Der Ralunken, den Kopf. Der grimmige Rawen ersah es, Schwang die Axt, warf schleudernd die Herbe dem Jüngling ins Antlitz. Röchelnd entstürzt er dem Bord. So stürzt die schönste der Buchen, Ausgewühlt vom schmelzenden Schnee, entwurzelt vom Giessbach, In die Fluthen hinab von der kreidigen Stubben kammer.
Ähnlich dem Brüllen der See, wenn sie itzt die Leben von hundert Schiffen verschlang, erscholl das Jauchzen der sie- genden Räuber. Bleich und starr, wie der Marmor, sass Heregunde. Der Räuber Einer fasst' ihr höhnisch das Kinn: "Du Zierlich- gelockte, "Freue dich, Traute. Mein Arm hat eines Weich- linges Bette "Dich entrissen. Nun sollst du das Bette des star- ken Ralunken "Schmücken. Dem Starken gebührt die Schöne." -- Das zitternde Mädchen Regte die Lippen, und schwieg. So schweigt die Taube dem Falken.
Der Ralunken, den Kopf. Der grimmige Rawen ersah es, Schwang die Axt, warf schleudernd die Herbe dem Jüngling ins Antlitz. Röchelnd entstürzt er dem Bord. So stürzt die schönste der Buchen, Ausgewühlt vom schmelzenden Schnee, entwurzelt vom Gieſsbach, In die Fluthen hinab von der kreidigen Stubben kammer.
Ähnlich dem Brüllen der See, wenn sie itzt die Leben von hundert Schiffen verschlang, erscholl das Jauchzen der sie- genden Räuber. Bleich und starr, wie der Marmor, saſs Heregunde. Der Räuber Einer faſst' ihr höhnisch das Kinn: „Du Zierlich- gelockte, „Freue dich, Traute. Mein Arm hat eines Weich- linges Bette „Dich entrissen. Nun sollst du das Bette des star- ken Ralunken „Schmücken. Dem Starken gebührt die Schöne.“ — Das zitternde Mädchen Regte die Lippen, und schwieg. So schweigt die Taube dem Falken.
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Der Ralunken, den Kopf. Der grimmige Rawen
ersah es,
Schwang die Axt, warf schleudernd die Herbe dem
Jüngling ins Antlitz.
Röchelnd entstürzt er dem Bord. So stürzt die
schönste der Buchen,
Ausgewühlt vom schmelzenden Schnee, entwurzelt
vom Gieſsbach,
In die Fluthen hinab von der kreidigen Stubben
kammer.
Ähnlich dem Brüllen der See, wenn sie itzt die
Leben von hundert
Schiffen verschlang, erscholl das Jauchzen der sie-
genden Räuber.
Bleich und starr, wie der Marmor, saſs Heregunde.
Der Räuber
Einer faſst' ihr höhnisch das Kinn: „Du Zierlich-
gelockte,
„Freue dich, Traute. Mein Arm hat eines Weich-
linges Bette
„Dich entrissen. Nun sollst du das Bette des star-
ken Ralunken
„Schmücken. Dem Starken gebührt die Schöne.“ —
Das zitternde Mädchen
Regte die Lippen, und schwieg. So schweigt die
Taube dem Falken.
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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/178>, abgerufen am 16.02.2025.
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