folglich Aller Augen sogleich auf ihn gerichtet werden. -- Der Konsul, der gewöhnlich am Kamin steht, geht dem Kommenden, nach Beschaffenheit seines Ranges, seiner Verdienste u. s. w. viele oder wenige Schritte, oder auch gar nicht entgegen, erwiedert dessen Verbeugung sehr höf- lich und anständig, spricht oder spricht auch nicht, wor- auf sich der zuletzt Gekommene zu dem übrigen meist sehr großen Zirkel gesellt. Cambaceres hat zwei schwarz- gekleidete Hof-Kavaliere, welche die Honneurs bei ihm machen, und besonders sogleich bei der Hand sind, wenn eine Dame hereintritt; sie gehen ihr entgegen, fassen ihre Fingerspitzen, führen sie vor den Konsul, dem sie einen Knix macht, und dann von dem Kavalier bis zu einem Stuhle geleitet wird. Auch die Männer werden von die- sen Herren empfangen, und ihnen gewöhnlich gesagt: approchez- Vous de feu, Monsieur, welches überhaupt die Pariser Winterformel ist, um ein Gespräch ein- zuleiten. Oft wird denn auch das Feuer des Gesprächs durch das Kaminfeuer ersetzt. Einer jener Kammerherren ohne Schlüssel ist jetzt Aigrefeuille, ein Mann, der durch den ihm decidirten Almanach der Leckermäuler sehr berühmt geworden ist. Man sagt, er habe diese Auszeichnung vollkommen verdient, obgleich er sie beschei- den von sich ablehnte, und ich bekenne, daß, wenn die Küche des ersten Konsuls unter seiner Direktion steht, ich selbst in Versuchung gerathe, eine Küchen-Hymne auf ihn zu dichten; denn unter 70 oder 80 Schüsseln, von deren Hälfte ich wenigstens zu kosten alle meine Kräfte aufgeboten habe, war auch nicht eine die Lucullus oder Apicius verschmäht haben würden. (Ueberhaupt ist ohne alle Widerrede die Französische Küche jetzt die erste in der Welt.) Der Konsul legt selbst von vielen Speisen vor,
folglich Aller Augen sogleich auf ihn gerichtet werden. — Der Konsul, der gewoͤhnlich am Kamin steht, geht dem Kommenden, nach Beschaffenheit seines Ranges, seiner Verdienste u. s. w. viele oder wenige Schritte, oder auch gar nicht entgegen, erwiedert dessen Verbeugung sehr hoͤf- lich und anstaͤndig, spricht oder spricht auch nicht, wor- auf sich der zuletzt Gekommene zu dem uͤbrigen meist sehr großen Zirkel gesellt. Cambaceres hat zwei schwarz- gekleidete Hof-Kavaliere, welche die Honneurs bei ihm machen, und besonders sogleich bei der Hand sind, wenn eine Dame hereintritt; sie gehen ihr entgegen, fassen ihre Fingerspitzen, fuͤhren sie vor den Konsul, dem sie einen Knix macht, und dann von dem Kavalier bis zu einem Stuhle geleitet wird. Auch die Maͤnner werden von die- sen Herren empfangen, und ihnen gewoͤhnlich gesagt: approchez- Vous de feu, Monsieur, welches uͤberhaupt die Pariser Winterformel ist, um ein Gespraͤch ein- zuleiten. Oft wird denn auch das Feuer des Gespraͤchs durch das Kaminfeuer ersetzt. Einer jener Kammerherren ohne Schluͤssel ist jetzt Aigrefeuille, ein Mann, der durch den ihm decidirten Almanach der Leckermaͤuler sehr beruͤhmt geworden ist. Man sagt, er habe diese Auszeichnung vollkommen verdient, obgleich er sie beschei- den von sich ablehnte, und ich bekenne, daß, wenn die Kuͤche des ersten Konsuls unter seiner Direktion steht, ich selbst in Versuchung gerathe, eine Kuͤchen-Hymne auf ihn zu dichten; denn unter 70 oder 80 Schuͤsseln, von deren Haͤlfte ich wenigstens zu kosten alle meine Kraͤfte aufgeboten habe, war auch nicht eine die Lucullus oder Apicius verschmaͤht haben wuͤrden. (Ueberhaupt ist ohne alle Widerrede die Franzoͤsische Kuͤche jetzt die erste in der Welt.) Der Konsul legt selbst von vielen Speisen vor,
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folglich Aller Augen sogleich auf ihn gerichtet werden. —
Der Konsul, der gewoͤhnlich am Kamin steht, geht dem
Kommenden, nach Beschaffenheit seines Ranges, seiner
Verdienste u. s. w. viele oder wenige Schritte, oder auch
gar nicht entgegen, erwiedert dessen Verbeugung sehr hoͤf-
lich und anstaͤndig, spricht oder spricht auch nicht, wor-
auf sich der zuletzt Gekommene zu dem uͤbrigen meist sehr
großen Zirkel gesellt. Cambaceres hat zwei schwarz-
gekleidete Hof-Kavaliere, welche die Honneurs bei ihm
machen, und besonders sogleich bei der Hand sind, wenn
eine Dame hereintritt; sie gehen ihr entgegen, fassen ihre
Fingerspitzen, fuͤhren sie vor den Konsul, dem sie einen
Knix macht, und dann von dem Kavalier bis zu einem
Stuhle geleitet wird. Auch die Maͤnner werden von die-
sen Herren empfangen, und ihnen gewoͤhnlich gesagt:
approchez- Vous de feu, Monsieur, welches uͤberhaupt
die Pariser Winterformel ist, um ein Gespraͤch ein-
zuleiten. Oft wird denn auch das Feuer des Gespraͤchs
durch das Kaminfeuer ersetzt. Einer jener Kammerherren
ohne Schluͤssel ist jetzt Aigrefeuille, ein Mann, der durch
den ihm decidirten Almanach der Leckermaͤuler
sehr beruͤhmt geworden ist. Man sagt, er habe diese
Auszeichnung vollkommen verdient, obgleich er sie beschei-
den von sich ablehnte, und ich bekenne, daß, wenn die
Kuͤche des ersten Konsuls unter seiner Direktion steht, ich
selbst in Versuchung gerathe, eine Kuͤchen-Hymne auf
ihn zu dichten; denn unter 70 oder 80 Schuͤsseln, von
deren Haͤlfte ich wenigstens zu kosten alle meine Kraͤfte
aufgeboten habe, war auch nicht eine die Lucullus oder
Apicius verschmaͤht haben wuͤrden. (Ueberhaupt ist ohne
alle Widerrede die Franzoͤsische Kuͤche jetzt die erste in der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/96>, abgerufen am 16.02.2025.
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