"Wanda! er liegt, er modert im Staube, der trotzige Freyer!" -- Plötzlich entsprang die geweihete Jungfrau dem rol- lenden Wagen. Eilenden Laufes, mit wehendem Haar und flattern- dem Schleyer, Flog sie das stickelste Ufer hinan, mit verbreiteten Armen. Angesichts des staunenden Heers und des schauen- den Himmels, Warf sie vom schroffesten Hang sich hinab in die Wasser der Weichsel. Dumpf auf tos'te die Fluth. Die Ufer donnerten. Weit auf That sich des Flusses blauer Schooss, und führte das Fräulein Tief hinunter in seine stillste heiligste Grotte.
Doch Allfader gebot dem Flusse, das liebliche Fräulein Weiter zu führen ins Grab der Natur, ins heilige Weltmeer.
Dort liegt Wanda, und schläft. Es hat Allfader sie selber In das grundlose Grab versenkt des heiligen Welt- meers.
„Wanda! er liegt, er modert im Staube, der trotzige Freyer!“ — Plötzlich entsprang die geweihete Jungfrau dem rol- lenden Wagen. Eilenden Laufes, mit wehendem Haar und flattern- dem Schleyer, Flog sie das stickelste Ufer hinan, mit verbreiteten Armen. Angesichts des staunenden Heers und des schauen- den Himmels, Warf sie vom schroffesten Hang sich hinab in die Wasser der Weichsel. Dumpf auf tos'te die Fluth. Die Ufer donnerten. Weit auf That sich des Flusses blauer Schooss, und führte das Fräulein Tief hinunter in seine stillste heiligste Grotte.
Doch Allfader gebot dem Flusse, das liebliche Fräulein Weiter zu führen ins Grab der Natur, ins heilige Weltmeer.
Dort liegt Wanda, und schläft. Es hat Allfader sie selber In das grundlose Grab versenkt des heiligen Welt- meers.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><lgn="50"><l><pbfacs="#f0053"n="37"/></l><l>„Wanda! er liegt, er modert im Staube, der trotzige</l><lb/><l>Freyer!“—</l><lb/><l>Plötzlich entsprang die geweihete Jungfrau dem rol-</l><lb/><l>lenden Wagen.</l><lb/><l>Eilenden Laufes, mit wehendem Haar und flattern-</l><lb/><l>dem Schleyer,</l><lb/><l>Flog sie das stickelste Ufer hinan, mit verbreiteten</l><lb/><l>Armen.</l><lb/><l>Angesichts des staunenden Heers und des schauen-</l><lb/><l>den Himmels,</l><lb/><l>Warf sie vom schroffesten Hang sich hinab in die</l><lb/><l>Wasser der Weichsel.</l><lb/><l>Dumpf auf tos'te die Fluth. Die Ufer donnerten.</l><lb/><l>Weit auf</l><lb/><l>That sich des Flusses blauer Schooss, und führte das</l><lb/><l>Fräulein</l><lb/><l>Tief hinunter in seine stillste heiligste Grotte.</l></lg><lb/><lgn="51"><l>Doch Allfader gebot dem Flusse, das liebliche</l><lb/><l>Fräulein</l><lb/><l>Weiter zu führen ins Grab der Natur, ins heilige</l><lb/><l>Weltmeer.</l></lg><lb/><lgn="52"><l>Dort liegt Wanda, und schläft. Es hat Allfader</l><lb/><l>sie selber</l><lb/><l>In das grundlose Grab versenkt des heiligen Welt-</l><lb/><l>meers.</l></lg><lb/><l></l></lg></div></div></body></text></TEI>
[37/0053]
„Wanda! er liegt, er modert im Staube, der trotzige
Freyer!“ —
Plötzlich entsprang die geweihete Jungfrau dem rol-
lenden Wagen.
Eilenden Laufes, mit wehendem Haar und flattern-
dem Schleyer,
Flog sie das stickelste Ufer hinan, mit verbreiteten
Armen.
Angesichts des staunenden Heers und des schauen-
den Himmels,
Warf sie vom schroffesten Hang sich hinab in die
Wasser der Weichsel.
Dumpf auf tos'te die Fluth. Die Ufer donnerten.
Weit auf
That sich des Flusses blauer Schooss, und führte das
Fräulein
Tief hinunter in seine stillste heiligste Grotte.
Doch Allfader gebot dem Flusse, das liebliche
Fräulein
Weiter zu führen ins Grab der Natur, ins heilige
Weltmeer.
Dort liegt Wanda, und schläft. Es hat Allfader
sie selber
In das grundlose Grab versenkt des heiligen Welt-
meers.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen02_1798/53>, abgerufen am 24.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.