nicht mehr an die Haare gebunden, sondern an den Kra- gen des Kleides gesteckt; wenn nun der junge Herr sich zufällig einmal bückt, so entsteht eine Kluft zwischen Zopf und Haar. Eine Hauptbeschäftigung der jungen Leute beiderlei Geschlechts ist, ihre Haarbüschel im- mer wieder in die Höhe zu streichen, ungefähr wie die Katzen und Eichhörnchen sich mit der Pfote über den Kopf fahren. -- So wenig Umstände nun auch eine solche Frisur zu machen scheint, so ist und bleibt der Friseur doch eine wichtige Person im Staate. Bekannt- lich sind alle Friseurs jetzt Artisten. Vor ihren Werk- stätten prangen eine Menge schöne Wachsbüsten, Grie- chen und Römer, die männlichen gleichen gewöhnlich Bonaparte. Ein solcher Artist, wenn er zum ersten- mal erscheint, um einen Kopf zu arrangiren, betrachtet den Gegenstand von allen Seiten, bittet den Jnhaber des Kopfes gen Himmel zu sehen, dann zur Erde, dann gradeaus; er läßt ihn gehen, tanzen, sich ausschnauben u. s. w. "Monsieur," sagt er dann, "es ist genug; ich "weiß jetzt, was Sie bedürfen, eine Mischung von Ti- "tus, Caracalla und Alcibiades. Betrachten Sie "diese Büste, dies Tituslöckchen ist äußerst gütig, aber "es ist höchst wichtig es mit der rauhen Strenge "dieses Löckchens von Caracalla zu vereinigen; um je- "doch das letztere wieder aufzuheitern, fügen wir ein ko- "kettes Alcibiades-Löckchen hinzu. Mein Gott, Mon- "sieur, was waren Sie, ehe ich herein trat; ein Bar- "bar hat ihr Haar fürchterlich verstümmelt. Jhre "Farbe ist pale fonce, glückliche Häßlichkeit! das ist gra- "de die antike Couleur. Jhre Augen sind schwarz a "faire plaisir, ihre Haare schwarz, a faire horreur."
Genug. Jch schließe mit der allgemeinen Regel --
nicht mehr an die Haare gebunden, sondern an den Kra- gen des Kleides gesteckt; wenn nun der junge Herr sich zufaͤllig einmal buͤckt, so entsteht eine Kluft zwischen Zopf und Haar. Eine Hauptbeschaͤftigung der jungen Leute beiderlei Geschlechts ist, ihre Haarbuͤschel im- mer wieder in die Hoͤhe zu streichen, ungefaͤhr wie die Katzen und Eichhoͤrnchen sich mit der Pfote uͤber den Kopf fahren. — So wenig Umstaͤnde nun auch eine solche Frisur zu machen scheint, so ist und bleibt der Friseur doch eine wichtige Person im Staate. Bekannt- lich sind alle Friseurs jetzt Artisten. Vor ihren Werk- staͤtten prangen eine Menge schoͤne Wachsbuͤsten, Grie- chen und Roͤmer, die maͤnnlichen gleichen gewoͤhnlich Bonaparte. Ein solcher Artist, wenn er zum ersten- mal erscheint, um einen Kopf zu arrangiren, betrachtet den Gegenstand von allen Seiten, bittet den Jnhaber des Kopfes gen Himmel zu sehen, dann zur Erde, dann gradeaus; er laͤßt ihn gehen, tanzen, sich ausschnauben u. s. w. „Monsieur,“ sagt er dann, „es ist genug; ich „weiß jetzt, was Sie beduͤrfen, eine Mischung von Ti- „tus, Caracalla und Alcibiades. Betrachten Sie „diese Buͤste, dies Titusloͤckchen ist aͤußerst guͤtig, aber „es ist hoͤchst wichtig es mit der rauhen Strenge „dieses Loͤckchens von Caracalla zu vereinigen; um je- „doch das letztere wieder aufzuheitern, fuͤgen wir ein ko- „kettes Alcibiades-Loͤckchen hinzu. Mein Gott, Mon- „sieur, was waren Sie, ehe ich herein trat; ein Bar- „bar hat ihr Haar fuͤrchterlich verstuͤmmelt. Jhre „Farbe ist pâle fonce, gluͤckliche Haͤßlichkeit! das ist gra- „de die antike Couleur. Jhre Augen sind schwarz à „faire plaisir, ihre Haare schwarz, à faire horreur.“
Genug. Jch schließe mit der allgemeinen Regel —
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nicht mehr an die Haare gebunden, sondern an den Kra-
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zufaͤllig einmal buͤckt, so entsteht eine Kluft zwischen
Zopf und Haar. Eine Hauptbeschaͤftigung der jungen
Leute beiderlei Geschlechts ist, ihre Haarbuͤschel im-
mer wieder in die Hoͤhe zu streichen, ungefaͤhr wie die
Katzen und Eichhoͤrnchen sich mit der Pfote uͤber den
Kopf fahren. — So wenig Umstaͤnde nun auch eine
solche Frisur zu machen scheint, so ist und bleibt der
Friseur doch eine wichtige Person im Staate. Bekannt-
lich sind alle Friseurs jetzt Artisten. Vor ihren Werk-
staͤtten prangen eine Menge schoͤne Wachsbuͤsten, Grie-
chen und Roͤmer, die maͤnnlichen gleichen gewoͤhnlich
Bonaparte. Ein solcher Artist, wenn er zum ersten-
mal erscheint, um einen Kopf zu arrangiren, betrachtet
den Gegenstand von allen Seiten, bittet den Jnhaber
des Kopfes gen Himmel zu sehen, dann zur Erde, dann
gradeaus; er laͤßt ihn gehen, tanzen, sich ausschnauben
u. s. w. „Monsieur,“ sagt er dann, „es ist genug; ich
„weiß jetzt, was Sie beduͤrfen, eine Mischung von Ti-
„tus, Caracalla und Alcibiades. Betrachten Sie
„diese Buͤste, dies Titusloͤckchen ist aͤußerst guͤtig, aber
„es ist hoͤchst wichtig es mit der rauhen Strenge
„dieses Loͤckchens von Caracalla zu vereinigen; um je-
„doch das letztere wieder aufzuheitern, fuͤgen wir ein ko-
„kettes Alcibiades-Loͤckchen hinzu. Mein Gott, Mon-
„sieur, was waren Sie, ehe ich herein trat; ein Bar-
„bar hat ihr Haar fuͤrchterlich verstuͤmmelt. Jhre
„Farbe ist pâle fonce, gluͤckliche Haͤßlichkeit! das ist gra-
„de die antike Couleur. Jhre Augen sind schwarz à
„faire plaisir, ihre Haare schwarz, à faire horreur.“
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/191>, abgerufen am 16.02.2025.
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