Kopisch, August: Ein Carnevalsfest auf Ischia. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–62. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.sehr fröhlich und wohlgelegen. Seine gewaltigen Thunfischnetze ließ er weit ins Meer hinbreiten, seine Wachtelnetze hing er wie Spinneweben über alle Klippen. Aber fröhlicher als alles dieses war der Herr selber, ein rascher, rühriger Wittwer. Sein Wahlspruch war: des Herrn Auge macht die Kühe fett, aber nicht wenn es blind ist. Daher kam ihm die Gewohnheit, mit Allen, die seine Güter ihm bewirthschaften halfen, sehr häufig und genau zu rechnen, damit er beständig wüßte, wie er mit Jedem daran wäre; denn was man auf die lange Bank schiebt, verfault, sprach er und war überall hurtig hinterdrein. Er bezahlte keinen Tagelohn, sondern sprach zu den Leuten: Wie viel wollt ihr, wenn ihr mir dies und das arbeitet? und handelte sehr scharf; doch, wenn er zuletzt die Arbeit wohl bestellt fand, gab er manchen Groschen zu, so daß die braven Arbeiter fröhlich von ihm nach Hause gingen und nicht darben durften. Wer aber faul war, kam des geringen Lohnes wegen lange nicht wieder, und kam er endlich, so arbeitete derselbe Mann viel mehr als vorher -- wegen der Groschen, welche der Herr zulegte. Daher kam es, daß alles Volk, welches da herum lebte, die Arbeit lieb gewann und den weisen Don Antonio: denn er war keineswegs geizig. Er war den Faulen nur genau, damit sie emsig würden, und theilte sonst gern mit, wo es Noth that. Almosen jedoch gab er auch nur sparsam. Er sah lieber zu, wie er die Leute gründlich wieder aufbrächte, und pflegte darum nicht erst dann zu helfen, sehr fröhlich und wohlgelegen. Seine gewaltigen Thunfischnetze ließ er weit ins Meer hinbreiten, seine Wachtelnetze hing er wie Spinneweben über alle Klippen. Aber fröhlicher als alles dieses war der Herr selber, ein rascher, rühriger Wittwer. Sein Wahlspruch war: des Herrn Auge macht die Kühe fett, aber nicht wenn es blind ist. Daher kam ihm die Gewohnheit, mit Allen, die seine Güter ihm bewirthschaften halfen, sehr häufig und genau zu rechnen, damit er beständig wüßte, wie er mit Jedem daran wäre; denn was man auf die lange Bank schiebt, verfault, sprach er und war überall hurtig hinterdrein. Er bezahlte keinen Tagelohn, sondern sprach zu den Leuten: Wie viel wollt ihr, wenn ihr mir dies und das arbeitet? und handelte sehr scharf; doch, wenn er zuletzt die Arbeit wohl bestellt fand, gab er manchen Groschen zu, so daß die braven Arbeiter fröhlich von ihm nach Hause gingen und nicht darben durften. Wer aber faul war, kam des geringen Lohnes wegen lange nicht wieder, und kam er endlich, so arbeitete derselbe Mann viel mehr als vorher — wegen der Groschen, welche der Herr zulegte. Daher kam es, daß alles Volk, welches da herum lebte, die Arbeit lieb gewann und den weisen Don Antonio: denn er war keineswegs geizig. Er war den Faulen nur genau, damit sie emsig würden, und theilte sonst gern mit, wo es Noth that. Almosen jedoch gab er auch nur sparsam. Er sah lieber zu, wie er die Leute gründlich wieder aufbrächte, und pflegte darum nicht erst dann zu helfen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0008"/> sehr fröhlich und wohlgelegen. Seine gewaltigen Thunfischnetze ließ er weit ins Meer hinbreiten, seine Wachtelnetze hing er wie Spinneweben über alle Klippen.</p><lb/> <p>Aber fröhlicher als alles dieses war der Herr selber, ein rascher, rühriger Wittwer. Sein Wahlspruch war: des Herrn Auge macht die Kühe fett, aber nicht wenn es blind ist. Daher kam ihm die Gewohnheit, mit Allen, die seine Güter ihm bewirthschaften halfen, sehr häufig und genau zu rechnen, damit er beständig wüßte, wie er mit Jedem daran wäre; denn was man auf die lange Bank schiebt, verfault, sprach er und war überall hurtig hinterdrein. Er bezahlte keinen Tagelohn, sondern sprach zu den Leuten: Wie viel wollt ihr, wenn ihr mir dies und das arbeitet? und handelte sehr scharf; doch, wenn er zuletzt die Arbeit wohl bestellt fand, gab er manchen Groschen zu, so daß die braven Arbeiter fröhlich von ihm nach Hause gingen und nicht darben durften. Wer aber faul war, kam des geringen Lohnes wegen lange nicht wieder, und kam er endlich, so arbeitete derselbe Mann viel mehr als vorher — wegen der Groschen, welche der Herr zulegte. Daher kam es, daß alles Volk, welches da herum lebte, die Arbeit lieb gewann und den weisen Don Antonio: denn er war keineswegs geizig. Er war den Faulen nur genau, damit sie emsig würden, und theilte sonst gern mit, wo es Noth that. Almosen jedoch gab er auch nur sparsam. Er sah lieber zu, wie er die Leute gründlich wieder aufbrächte, und pflegte darum nicht erst dann zu helfen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0008]
sehr fröhlich und wohlgelegen. Seine gewaltigen Thunfischnetze ließ er weit ins Meer hinbreiten, seine Wachtelnetze hing er wie Spinneweben über alle Klippen.
Aber fröhlicher als alles dieses war der Herr selber, ein rascher, rühriger Wittwer. Sein Wahlspruch war: des Herrn Auge macht die Kühe fett, aber nicht wenn es blind ist. Daher kam ihm die Gewohnheit, mit Allen, die seine Güter ihm bewirthschaften halfen, sehr häufig und genau zu rechnen, damit er beständig wüßte, wie er mit Jedem daran wäre; denn was man auf die lange Bank schiebt, verfault, sprach er und war überall hurtig hinterdrein. Er bezahlte keinen Tagelohn, sondern sprach zu den Leuten: Wie viel wollt ihr, wenn ihr mir dies und das arbeitet? und handelte sehr scharf; doch, wenn er zuletzt die Arbeit wohl bestellt fand, gab er manchen Groschen zu, so daß die braven Arbeiter fröhlich von ihm nach Hause gingen und nicht darben durften. Wer aber faul war, kam des geringen Lohnes wegen lange nicht wieder, und kam er endlich, so arbeitete derselbe Mann viel mehr als vorher — wegen der Groschen, welche der Herr zulegte. Daher kam es, daß alles Volk, welches da herum lebte, die Arbeit lieb gewann und den weisen Don Antonio: denn er war keineswegs geizig. Er war den Faulen nur genau, damit sie emsig würden, und theilte sonst gern mit, wo es Noth that. Almosen jedoch gab er auch nur sparsam. Er sah lieber zu, wie er die Leute gründlich wieder aufbrächte, und pflegte darum nicht erst dann zu helfen,
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Zitationshilfe: | Kopisch, August: Ein Carnevalsfest auf Ischia. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–62. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_karnevalfest_1910/8>, abgerufen am 16.07.2024. |