Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.Sinnend weilte sie unter den Blumen, der Blumen Haining, Haining, wie dass du der traulichen Stunde nicht wahrnahmst! Hättest dir offen gefunden das Herz des zärtlichen Mädchens, Hättest sie durch das Leben geleitet, ein rettender Schutzgeist. Haining, Haining, wie dass du, zu blöde, nicht wagtest die Hoffnung! Warst ja edlerer Seele, wenn gleich nicht edleren Blutes. Sieben Nächte durchwachte das schwärmende Mädchen. Die achte Träumte sie schwer. Ihr däucht' am Busen des reizendsten Jünglings Lustberauscht zu ruhn. In Schauerentzücken zer- flossen, Fühlte sie sich in seinen umflechtenden Armen -- und plötzlich, Plötzlich -- o Schrecken! entschlüpft ihr der Buhle, verwandelt, vergrässlicht Sich in ein zähnefletschend Gespenst, erhebet sich, schwingt sich Sinnend weilte sie unter den Blumen, der Blumen Haining, Haining, wie daſs du der traulichen Stunde nicht wahrnahmst! Hättest dir offen gefunden das Herz des zärtlichen Mädchens, Hättest sie durch das Leben geleitet, ein rettender Schutzgeist. Haining, Haining, wie daſs du, zu blöde, nicht wagtest die Hoffnung! Warst ja edlerer Seele, wenn gleich nicht edleren Blutes. Sieben Nächte durchwachte das schwärmende Mädchen. Die achte Träumte sie schwer. Ihr däucht' am Busen des reizendsten Jünglings Lustberauscht zu ruhn. In Schauerentzücken zer- flossen, Fühlte sie sich in seinen umflechtenden Armen — und plötzlich, Plötzlich — o Schrecken! entschlüpft ihr der Buhle, verwandelt, vergräſslicht Sich in ein zähnefletschend Gespenst, erhebet sich, schwingt sich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="20"> <pb facs="#f0311" n="265"/> <l>Sinnend weilte sie unter den Blumen, der Blumen</l><lb/> <l>vergessend.</l><lb/> <l>Aus dem Schlummer der Nacht verstörten sie ängst-</l><lb/> <l>liche Träume.</l> </lg><lb/> <lg n="21"> <l>Haining, Haining, wie daſs du der traulichen</l><lb/> <l>Stunde nicht wahrnahmst!</l><lb/> <l>Hättest dir offen gefunden das Herz des zärtlichen</l><lb/> <l>Mädchens,</l><lb/> <l>Hättest sie durch das Leben geleitet, ein rettender</l><lb/> <l>Schutzgeist.</l><lb/> <l>Haining, Haining, wie daſs du, zu blöde, nicht</l><lb/> <l>wagtest die Hoffnung!</l><lb/> <l>Warst ja edlerer Seele, wenn gleich nicht edleren</l><lb/> <l>Blutes.</l> </lg><lb/> <lg n="22"> <l>Sieben Nächte durchwachte das schwärmende</l><lb/> <l>Mädchen. Die achte</l><lb/> <l>Träumte sie schwer. Ihr däucht' am Busen des</l><lb/> <l>reizendsten Jünglings</l><lb/> <l>Lustberauscht zu ruhn. In Schauerentzücken zer-</l><lb/> <l>flossen,</l><lb/> <l>Fühlte sie sich in seinen umflechtenden Armen —</l><lb/> <l>und plötzlich,</l><lb/> <l>Plötzlich — o Schrecken! entschlüpft ihr der Buhle,</l><lb/> <l>verwandelt, vergräſslicht</l><lb/> <l>Sich in ein zähnefletschend Gespenst, erhebet sich,</l><lb/> <l>schwingt sich</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [265/0311]
Sinnend weilte sie unter den Blumen, der Blumen
vergessend.
Aus dem Schlummer der Nacht verstörten sie ängst-
liche Träume.
Haining, Haining, wie daſs du der traulichen
Stunde nicht wahrnahmst!
Hättest dir offen gefunden das Herz des zärtlichen
Mädchens,
Hättest sie durch das Leben geleitet, ein rettender
Schutzgeist.
Haining, Haining, wie daſs du, zu blöde, nicht
wagtest die Hoffnung!
Warst ja edlerer Seele, wenn gleich nicht edleren
Blutes.
Sieben Nächte durchwachte das schwärmende
Mädchen. Die achte
Träumte sie schwer. Ihr däucht' am Busen des
reizendsten Jünglings
Lustberauscht zu ruhn. In Schauerentzücken zer-
flossen,
Fühlte sie sich in seinen umflechtenden Armen —
und plötzlich,
Plötzlich — o Schrecken! entschlüpft ihr der Buhle,
verwandelt, vergräſslicht
Sich in ein zähnefletschend Gespenst, erhebet sich,
schwingt sich
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