Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
Ich lagerte mich an des Flusses Saum,
Von Kalmus rings umduftet. Gottes Hauch
Umsauste mich. -- Da rudert aus dem Schilf,
Voll hohen Anstands, Adels, Majestät,
Doch alles Dünkels, alles Wahnes baar,
Hervor ein königlicher Schwan. Er war
Weiss angethan, so blendend weiss, als sey
Sein glänzendes Gefieder aus dem Schaum
Des Meers geblasen. Langsam rudert' er
Und ernst einher, sein melancholisch Haupt
Auf seine reine Brust gesenkt. So fand
Ich Iden einst, das Auge thränenvoll,
Den Schwanenhals auf ihre Schwanenbrust
In stiller Schwermuth einsam hingeneigt.
Ich lag und lauschte. Stille war umher:
Die Sonne sank; die Lerche senkte sich
Tiefkreisend auf ihr Nest im Weizenschlag;
Und Gottes Odem hauchte leiser. -- Horch!
Da weht' es süss, wie Flötenwirbel wehn,
Und seeleschmelzend, wie ein Sterbelied,
Das Heil'ge singen, über Strom und Flur.
Ich schmolz in süsse Wehmuth. Zwar vernahm
Ich nicht des Liedes Worte; doch sein Klang
Durchschütterte mich mächtig, wiegte mich
In tiefe Träumereyen ein. Ich sah,
Ich hörte Mütter, die, dem Grabe nah,
Die Kinder ihres Herzens segneten,
Ich lagerte mich an des Flusses Saum,
Von Kalmus rings umduftet. Gottes Hauch
Umsauste mich. — Da rudert aus dem Schilf,
Voll hohen Anstands, Adels, Majestät,
Doch alles Dünkels, alles Wahnes baar,
Hervor ein königlicher Schwan. Er war
Weiſs angethan, so blendend weiſs, als sey
Sein glänzendes Gefieder aus dem Schaum
Des Meers geblasen. Langsam rudert' er
Und ernst einher, sein melancholisch Haupt
Auf seine reine Brust gesenkt. So fand
Ich Iden einst, das Auge thränenvoll,
Den Schwanenhals auf ihre Schwanenbrust
In stiller Schwermuth einsam hingeneigt.
Ich lag und lauschte. Stille war umher:
Die Sonne sank; die Lerche senkte sich
Tiefkreisend auf ihr Nest im Weizenschlag;
Und Gottes Odem hauchte leiser. — Horch!
Da weht' es süſs, wie Flötenwirbel wehn,
Und seeleschmelzend, wie ein Sterbelied,
Das Heil'ge singen, über Strom und Flur.
Ich schmolz in süſse Wehmuth. Zwar vernahm
Ich nicht des Liedes Worte; doch sein Klang
Durchschütterte mich mächtig, wiegte mich
In tiefe Träumereyen ein. Ich sah,
Ich hörte Mütter, die, dem Grabe nah,
Die Kinder ihres Herzens segneten,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0134" n="94"/>
            <lg n="2">
              <l>Ich lagerte mich an des Flusses Saum,</l><lb/>
              <l>Von Kalmus rings umduftet. Gottes Hauch</l><lb/>
              <l>Umsauste mich. &#x2014; Da rudert aus dem Schilf,</l><lb/>
              <l>Voll hohen Anstands, Adels, Majestät,</l><lb/>
              <l>Doch alles Dünkels, alles Wahnes baar,</l><lb/>
              <l>Hervor ein königlicher Schwan. Er war</l><lb/>
              <l>Wei&#x017F;s angethan, so blendend wei&#x017F;s, als sey</l><lb/>
              <l>Sein glänzendes Gefieder aus dem Schaum</l><lb/>
              <l>Des Meers geblasen. Langsam rudert' er</l><lb/>
              <l>Und ernst einher, sein melancholisch Haupt</l><lb/>
              <l>Auf seine reine Brust gesenkt. So fand</l><lb/>
              <l>Ich Iden einst, das Auge thränenvoll,</l><lb/>
              <l>Den Schwanenhals auf ihre Schwanenbrust</l><lb/>
              <l>In stiller Schwermuth einsam hingeneigt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Ich lag und lauschte. Stille war umher:</l><lb/>
              <l>Die Sonne sank; die Lerche senkte sich</l><lb/>
              <l>Tiefkreisend auf ihr Nest im Weizenschlag;</l><lb/>
              <l>Und Gottes Odem hauchte leiser. &#x2014; Horch!</l><lb/>
              <l>Da weht' es sü&#x017F;s, wie Flötenwirbel wehn,</l><lb/>
              <l>Und seeleschmelzend, wie ein Sterbelied,</l><lb/>
              <l>Das Heil'ge singen, über Strom und Flur.</l><lb/>
              <l>Ich schmolz in sü&#x017F;se Wehmuth. Zwar vernahm</l><lb/>
              <l>Ich nicht des Liedes Worte; doch sein Klang</l><lb/>
              <l>Durchschütterte mich mächtig, wiegte mich</l><lb/>
              <l>In tiefe Träumereyen ein. Ich sah,</l><lb/>
              <l>Ich hörte Mütter, die, dem Grabe nah,</l><lb/>
              <l>Die Kinder ihres Herzens segneten,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0134] Ich lagerte mich an des Flusses Saum, Von Kalmus rings umduftet. Gottes Hauch Umsauste mich. — Da rudert aus dem Schilf, Voll hohen Anstands, Adels, Majestät, Doch alles Dünkels, alles Wahnes baar, Hervor ein königlicher Schwan. Er war Weiſs angethan, so blendend weiſs, als sey Sein glänzendes Gefieder aus dem Schaum Des Meers geblasen. Langsam rudert' er Und ernst einher, sein melancholisch Haupt Auf seine reine Brust gesenkt. So fand Ich Iden einst, das Auge thränenvoll, Den Schwanenhals auf ihre Schwanenbrust In stiller Schwermuth einsam hingeneigt. Ich lag und lauschte. Stille war umher: Die Sonne sank; die Lerche senkte sich Tiefkreisend auf ihr Nest im Weizenschlag; Und Gottes Odem hauchte leiser. — Horch! Da weht' es süſs, wie Flötenwirbel wehn, Und seeleschmelzend, wie ein Sterbelied, Das Heil'ge singen, über Strom und Flur. Ich schmolz in süſse Wehmuth. Zwar vernahm Ich nicht des Liedes Worte; doch sein Klang Durchschütterte mich mächtig, wiegte mich In tiefe Träumereyen ein. Ich sah, Ich hörte Mütter, die, dem Grabe nah, Die Kinder ihres Herzens segneten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/134
Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/134>, abgerufen am 25.11.2024.