Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802.Sind dir nicht nah und fern die Guten hold und freund? Schmäht dich der Pöbel nicht? Sind Schurken dir nicht feind? Und schliesst nicht manches Herz, das nirgends halten kann, Sich liebend an dich an? Ermanne dich, mein Geist! Entraffe dich der Nacht, Die bleyern auf dir drückt. Der Schwermuth Trauertracht Lass jenem, dem der Born der Hoffnung gar ver- rann -- Du aber, sey ein Mann! Nicht würdig deines Grams ist diese Spanne Zeit. Nicht deines Schmachtens werth ist die Vergäng- lichkeit! Wen Erdenlust entzückt, wen Erdengram verzehrt, Ist Hohngelächter werth! Im Strom der Jahre schmilzt des Busens hoher Schnee; Zu gelbem Krokos welkt des Halses Lilie; Der Lippen Rosenkelch wird ein verschrumpftes Blatt; Des Auges Blitz wird matt. Sind dir nicht nah und fern die Guten hold und freund? Schmäht dich der Pöbel nicht? Sind Schurken dir nicht feind? Und schlieſst nicht manches Herz, das nirgends halten kann, Sich liebend an dich an? Ermanne dich, mein Geist! Entraffe dich der Nacht, Die bleyern auf dir drückt. Der Schwermuth Trauertracht Laſs jenem, dem der Born der Hoffnung gar ver- rann — Du aber, sey ein Mann! Nicht würdig deines Grams ist diese Spanne Zeit. Nicht deines Schmachtens werth ist die Vergäng- lichkeit! Wen Erdenlust entzückt, wen Erdengram verzehrt, Ist Hohngelächter werth! Im Strom der Jahre schmilzt des Busens hoher Schnee; Zu gelbem Krokos welkt des Halses Lilie; Der Lippen Rosenkelch wird ein verschrumpftes Blatt; Des Auges Blitz wird matt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0312" n="286"/> <lg n="7"> <l>Sind dir nicht nah und fern die Guten hold</l><lb/> <l>und freund?</l><lb/> <l>Schmäht dich der Pöbel nicht? Sind Schurken dir</l><lb/> <l>nicht feind?</l><lb/> <l>Und schlieſst nicht manches Herz, das nirgends</l><lb/> <l>halten kann,</l><lb/> <l>Sich liebend an dich an?</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Ermanne dich, mein Geist! Entraffe dich der</l><lb/> <l>Nacht,</l><lb/> <l>Die bleyern auf dir drückt. Der Schwermuth</l><lb/> <l>Trauertracht</l><lb/> <l>Laſs jenem, dem der Born der Hoffnung gar ver-<lb/> rann —</l><lb/> <l>Du aber, sey ein Mann!</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Nicht würdig deines Grams ist diese Spanne Zeit.</l><lb/> <l>Nicht deines Schmachtens werth ist die Vergäng-<lb/> lichkeit!</l><lb/> <l>Wen Erdenlust entzückt, wen Erdengram verzehrt,</l><lb/> <l>Ist Hohngelächter werth!</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Im Strom der Jahre schmilzt des Busens hoher</l><lb/> <l>Schnee;</l><lb/> <l>Zu gelbem Krokos welkt des Halses Lilie;</l><lb/> <l>Der Lippen Rosenkelch wird ein verschrumpftes</l><lb/> <l>Blatt;</l><lb/> <l>Des Auges Blitz wird matt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [286/0312]
Sind dir nicht nah und fern die Guten hold
und freund?
Schmäht dich der Pöbel nicht? Sind Schurken dir
nicht feind?
Und schlieſst nicht manches Herz, das nirgends
halten kann,
Sich liebend an dich an?
Ermanne dich, mein Geist! Entraffe dich der
Nacht,
Die bleyern auf dir drückt. Der Schwermuth
Trauertracht
Laſs jenem, dem der Born der Hoffnung gar ver-
rann —
Du aber, sey ein Mann!
Nicht würdig deines Grams ist diese Spanne Zeit.
Nicht deines Schmachtens werth ist die Vergäng-
lichkeit!
Wen Erdenlust entzückt, wen Erdengram verzehrt,
Ist Hohngelächter werth!
Im Strom der Jahre schmilzt des Busens hoher
Schnee;
Zu gelbem Krokos welkt des Halses Lilie;
Der Lippen Rosenkelch wird ein verschrumpftes
Blatt;
Des Auges Blitz wird matt.
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Zitationshilfe: | Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen03_1802/312>, abgerufen am 16.02.2025. |