Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ach, ich hatte Meli so lieb! Ich sah ihn so
gerne
"Liegen und zappeln und girren vor Wonne im
Schoosse der Mutter,
"Sah ihn schlummern so gern in seinem schweben-
den Bettchen.
"Dieser Schooss hat ihn öfter getragen; mit diesen
Armen
"Hab' ich ihn öfter umfasst. Dann lächelte Meli so
freundlich.
"Wäre doch Meli hier, der holde, lächelnde Säug-
ling!"

Also rief es die Kleine. Mit Inbrunst rief sie's;
und plötzlich
Schimmert' ein Regenbogen vor ihr im Nebel des
Thaues.
Sanft zerflossen die Nebel. Es flatterten glänzende
Wölkchen
Rings durch das ausgeheiterte Blau; der glänzenden
Wölkchen
Schwebte das Eine heran. Es zerfloss, und schim-
mernd von Schönheit,
Reingebadet im lauteren Strom des lebendigen
Äthers
Stand vor seiner staunenden Schwester der lächelnde
Meli.

„Ach, ich hatte Meli so lieb! Ich sah ihn so
gerne
„Liegen und zappeln und girren vor Wonne im
Schoosse der Mutter,
„Sah ihn schlummern so gern in seinem schweben-
den Bettchen.
„Dieser Schooss hat ihn öfter getragen; mit diesen
Armen
„Hab' ich ihn öfter umfasst. Dann lächelte Meli so
freundlich.
„Wäre doch Meli hier, der holde, lächelnde Säug-
ling!“

Also rief es die Kleine. Mit Inbrunst rief sie's;
und plötzlich
Schimmert' ein Regenbogen vor ihr im Nebel des
Thaues.
Sanft zerflossen die Nebel. Es flatterten glänzende
Wölkchen
Rings durch das ausgeheiterte Blau; der glänzenden
Wölkchen
Schwebte das Eine heran. Es zerfloss, und schim-
mernd von Schönheit,
Reingebadet im lauteren Strom des lebendigen
Äthers
Stand vor seiner staunenden Schwester der lächelnde
Meli.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="9">
              <l>
                <pb facs="#f0372" n="350"/>
              </l>
              <l>&#x201E;Ach, ich hatte Meli so lieb! Ich sah ihn so</l><lb/>
              <l>gerne</l><lb/>
              <l>&#x201E;Liegen und zappeln und girren vor Wonne im</l><lb/>
              <l>Schoosse der Mutter,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Sah ihn schlummern so gern in seinem schweben-</l><lb/>
              <l>den Bettchen.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Dieser Schooss hat ihn öfter getragen; mit diesen</l><lb/>
              <l>Armen</l><lb/>
              <l>&#x201E;Hab' ich ihn öfter umfasst. Dann lächelte Meli so</l><lb/>
              <l>freundlich.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wäre doch Meli hier, der holde, lächelnde Säug-</l><lb/>
              <l>ling!&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l>Also rief es die Kleine. Mit Inbrunst rief sie's;</l><lb/>
              <l>und plötzlich</l><lb/>
              <l>Schimmert' ein Regenbogen vor ihr im Nebel des</l><lb/>
              <l>Thaues.</l><lb/>
              <l>Sanft zerflossen die Nebel. Es flatterten glänzende</l><lb/>
              <l>Wölkchen</l><lb/>
              <l>Rings durch das ausgeheiterte Blau; der glänzenden</l><lb/>
              <l>Wölkchen</l><lb/>
              <l>Schwebte das Eine heran. Es zerfloss, und schim-</l><lb/>
              <l>mernd von Schönheit,</l><lb/>
              <l>Reingebadet im lauteren Strom des lebendigen</l><lb/>
              <l>Äthers</l><lb/>
              <l>Stand vor seiner staunenden Schwester der lächelnde</l><lb/>
              <l>Meli.</l>
            </lg><lb/>
            <l>
</l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[350/0372] „Ach, ich hatte Meli so lieb! Ich sah ihn so gerne „Liegen und zappeln und girren vor Wonne im Schoosse der Mutter, „Sah ihn schlummern so gern in seinem schweben- den Bettchen. „Dieser Schooss hat ihn öfter getragen; mit diesen Armen „Hab' ich ihn öfter umfasst. Dann lächelte Meli so freundlich. „Wäre doch Meli hier, der holde, lächelnde Säug- ling!“ Also rief es die Kleine. Mit Inbrunst rief sie's; und plötzlich Schimmert' ein Regenbogen vor ihr im Nebel des Thaues. Sanft zerflossen die Nebel. Es flatterten glänzende Wölkchen Rings durch das ausgeheiterte Blau; der glänzenden Wölkchen Schwebte das Eine heran. Es zerfloss, und schim- mernd von Schönheit, Reingebadet im lauteren Strom des lebendigen Äthers Stand vor seiner staunenden Schwester der lächelnde Meli.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen02_1798/372
Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen02_1798/372>, abgerufen am 23.11.2024.