Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.dern ihre Anzahl scheint sich noch sehr vermehrt zu ha- dern ihre Anzahl scheint sich noch sehr vermehrt zu ha- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0196" n="192"/> dern ihre Anzahl scheint sich noch sehr vermehrt zu ha-<lb/> ben. Zwar duͤrfen sie jetzt ihre Werke der Finsterniß<lb/> nur bei Nacht treiben, und auch die leichtfertigen Be-<lb/> wohnerinnen des Palais royal haben nur, wenn es dun-<lb/> kel wird, die Erlaubniß, unter den Arcaden dieses ein-<lb/> zigen Pallastes herumzuschwaͤrmen, aber dann kommen<lb/> sie auch um so haͤufiger aus ihren Loͤchern hervor, und<lb/> tragen bei jeder Witterung ihre nackten Reize zur Schau.<lb/> Es ist unbegreiflich, wie diese arme Dirnen nur 8 Ta-<lb/> ge lang gesund bleiben koͤnnen. Sie haben durchaus<lb/> nichts anders auf dem Leibe, als ein schneeweißes, sehr<lb/> feines, dicht anliegendes Kleidchen, wahrscheinlich auch<lb/> keine Hemden darunter, denn diese muͤßten sich wenig-<lb/> stens durch eine Falte verrathen, da die Maͤdchen sehr<lb/> oft Reihenweis unter die hellerleuchteten Arcaden treten,<lb/> und mit beiden Haͤnden das feine Gewand um die Len-<lb/> den nach hinten ziehen, damit von der Form gar nichts<lb/> verlohren gehe. Rechnet man noch hinzu, daß ihre Klei-<lb/> der oben bis fast auf den Nabel, unten bis uͤber die<lb/> Waden aus- und abgeschnitten sind, so begreift man<lb/> wahrlich nicht, wie sie es im <hi rendition="#g">December</hi> sechs Stun-<lb/> den lang aushalten moͤgen. — Zwar, unter den Ar-<lb/> caden haben sie doch noch einigen Schutz vor der uͤblen<lb/> Witterung, gehen und stehen auch <hi rendition="#g">trocken;</hi> aber dar-<lb/> aus scheinen sie sich nichts zu machen, sondern gern tro-<lb/> tzen sie allen Unbequemlichkeiten auf offener Straße,<lb/> wenn sie glauben, daß man da mit mehr Vortheil Netze<lb/> auswerfen koͤnne. Solch ein wildreiches Plaͤtzchen muß<lb/> wohl die Ecke der Straßen Vivienne und neuve des<lb/> petits champs seyn, denn nie bin ich Abends aus dem<lb/> Palais royal gekommen, ohne hier ein ganzes Haͤuflein<lb/> versammelt zu finden, ja einmal, als ich mir die Muͤ-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0196]
dern ihre Anzahl scheint sich noch sehr vermehrt zu ha-
ben. Zwar duͤrfen sie jetzt ihre Werke der Finsterniß
nur bei Nacht treiben, und auch die leichtfertigen Be-
wohnerinnen des Palais royal haben nur, wenn es dun-
kel wird, die Erlaubniß, unter den Arcaden dieses ein-
zigen Pallastes herumzuschwaͤrmen, aber dann kommen
sie auch um so haͤufiger aus ihren Loͤchern hervor, und
tragen bei jeder Witterung ihre nackten Reize zur Schau.
Es ist unbegreiflich, wie diese arme Dirnen nur 8 Ta-
ge lang gesund bleiben koͤnnen. Sie haben durchaus
nichts anders auf dem Leibe, als ein schneeweißes, sehr
feines, dicht anliegendes Kleidchen, wahrscheinlich auch
keine Hemden darunter, denn diese muͤßten sich wenig-
stens durch eine Falte verrathen, da die Maͤdchen sehr
oft Reihenweis unter die hellerleuchteten Arcaden treten,
und mit beiden Haͤnden das feine Gewand um die Len-
den nach hinten ziehen, damit von der Form gar nichts
verlohren gehe. Rechnet man noch hinzu, daß ihre Klei-
der oben bis fast auf den Nabel, unten bis uͤber die
Waden aus- und abgeschnitten sind, so begreift man
wahrlich nicht, wie sie es im December sechs Stun-
den lang aushalten moͤgen. — Zwar, unter den Ar-
caden haben sie doch noch einigen Schutz vor der uͤblen
Witterung, gehen und stehen auch trocken; aber dar-
aus scheinen sie sich nichts zu machen, sondern gern tro-
tzen sie allen Unbequemlichkeiten auf offener Straße,
wenn sie glauben, daß man da mit mehr Vortheil Netze
auswerfen koͤnne. Solch ein wildreiches Plaͤtzchen muß
wohl die Ecke der Straßen Vivienne und neuve des
petits champs seyn, denn nie bin ich Abends aus dem
Palais royal gekommen, ohne hier ein ganzes Haͤuflein
versammelt zu finden, ja einmal, als ich mir die Muͤ-
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