nur: alsobald erscheint eine artige Winzerin, und hält Jhnen einen Korb voll auserlesener Trauben hin. Pre- nez tant que vous voudrez, sagt Jhnen der Herr des Weinberges, vous ne payerez rien. -- Hinter Cerdon wird die Gegend flacher und lieblicher, doch behält sie auch hier noch etwas Majestätisches durch die Kette von Schneegebirgen, die man links in weiter Entfernung gleich lichten Wolken erblickt. -- Schade, daß diese herrliche Straße so oft von Dörfern und kleinen Städten unterbro- chen wird, oder vielmehr, daß man durch diese hindurch fahren muß; denn etwas Schmutzigeres, als jene Woh- nungen, sah ich kaum in Polen.
Lyon.
Jch möchte diese große Stadt eine einzige ungeheure Bude nennen; denn ich habe fast kein Haus gesehen, in dem nicht irgend etwas zum Verkauf ausgestellt wäre: die in der Revolution zerstörten Häuser ausgenommen, de- ren, leider, sehr viele sind. -- Die Ruinen einer römi- schen Wasserleitung sind prächtig, und erregen ein ange- nehmes Staunen. Das alte römische Bad ist unbedeu- tend, und nur durch den Weinberg merkwürdig, der es jetzt bedeckt. Sehr wohl erhalten ist es freilich, Dank sei- nem treflichen Cement, von dem unser Führer mir er- zählte, daß selbst die Alles zerstörenden Jakobiner verge- bens versucht hätten, mit ihren Säbeln etwas abzukratzen. Er zeigte mir die Spuren, welche diese Vandalen hinter- lassen hatten. -- Jn einer Kirche stehen vier kostbare Säulen, die, glaube ich, einst einen Altar Kaiser Augusts stützten; aber -- noch immer scheint der Vandalismus sich zu regen; -- denn ich fand so eben Arbeiter beschäftigt, mit ganz unsäglicher Mühe Löcher in diese harten Säu-
nur: alsobald erscheint eine artige Winzerin, und haͤlt Jhnen einen Korb voll auserlesener Trauben hin. Pre- nez tant que vous voudrez, sagt Jhnen der Herr des Weinberges, vous ne payerez rien. — Hinter Cerdon wird die Gegend flacher und lieblicher, doch behaͤlt sie auch hier noch etwas Majestaͤtisches durch die Kette von Schneegebirgen, die man links in weiter Entfernung gleich lichten Wolken erblickt. — Schade, daß diese herrliche Straße so oft von Doͤrfern und kleinen Staͤdten unterbro- chen wird, oder vielmehr, daß man durch diese hindurch fahren muß; denn etwas Schmutzigeres, als jene Woh- nungen, sah ich kaum in Polen.
Lyon.
Jch moͤchte diese große Stadt eine einzige ungeheure Bude nennen; denn ich habe fast kein Haus gesehen, in dem nicht irgend etwas zum Verkauf ausgestellt waͤre: die in der Revolution zerstoͤrten Haͤuser ausgenommen, de- ren, leider, sehr viele sind. — Die Ruinen einer roͤmi- schen Wasserleitung sind praͤchtig, und erregen ein ange- nehmes Staunen. Das alte roͤmische Bad ist unbedeu- tend, und nur durch den Weinberg merkwuͤrdig, der es jetzt bedeckt. Sehr wohl erhalten ist es freilich, Dank sei- nem treflichen Cement, von dem unser Fuͤhrer mir er- zaͤhlte, daß selbst die Alles zerstoͤrenden Jakobiner verge- bens versucht haͤtten, mit ihren Saͤbeln etwas abzukratzen. Er zeigte mir die Spuren, welche diese Vandalen hinter- lassen hatten. — Jn einer Kirche stehen vier kostbare Saͤulen, die, glaube ich, einst einen Altar Kaiser Augusts stuͤtzten; aber — noch immer scheint der Vandalismus sich zu regen; — denn ich fand so eben Arbeiter beschaͤftigt, mit ganz unsaͤglicher Muͤhe Loͤcher in diese harten Saͤu-
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nur: alsobald erscheint eine artige Winzerin, und haͤlt
Jhnen einen Korb voll auserlesener Trauben hin. Pre-
nez tant que vous voudrez, sagt Jhnen der Herr des
Weinberges, vous ne payerez rien. — Hinter Cerdon
wird die Gegend flacher und lieblicher, doch behaͤlt sie
auch hier noch etwas Majestaͤtisches durch die Kette von
Schneegebirgen, die man links in weiter Entfernung gleich
lichten Wolken erblickt. — Schade, daß diese herrliche
Straße so oft von Doͤrfern und kleinen Staͤdten unterbro-
chen wird, oder vielmehr, daß man durch diese hindurch
fahren muß; denn etwas Schmutzigeres, als jene Woh-
nungen, sah ich kaum in Polen.
Lyon.
Jch moͤchte diese große Stadt eine einzige ungeheure
Bude nennen; denn ich habe fast kein Haus gesehen,
in dem nicht irgend etwas zum Verkauf ausgestellt waͤre:
die in der Revolution zerstoͤrten Haͤuser ausgenommen, de-
ren, leider, sehr viele sind. — Die Ruinen einer roͤmi-
schen Wasserleitung sind praͤchtig, und erregen ein ange-
nehmes Staunen. Das alte roͤmische Bad ist unbedeu-
tend, und nur durch den Weinberg merkwuͤrdig, der es
jetzt bedeckt. Sehr wohl erhalten ist es freilich, Dank sei-
nem treflichen Cement, von dem unser Fuͤhrer mir er-
zaͤhlte, daß selbst die Alles zerstoͤrenden Jakobiner verge-
bens versucht haͤtten, mit ihren Saͤbeln etwas abzukratzen.
Er zeigte mir die Spuren, welche diese Vandalen hinter-
lassen hatten. — Jn einer Kirche stehen vier kostbare
Saͤulen, die, glaube ich, einst einen Altar Kaiser Augusts
stuͤtzten; aber — noch immer scheint der Vandalismus sich
zu regen; — denn ich fand so eben Arbeiter beschaͤftigt,
mit ganz unsaͤglicher Muͤhe Loͤcher in diese harten Saͤu-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/44>, abgerufen am 01.08.2024.
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