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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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Ist dir Wahrheit, Elwill,
Was uns Wahrheit däucht?

"Wohl Manches, was dem eingekerkerten
Durch enge Gitter mühsam spähenden,
Durch weite Fernen ängstlich horchenden,
Verwiesnen Geiste Blitz der Wahrheit däuchte,
Was Denker mit der Schlüsse Kettenringen,
Was Priesterwuth mit Bann und Beil und Holzstoss,
Was Märtyrer mit hingebognem Nacken
Erwiesen, oder zu erweisen wähnten,
Ist dennoch Traum.
Wohl Manches, was der selbstzufriedne Grübler
Als Dichtertraum verlacht, der eitle Spötter
Als Priestermährchen höhnt, der kalte Grübler
Gar in der Unding' öde Nacht verbannt,
Ist dennoch Wahrheit.
Eins ist mir helle, was mir dunkel war.
Das Andre dämmert mir nur noch. Das Dritte
Ist rabenschwarze Mitternacht noch immer.
Viel sind der langen Ewigkeit Äonen.
Viel Zeit ist hier zu lernen. Vieles ist
Dem ersten Seraph noch zu lernen übrig."
Elwill ist euch Tugend,
Was uns Tugend däucht?
Wiegt mit Menschenwage
Ihr des Menschen Werth?

Ist dir Wahrheit, Elwill,
Was uns Wahrheit däucht?

„Wohl Manches, was dem eingekerkerten
Durch enge Gitter mühsam spähenden,
Durch weite Fernen ängstlich horchenden,
Verwiesnen Geiste Blitz der Wahrheit däuchte,
Was Denker mit der Schlüsse Kettenringen,
Was Priesterwuth mit Bann und Beil und Holzstoss,
Was Märtyrer mit hingebognem Nacken
Erwiesen, oder zu erweisen wähnten,
Ist dennoch Traum.
Wohl Manches, was der selbstzufriedne Grübler
Als Dichtertraum verlacht, der eitle Spötter
Als Priestermährchen höhnt, der kalte Grübler
Gar in der Unding' öde Nacht verbannt,
Ist dennoch Wahrheit.
Eins ist mir helle, was mir dunkel war.
Das Andre dämmert mir nur noch. Das Dritte
Ist rabenschwarze Mitternacht noch immer.
Viel sind der langen Ewigkeit Äonen.
Viel Zeit ist hier zu lernen. Vieles ist
Dem ersten Seraph noch zu lernen übrig.“
Elwill ist euch Tugend,
Was uns Tugend däucht?
Wiegt mit Menschenwage
Ihr des Menschen Werth?

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[120/0136] Ist dir Wahrheit, Elwill, Was uns Wahrheit däucht? „Wohl Manches, was dem eingekerkerten Durch enge Gitter mühsam spähenden, Durch weite Fernen ängstlich horchenden, Verwiesnen Geiste Blitz der Wahrheit däuchte, Was Denker mit der Schlüsse Kettenringen, Was Priesterwuth mit Bann und Beil und Holzstoss, Was Märtyrer mit hingebognem Nacken Erwiesen, oder zu erweisen wähnten, Ist dennoch Traum. Wohl Manches, was der selbstzufriedne Grübler Als Dichtertraum verlacht, der eitle Spötter Als Priestermährchen höhnt, der kalte Grübler Gar in der Unding' öde Nacht verbannt, Ist dennoch Wahrheit. Eins ist mir helle, was mir dunkel war. Das Andre dämmert mir nur noch. Das Dritte Ist rabenschwarze Mitternacht noch immer. Viel sind der langen Ewigkeit Äonen. Viel Zeit ist hier zu lernen. Vieles ist Dem ersten Seraph noch zu lernen übrig.“ Elwill ist euch Tugend, Was uns Tugend däucht? Wiegt mit Menschenwage Ihr des Menschen Werth?

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Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen02_1798/136>, abgerufen am 24.04.2024.