Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

gesteckt, und nun giebt man einer jeden eine kleine Kugel
von Korkholz, in welcher ein kleiner Strohhalm befestigt
ist. Sobald diese Kugel ihre Füße berührt, fassen sie die-
selbe, um sich daran zu halten; bei dieser Berührung wird
die Kugel immer hin und her gedreht, und folglich der
Strohhalm gegen den Feind hin bewegt. Da nun dieser
von seiner Seite das nemliche thut, so gerathen die bei-
den Strohhälme oft aneinander, wie ein paar Degen,
und das ist denn das Fliegenduell. -- Gleich neben
diesem Spring- und Fechtboden ladet man uns ein, eine
kleine Reise von einigen hundert Meilen auf mechani-
schen
Pferden zu unternehmen, und verspricht, daß man
diese große, große Distanz in einer unglaublich kurzen Zeit
zurücklegen solle. -- Wohl! wir lächeln spöttisch, aber
wir gehen doch hinein. Kaum hat der schmutzige Vor-
hang sich gehoben, so überzeugt uns freilich der erste Blick,
daß wir nichts weiter vor uns sehen, als eine Art von
Carussel, welches sich bloß dadurch unterscheidet, daß Nie-
mand zum Drehen nöthig ist, sondern daß der Reuter,
indem er den Zügel straff anzieht, auch das Rad in der
Mitte in Bewegung setzt, und sich folglich selbst mit gro-
ßer Geschwindigkeit dreht. Der Spaß hat uns vier Sous
gekostet. Damit Sie aber nicht wieder einige Sous um-
sonst ausgeben, so warne ich Sie vor dem Kahlkopf, der
dort einen großen Tubus von Pappe aufgestellt, gegen
den Himmel gerichtet hat, und Jedermann höflich ersucht,
hinauf zu schauen. Dabei macht er ein großes, dem Pö-
bel sehr gelehrt dünkendes Gewäsch von den verschiedenen
Dünsten und ihren Eigenschaften, und versichert, die Glä-
ser in seinem Tubus seyen so künstlich geschliffen, daß die
Dünste sich vor demselben zu verschiedenen sonderbaren Ge-
stalten koncentrirten. Nicht bei jeder Witterung, setzt er

gesteckt, und nun giebt man einer jeden eine kleine Kugel
von Korkholz, in welcher ein kleiner Strohhalm befestigt
ist. Sobald diese Kugel ihre Fuͤße beruͤhrt, fassen sie die-
selbe, um sich daran zu halten; bei dieser Beruͤhrung wird
die Kugel immer hin und her gedreht, und folglich der
Strohhalm gegen den Feind hin bewegt. Da nun dieser
von seiner Seite das nemliche thut, so gerathen die bei-
den Strohhaͤlme oft aneinander, wie ein paar Degen,
und das ist denn das Fliegenduell. — Gleich neben
diesem Spring- und Fechtboden ladet man uns ein, eine
kleine Reise von einigen hundert Meilen auf mechani-
schen
Pferden zu unternehmen, und verspricht, daß man
diese große, große Distanz in einer unglaublich kurzen Zeit
zuruͤcklegen solle. — Wohl! wir laͤcheln spoͤttisch, aber
wir gehen doch hinein. Kaum hat der schmutzige Vor-
hang sich gehoben, so uͤberzeugt uns freilich der erste Blick,
daß wir nichts weiter vor uns sehen, als eine Art von
Carussel, welches sich bloß dadurch unterscheidet, daß Nie-
mand zum Drehen noͤthig ist, sondern daß der Reuter,
indem er den Zuͤgel straff anzieht, auch das Rad in der
Mitte in Bewegung setzt, und sich folglich selbst mit gro-
ßer Geschwindigkeit dreht. Der Spaß hat uns vier Sous
gekostet. Damit Sie aber nicht wieder einige Sous um-
sonst ausgeben, so warne ich Sie vor dem Kahlkopf, der
dort einen großen Tubus von Pappe aufgestellt, gegen
den Himmel gerichtet hat, und Jedermann hoͤflich ersucht,
hinauf zu schauen. Dabei macht er ein großes, dem Poͤ-
bel sehr gelehrt duͤnkendes Gewaͤsch von den verschiedenen
Duͤnsten und ihren Eigenschaften, und versichert, die Glaͤ-
ser in seinem Tubus seyen so kuͤnstlich geschliffen, daß die
Duͤnste sich vor demselben zu verschiedenen sonderbaren Ge-
stalten koncentrirten. Nicht bei jeder Witterung, setzt er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0060" n="56"/>
gesteckt, und nun giebt man einer jeden eine kleine Kugel<lb/>
von Korkholz, in welcher ein kleiner Strohhalm befestigt<lb/>
ist. Sobald diese Kugel ihre Fu&#x0364;ße beru&#x0364;hrt, fassen sie die-<lb/>
selbe, um sich daran zu halten; bei dieser Beru&#x0364;hrung wird<lb/>
die Kugel immer hin und her gedreht, und folglich der<lb/>
Strohhalm gegen den Feind hin bewegt. Da nun dieser<lb/>
von seiner Seite das nemliche thut, so gerathen die bei-<lb/>
den Strohha&#x0364;lme oft aneinander, wie ein paar Degen,<lb/>
und das ist denn das <hi rendition="#g">Fliegenduell.</hi> &#x2014; Gleich neben<lb/>
diesem Spring- und Fechtboden ladet man uns ein, eine<lb/>
kleine Reise von einigen hundert Meilen auf <hi rendition="#g">mechani-<lb/>
schen</hi> Pferden zu unternehmen, und verspricht, daß man<lb/>
diese große, große Distanz in einer unglaublich kurzen Zeit<lb/>
zuru&#x0364;cklegen solle. &#x2014; Wohl! wir la&#x0364;cheln spo&#x0364;ttisch, aber<lb/>
wir gehen doch hinein. Kaum hat der schmutzige Vor-<lb/>
hang sich gehoben, so u&#x0364;berzeugt uns freilich der erste Blick,<lb/>
daß wir nichts weiter vor uns sehen, als eine Art von<lb/>
Carussel, welches sich bloß dadurch unterscheidet, daß Nie-<lb/>
mand zum Drehen no&#x0364;thig ist, sondern daß der Reuter,<lb/>
indem er den Zu&#x0364;gel straff anzieht, auch das Rad in der<lb/>
Mitte in Bewegung setzt, und sich folglich selbst mit gro-<lb/>
ßer Geschwindigkeit dreht. Der Spaß hat uns vier Sous<lb/>
gekostet. Damit Sie aber nicht wieder einige Sous um-<lb/>
sonst ausgeben, so warne ich Sie vor dem Kahlkopf, der<lb/>
dort einen großen Tubus von Pappe aufgestellt, gegen<lb/>
den Himmel gerichtet hat, und Jedermann ho&#x0364;flich ersucht,<lb/>
hinauf zu schauen. Dabei macht er ein großes, dem Po&#x0364;-<lb/>
bel sehr gelehrt du&#x0364;nkendes Gewa&#x0364;sch von den verschiedenen<lb/>
Du&#x0364;nsten und ihren Eigenschaften, und versichert, die Gla&#x0364;-<lb/>
ser in seinem Tubus seyen so ku&#x0364;nstlich geschliffen, daß die<lb/>
Du&#x0364;nste sich vor demselben zu verschiedenen sonderbaren Ge-<lb/>
stalten koncentrirten. Nicht bei jeder Witterung, setzt er<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0060] gesteckt, und nun giebt man einer jeden eine kleine Kugel von Korkholz, in welcher ein kleiner Strohhalm befestigt ist. Sobald diese Kugel ihre Fuͤße beruͤhrt, fassen sie die- selbe, um sich daran zu halten; bei dieser Beruͤhrung wird die Kugel immer hin und her gedreht, und folglich der Strohhalm gegen den Feind hin bewegt. Da nun dieser von seiner Seite das nemliche thut, so gerathen die bei- den Strohhaͤlme oft aneinander, wie ein paar Degen, und das ist denn das Fliegenduell. — Gleich neben diesem Spring- und Fechtboden ladet man uns ein, eine kleine Reise von einigen hundert Meilen auf mechani- schen Pferden zu unternehmen, und verspricht, daß man diese große, große Distanz in einer unglaublich kurzen Zeit zuruͤcklegen solle. — Wohl! wir laͤcheln spoͤttisch, aber wir gehen doch hinein. Kaum hat der schmutzige Vor- hang sich gehoben, so uͤberzeugt uns freilich der erste Blick, daß wir nichts weiter vor uns sehen, als eine Art von Carussel, welches sich bloß dadurch unterscheidet, daß Nie- mand zum Drehen noͤthig ist, sondern daß der Reuter, indem er den Zuͤgel straff anzieht, auch das Rad in der Mitte in Bewegung setzt, und sich folglich selbst mit gro- ßer Geschwindigkeit dreht. Der Spaß hat uns vier Sous gekostet. Damit Sie aber nicht wieder einige Sous um- sonst ausgeben, so warne ich Sie vor dem Kahlkopf, der dort einen großen Tubus von Pappe aufgestellt, gegen den Himmel gerichtet hat, und Jedermann hoͤflich ersucht, hinauf zu schauen. Dabei macht er ein großes, dem Poͤ- bel sehr gelehrt duͤnkendes Gewaͤsch von den verschiedenen Duͤnsten und ihren Eigenschaften, und versichert, die Glaͤ- ser in seinem Tubus seyen so kuͤnstlich geschliffen, daß die Duͤnste sich vor demselben zu verschiedenen sonderbaren Ge- stalten koncentrirten. Nicht bei jeder Witterung, setzt er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/60
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/60>, abgerufen am 17.05.2024.