Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

"Wanda! er liegt, er modert im Staube, der trotzige
Freyer!" --
Plötzlich entsprang die geweihete Jungfrau dem rol-
lenden Wagen.
Eilenden Laufes, mit wehendem Haar und flattern-
dem Schleyer,
Flog sie das stickelste Ufer hinan, mit verbreiteten
Armen.
Angesichts des staunenden Heers und des schauen-
den Himmels,
Warf sie vom schroffesten Hang sich hinab in die
Wasser der Weichsel.
Dumpf auf tos'te die Fluth. Die Ufer donnerten.
Weit auf
That sich des Flusses blauer Schooss, und führte das
Fräulein
Tief hinunter in seine stillste heiligste Grotte.

Doch Allfader gebot dem Flusse, das liebliche
Fräulein
Weiter zu führen ins Grab der Natur, ins heilige
Weltmeer.
Dort liegt Wanda, und schläft. Es hat Allfader
sie selber
In das grundlose Grab versenkt des heiligen Welt-
meers.

„Wanda! er liegt, er modert im Staube, der trotzige
Freyer!“ —
Plötzlich entsprang die geweihete Jungfrau dem rol-
lenden Wagen.
Eilenden Laufes, mit wehendem Haar und flattern-
dem Schleyer,
Flog sie das stickelste Ufer hinan, mit verbreiteten
Armen.
Angesichts des staunenden Heers und des schauen-
den Himmels,
Warf sie vom schroffesten Hang sich hinab in die
Wasser der Weichsel.
Dumpf auf tos'te die Fluth. Die Ufer donnerten.
Weit auf
That sich des Flusses blauer Schooss, und führte das
Fräulein
Tief hinunter in seine stillste heiligste Grotte.

Doch Allfader gebot dem Flusse, das liebliche
Fräulein
Weiter zu führen ins Grab der Natur, ins heilige
Weltmeer.
Dort liegt Wanda, und schläft. Es hat Allfader
sie selber
In das grundlose Grab versenkt des heiligen Welt-
meers.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="50">
              <l>
                <pb facs="#f0053" n="37"/>
              </l>
              <l>&#x201E;Wanda! er liegt, er modert im Staube, der trotzige</l><lb/>
              <l>Freyer!&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
              <l>Plötzlich entsprang die geweihete Jungfrau dem rol-</l><lb/>
              <l>lenden Wagen.</l><lb/>
              <l>Eilenden Laufes, mit wehendem Haar und flattern-</l><lb/>
              <l>dem Schleyer,</l><lb/>
              <l>Flog sie das stickelste Ufer hinan, mit verbreiteten</l><lb/>
              <l>Armen.</l><lb/>
              <l>Angesichts des staunenden Heers und des schauen-</l><lb/>
              <l>den Himmels,</l><lb/>
              <l>Warf sie vom schroffesten Hang sich hinab in die</l><lb/>
              <l>Wasser der Weichsel.</l><lb/>
              <l>Dumpf auf tos'te die Fluth. Die Ufer donnerten.</l><lb/>
              <l>Weit auf</l><lb/>
              <l>That sich des Flusses blauer Schooss, und führte das</l><lb/>
              <l>Fräulein</l><lb/>
              <l>Tief hinunter in seine stillste heiligste Grotte.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="51">
              <l>Doch Allfader gebot dem Flusse, das liebliche</l><lb/>
              <l>Fräulein</l><lb/>
              <l>Weiter zu führen ins Grab der Natur, ins heilige</l><lb/>
              <l>Weltmeer.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="52">
              <l>Dort liegt Wanda, und schläft. Es hat Allfader</l><lb/>
              <l>sie selber</l><lb/>
              <l>In das grundlose Grab versenkt des heiligen Welt-</l><lb/>
              <l>meers.</l>
            </lg><lb/>
            <l>
</l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0053] „Wanda! er liegt, er modert im Staube, der trotzige Freyer!“ — Plötzlich entsprang die geweihete Jungfrau dem rol- lenden Wagen. Eilenden Laufes, mit wehendem Haar und flattern- dem Schleyer, Flog sie das stickelste Ufer hinan, mit verbreiteten Armen. Angesichts des staunenden Heers und des schauen- den Himmels, Warf sie vom schroffesten Hang sich hinab in die Wasser der Weichsel. Dumpf auf tos'te die Fluth. Die Ufer donnerten. Weit auf That sich des Flusses blauer Schooss, und führte das Fräulein Tief hinunter in seine stillste heiligste Grotte. Doch Allfader gebot dem Flusse, das liebliche Fräulein Weiter zu führen ins Grab der Natur, ins heilige Weltmeer. Dort liegt Wanda, und schläft. Es hat Allfader sie selber In das grundlose Grab versenkt des heiligen Welt- meers.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen02_1798/53
Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen02_1798/53>, abgerufen am 25.11.2024.