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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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Um dem Leser einen vollständigen Begriff zu geben,
wie gut und reichlich er bei den besten Restaurateurs
speisen könne, will ich den Jnhalt einer solchen Spei-
seliste nur summarisch anführen. Jch entlehne ihn von
Very, einem Restaurateur im Palais royal, der, seit-
dem Naudet sich daselbst etablirt hat, nicht einmal mehr
für den ersten gilt. Man hat erstens die Wahl zwischen
neunerlei Suppen, welcher sieben Gattungen
von Pasteten folgen. Wer kein Liebhaber von Pa-
steten ist, kann statt derselben Austern fordern, zu
10 Sous das Dutzend, denn immer stehen im Vorsaa-
le Weiber, die nichts anders thun, als Austern aufma-
chen. Der hors d'oeuvres (kleine kalte Schüsseln) sind
fünf und zwanzig, worunter die berühmten
Schweinefüße von St. Menehoud, allerlei marinirte
Seefische, Krautsallat, Würste, Schinken,
u. dgl. Noch gehört zur Grundlage der Mahlzeit, an wel-
che viele sich gewöhnt haben, das Rindfleisch, auf
vierzehnerlei Weise zubereitet, auch Rostbeef
und Beefsteeks. Wenn nun durch alles Obige in
dem Magen des Gastes ein solider Grund gelegt wor-
den, so bietet ihm die Liste ein und dreißig Entrees
von wildem und zahmen Geflügel, und acht und
zwanzig
dergleichen von Kalb- und Hammel-
fleisch
dar. Die Wahl ist schwer, zumal da man die
wunderlichen Kunstwörter sich oft nicht übersetzen kann.
Wer weiß denn z. B. gleich was eine mayonnaise de
poulet, eine galantine de Volaille, ein cotelette a la
minute, oder gar ein Epigramme d'Agneau, für Din-
ger sind. Oft läßt man sich auch, durch den wohlklin-
genden Namen getäuscht, so etwas bringen, was nach-
her den erwartenden Gaumen nicht befriedigt. -- Nie

Um dem Leser einen vollstaͤndigen Begriff zu geben,
wie gut und reichlich er bei den besten Restaurateurs
speisen koͤnne, will ich den Jnhalt einer solchen Spei-
seliste nur summarisch anfuͤhren. Jch entlehne ihn von
Very, einem Restaurateur im Palais royal, der, seit-
dem Naudet sich daselbst etablirt hat, nicht einmal mehr
fuͤr den ersten gilt. Man hat erstens die Wahl zwischen
neunerlei Suppen, welcher sieben Gattungen
von Pasteten folgen. Wer kein Liebhaber von Pa-
steten ist, kann statt derselben Austern fordern, zu
10 Sous das Dutzend, denn immer stehen im Vorsaa-
le Weiber, die nichts anders thun, als Austern aufma-
chen. Der hors d'oeuvres (kleine kalte Schuͤsseln) sind
fuͤnf und zwanzig, worunter die beruͤhmten
Schweinefuͤße von St. Menehoud, allerlei marinirte
Seefische, Krautsallat, Wuͤrste, Schinken,
u. dgl. Noch gehoͤrt zur Grundlage der Mahlzeit, an wel-
che viele sich gewoͤhnt haben, das Rindfleisch, auf
vierzehnerlei Weise zubereitet, auch Rostbeef
und Beefsteeks. Wenn nun durch alles Obige in
dem Magen des Gastes ein solider Grund gelegt wor-
den, so bietet ihm die Liste ein und dreißig Entrées
von wildem und zahmen Gefluͤgel, und acht und
zwanzig
dergleichen von Kalb- und Hammel-
fleisch
dar. Die Wahl ist schwer, zumal da man die
wunderlichen Kunstwoͤrter sich oft nicht uͤbersetzen kann.
Wer weiß denn z. B. gleich was eine mayonnaise de
poulet, eine galantine de Volaille, ein cotelette à la
minute, oder gar ein Epigramme d'Agneau, fuͤr Din-
ger sind. Oft laͤßt man sich auch, durch den wohlklin-
genden Namen getaͤuscht, so etwas bringen, was nach-
her den erwartenden Gaumen nicht befriedigt. — Nie

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[173/0177] Um dem Leser einen vollstaͤndigen Begriff zu geben, wie gut und reichlich er bei den besten Restaurateurs speisen koͤnne, will ich den Jnhalt einer solchen Spei- seliste nur summarisch anfuͤhren. Jch entlehne ihn von Very, einem Restaurateur im Palais royal, der, seit- dem Naudet sich daselbst etablirt hat, nicht einmal mehr fuͤr den ersten gilt. Man hat erstens die Wahl zwischen neunerlei Suppen, welcher sieben Gattungen von Pasteten folgen. Wer kein Liebhaber von Pa- steten ist, kann statt derselben Austern fordern, zu 10 Sous das Dutzend, denn immer stehen im Vorsaa- le Weiber, die nichts anders thun, als Austern aufma- chen. Der hors d'oeuvres (kleine kalte Schuͤsseln) sind fuͤnf und zwanzig, worunter die beruͤhmten Schweinefuͤße von St. Menehoud, allerlei marinirte Seefische, Krautsallat, Wuͤrste, Schinken, u. dgl. Noch gehoͤrt zur Grundlage der Mahlzeit, an wel- che viele sich gewoͤhnt haben, das Rindfleisch, auf vierzehnerlei Weise zubereitet, auch Rostbeef und Beefsteeks. Wenn nun durch alles Obige in dem Magen des Gastes ein solider Grund gelegt wor- den, so bietet ihm die Liste ein und dreißig Entrées von wildem und zahmen Gefluͤgel, und acht und zwanzig dergleichen von Kalb- und Hammel- fleisch dar. Die Wahl ist schwer, zumal da man die wunderlichen Kunstwoͤrter sich oft nicht uͤbersetzen kann. Wer weiß denn z. B. gleich was eine mayonnaise de poulet, eine galantine de Volaille, ein cotelette à la minute, oder gar ein Epigramme d'Agneau, fuͤr Din- ger sind. Oft laͤßt man sich auch, durch den wohlklin- genden Namen getaͤuscht, so etwas bringen, was nach- her den erwartenden Gaumen nicht befriedigt. — Nie

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/177>, abgerufen am 17.05.2024.