Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.Unter des Landes Sängern. Er sang viel Kunden Ihre Gräber hab' ich gesehn; die Töchter des Landes Zeigten die Sinkenden mir. Sie umwucherten Nes- seln und Wermuth. Ausgejätet hab' ich die Nesseln, und trage des Wermuths Noch am Arm; und noch verschleiert Dämmrung die Seele. Warum wird die Rose gepresst, dass den duf- tenden Blättern Ihrer Thränen köstliches Wasser entrieselt? und warum Wiegt die Distel ihr Haupt so stolz und sicher im Winde? Warum, sag' es mir an, des Gesangs tieffüh- lende Freundin, Warum frohlockt der Stolz, und warum jammert die Unschuld? Unter des Landes Sängern. Er sang viel Kunden Ihre Gräber hab' ich gesehn; die Töchter des Landes Zeigten die Sinkenden mir. Sie umwucherten Nes- seln und Wermuth. Ausgejätet hab' ich die Nesseln, und trage des Wermuths Noch am Arm; und noch verschleiert Dämmrung die Seele. Warum wird die Rose gepreſst, daſs den duf- tenden Blättern Ihrer Thränen köstliches Wasser entrieselt? und warum Wiegt die Distel ihr Haupt so stolz und sicher im Winde? Warum, sag' es mir an, des Gesangs tieffüh- lende Freundin, Warum frohlockt der Stolz, und warum jammert die Unschuld? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="45"> <pb facs="#f0324" n="278"/> <l>Unter des Landes Sängern. Er sang viel Kunden</l><lb/> <l>der Vorzeit</l><lb/> <l>Und viel Thaten entschlummerter Helden. Doch</l><lb/> <l>klang ihm von Mädchen</l><lb/> <l>Nimmer die Harf', und nimmer entbrannte sein</l><lb/> <l>Herz in Liebe.</l><lb/> <l>Seine Liebe schlief mit Edallwinen im Grabe.</l> </lg><lb/> <lg n="46"> <l>Ihre Gräber hab' ich gesehn; die Töchter des</l><lb/> <l>Landes</l><lb/> <l>Zeigten die Sinkenden mir. Sie umwucherten Nes-</l><lb/> <l>seln und Wermuth.</l><lb/> <l>Ausgejätet hab' ich die Nesseln, und trage des</l><lb/> <l>Wermuths</l><lb/> <l>Noch am Arm; und noch verschleiert Dämmrung</l><lb/> <l>die Seele.</l> </lg><lb/> <lg n="47"> <l>Warum wird die Rose gepreſst, daſs den duf-</l><lb/> <l>tenden Blättern</l><lb/> <l>Ihrer Thränen köstliches Wasser entrieselt? und</l><lb/> <l>warum</l><lb/> <l>Wiegt die Distel ihr Haupt so stolz und sicher im</l><lb/> <l>Winde?</l> </lg><lb/> <lg n="48"> <l>Warum, sag' es mir an, des Gesangs tieffüh-</l><lb/> <l>lende Freundin,</l><lb/> <l>Warum frohlockt der Stolz, und warum jammert</l><lb/> <l>die Unschuld?</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [278/0324]
Unter des Landes Sängern. Er sang viel Kunden
der Vorzeit
Und viel Thaten entschlummerter Helden. Doch
klang ihm von Mädchen
Nimmer die Harf', und nimmer entbrannte sein
Herz in Liebe.
Seine Liebe schlief mit Edallwinen im Grabe.
Ihre Gräber hab' ich gesehn; die Töchter des
Landes
Zeigten die Sinkenden mir. Sie umwucherten Nes-
seln und Wermuth.
Ausgejätet hab' ich die Nesseln, und trage des
Wermuths
Noch am Arm; und noch verschleiert Dämmrung
die Seele.
Warum wird die Rose gepreſst, daſs den duf-
tenden Blättern
Ihrer Thränen köstliches Wasser entrieselt? und
warum
Wiegt die Distel ihr Haupt so stolz und sicher im
Winde?
Warum, sag' es mir an, des Gesangs tieffüh-
lende Freundin,
Warum frohlockt der Stolz, und warum jammert
die Unschuld?
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Zitationshilfe: | Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/324>, abgerufen am 23.07.2024. |