Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.machte das arme bärtige Kind verlegen. "Jch bin schon Diese kleine wandelnde Bude, mit der großen Man- machte das arme baͤrtige Kind verlegen. „Jch bin schon Diese kleine wandelnde Bude, mit der großen Man- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0067" n="63"/> machte das arme baͤrtige Kind verlegen. „Jch bin schon<lb/> als ein Kind von drei Jahren nach Frankreich gebracht wor-<lb/> den,“ antwortete sie mir mit dem gewoͤhnlichen Pariser<lb/> Accent. — Hinweg von diesem Gegenstande, wo der<lb/> Muthwille der Natur an der Schoͤnheit des Weibes gefre-<lb/> velt hat. Wandeln wir lieber ein wenig auf und ab, um<lb/> einen fluͤchtigen Blick auf die mancherlei kaͤuflichen Dinge<lb/> zu werfen. Da werden wir oft die sonderbarsten Kontra-<lb/> ste neben einander finden. Hier bietet man Jhnen Koͤrbe<lb/> voll junger Hunde von allerlei Gattung, dort das Por-<lb/> trait des Herrn Jesus Christus, welches in nichts weiter<lb/> besteht, als in einem Blatt Papier, auf welchem die be-<lb/> kannte untergeschobene Stelle aus dem Josephus abgedruckt<lb/> worden, die eine Beschreibung von Christus Gestalt ent-<lb/> haͤlt.</p><lb/> <p>Diese kleine wandelnde Bude, mit der großen Man-<lb/> nigfaltigkeit von Waaren, verkauft alles Stuͤck vor Stuͤck<lb/> fuͤr 18 Sous, jene fuͤr 25. Sie finden wirklich Dinge<lb/> darunter, von denen man nicht begreift, wie sie um einen<lb/> so geringen Preis losgeschlagen werden koͤnnen. — Dane-<lb/> ben liegt auf einem ausgebreiteten Tuche, ein großer Berg<lb/> von Broschuͤren aller Art. „Kaufen Sie, meine Herren!<lb/> „schreit der Eigenthuͤmer, Sie haben das Aussuchen! Stuͤck<lb/> „vor Stuͤck 6 Sous.“ — Ein anderer Brodneider sucht<lb/> ihm den Handel zu verderben, und bietet seinen aͤhnlichen<lb/> Haufen stuͤckweise fuͤr 4 Sous. Freilich sind es meistens<lb/> nur kraftlose Romane, aber ich habe oft auch gute Sachen<lb/> darunter gefunden, z. B. einzelne Theile von Briefen der<lb/> Madame de Sevigné u. s. w. Jch fand sie auf den zwei-<lb/> ten oder dritten Griff. Wenn man sich Zeit naͤhme und<lb/> die Muͤhe gaͤbe, den ganzen Haufen zu durchwuͤhlen, so<lb/> wuͤrde man gewiß fuͤr wenige Livres eine artige Sammlung<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [63/0067]
machte das arme baͤrtige Kind verlegen. „Jch bin schon
als ein Kind von drei Jahren nach Frankreich gebracht wor-
den,“ antwortete sie mir mit dem gewoͤhnlichen Pariser
Accent. — Hinweg von diesem Gegenstande, wo der
Muthwille der Natur an der Schoͤnheit des Weibes gefre-
velt hat. Wandeln wir lieber ein wenig auf und ab, um
einen fluͤchtigen Blick auf die mancherlei kaͤuflichen Dinge
zu werfen. Da werden wir oft die sonderbarsten Kontra-
ste neben einander finden. Hier bietet man Jhnen Koͤrbe
voll junger Hunde von allerlei Gattung, dort das Por-
trait des Herrn Jesus Christus, welches in nichts weiter
besteht, als in einem Blatt Papier, auf welchem die be-
kannte untergeschobene Stelle aus dem Josephus abgedruckt
worden, die eine Beschreibung von Christus Gestalt ent-
haͤlt.
Diese kleine wandelnde Bude, mit der großen Man-
nigfaltigkeit von Waaren, verkauft alles Stuͤck vor Stuͤck
fuͤr 18 Sous, jene fuͤr 25. Sie finden wirklich Dinge
darunter, von denen man nicht begreift, wie sie um einen
so geringen Preis losgeschlagen werden koͤnnen. — Dane-
ben liegt auf einem ausgebreiteten Tuche, ein großer Berg
von Broschuͤren aller Art. „Kaufen Sie, meine Herren!
„schreit der Eigenthuͤmer, Sie haben das Aussuchen! Stuͤck
„vor Stuͤck 6 Sous.“ — Ein anderer Brodneider sucht
ihm den Handel zu verderben, und bietet seinen aͤhnlichen
Haufen stuͤckweise fuͤr 4 Sous. Freilich sind es meistens
nur kraftlose Romane, aber ich habe oft auch gute Sachen
darunter gefunden, z. B. einzelne Theile von Briefen der
Madame de Sevigné u. s. w. Jch fand sie auf den zwei-
ten oder dritten Griff. Wenn man sich Zeit naͤhme und
die Muͤhe gaͤbe, den ganzen Haufen zu durchwuͤhlen, so
wuͤrde man gewiß fuͤr wenige Livres eine artige Sammlung
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