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Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Ich danke Euch, Herr Notar, und Euch, Pater Antonio, sagte Giovanni ganz gelassen, eben so gelassen: Lebe wohl! zu Cecca und lebe wohl! zu Angiolinen, die halb entseelt auf ihr Zimmer geführt ward, und leichten, ja fröhlichen Trittes eilte der Jüngling aus dem Hause, ein Liedchen summend, gleich als wäre nichts Uebles vorgefallen. -- Diesen Leichtsinn begreif' ich nicht, sagte Ciccio. -- Ich begreife ihn wohl, sagte Pater Antonio. Der tiefsten Verzweiflung ist es eigen, die schreckliche Gegenwart gleichsam zu überspringen und in das zu flüchten, was wir Leichtsinn nennen. Ein getroffener Hirsch springt hoch empor, ehe er niedersinkt und sich verblutet. Er ist nicht so heiter, wie er scheint, glaubet mir! -- Und Pater Antonio hatte Recht. Giovanni ging die Straßen hindurch, wie es schien, fröhlicher als sonst. Er nickte sogar Don Granco, der ihm des Weges entgegenkam, einen so freundlichen Gruß zu, daß dieser sich ganz erstaunt nach ihm umwendete. Aber der Jüngling war nur der Fröhlichkeit hohles Bild, in seinem Innern tobte es wie eisiger Wintersturm und trieb ihn fern von Menschen. Die Gärten vorüber, klomm er höher und höher das wilde Gebirg hinan, einsamer, immer einsamer ward die pfadlose Gegend um ihn her, immer steiler die Felsen, immer schmaler die herabrinnenden Bächlein. Schaaren kleiner Waldvögel flogen vor ihm auf aus den Myrten und Lorbeerbüschen, bis er unter einer Felswand dicht an einem Abgrunde erschöpft niedersank. Zu seinen Füßen

Ich danke Euch, Herr Notar, und Euch, Pater Antonio, sagte Giovanni ganz gelassen, eben so gelassen: Lebe wohl! zu Cecca und lebe wohl! zu Angiolinen, die halb entseelt auf ihr Zimmer geführt ward, und leichten, ja fröhlichen Trittes eilte der Jüngling aus dem Hause, ein Liedchen summend, gleich als wäre nichts Uebles vorgefallen. — Diesen Leichtsinn begreif' ich nicht, sagte Ciccio. — Ich begreife ihn wohl, sagte Pater Antonio. Der tiefsten Verzweiflung ist es eigen, die schreckliche Gegenwart gleichsam zu überspringen und in das zu flüchten, was wir Leichtsinn nennen. Ein getroffener Hirsch springt hoch empor, ehe er niedersinkt und sich verblutet. Er ist nicht so heiter, wie er scheint, glaubet mir! — Und Pater Antonio hatte Recht. Giovanni ging die Straßen hindurch, wie es schien, fröhlicher als sonst. Er nickte sogar Don Granco, der ihm des Weges entgegenkam, einen so freundlichen Gruß zu, daß dieser sich ganz erstaunt nach ihm umwendete. Aber der Jüngling war nur der Fröhlichkeit hohles Bild, in seinem Innern tobte es wie eisiger Wintersturm und trieb ihn fern von Menschen. Die Gärten vorüber, klomm er höher und höher das wilde Gebirg hinan, einsamer, immer einsamer ward die pfadlose Gegend um ihn her, immer steiler die Felsen, immer schmaler die herabrinnenden Bächlein. Schaaren kleiner Waldvögel flogen vor ihm auf aus den Myrten und Lorbeerbüschen, bis er unter einer Felswand dicht an einem Abgrunde erschöpft niedersank. Zu seinen Füßen

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[0030] Ich danke Euch, Herr Notar, und Euch, Pater Antonio, sagte Giovanni ganz gelassen, eben so gelassen: Lebe wohl! zu Cecca und lebe wohl! zu Angiolinen, die halb entseelt auf ihr Zimmer geführt ward, und leichten, ja fröhlichen Trittes eilte der Jüngling aus dem Hause, ein Liedchen summend, gleich als wäre nichts Uebles vorgefallen. — Diesen Leichtsinn begreif' ich nicht, sagte Ciccio. — Ich begreife ihn wohl, sagte Pater Antonio. Der tiefsten Verzweiflung ist es eigen, die schreckliche Gegenwart gleichsam zu überspringen und in das zu flüchten, was wir Leichtsinn nennen. Ein getroffener Hirsch springt hoch empor, ehe er niedersinkt und sich verblutet. Er ist nicht so heiter, wie er scheint, glaubet mir! — Und Pater Antonio hatte Recht. Giovanni ging die Straßen hindurch, wie es schien, fröhlicher als sonst. Er nickte sogar Don Granco, der ihm des Weges entgegenkam, einen so freundlichen Gruß zu, daß dieser sich ganz erstaunt nach ihm umwendete. Aber der Jüngling war nur der Fröhlichkeit hohles Bild, in seinem Innern tobte es wie eisiger Wintersturm und trieb ihn fern von Menschen. Die Gärten vorüber, klomm er höher und höher das wilde Gebirg hinan, einsamer, immer einsamer ward die pfadlose Gegend um ihn her, immer steiler die Felsen, immer schmaler die herabrinnenden Bächlein. Schaaren kleiner Waldvögel flogen vor ihm auf aus den Myrten und Lorbeerbüschen, bis er unter einer Felswand dicht an einem Abgrunde erschöpft niedersank. Zu seinen Füßen

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Zitationshilfe: Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/30>, abgerufen am 23.11.2024.