier und dort, nicht hoch uͤber dem Fußboden angebracht sind, die Waͤrme aus dem untern Stocke empfangen, und hier wieder sanft aushauchen. Das ist einmal ein vernuͤnftiger Luxus,

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/112>, abgerufen am 05.05.2024.