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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Er mußte an den gestrigen Vorfall mit der Schwester denken und begriff es nun nicht, wie er sich zum "Nachgeben" habe verleiten lassen; er hatte die Regungen des Mitleides vergessen, die ihn selbst ergriffen hatten, als ihm die Mutter den gesegneten Zustand Madlena's berichtet, jene Regungen des Mitleides, die ihn in finsterer Nacht hinausgetrieben hatten, um an dem Fenster eines Hauses die Athemzüge -- einer Schwester zu belauschen.

Er fing an darüber nachzudenken, warum die Mutter selbst jetzt weicher und milder gegen die gefallene Tochter gestimmt sei; er war es sich dunkel bewußt, daß die Gewalt, die er so lange über das Gemüth der alten Frau ausgeübt hatte, von ihm gewichen sein mußte, -- oder hatte er sie nie besessen? --

Etwas mußte vorgefallen sein, kam er endlich zum Schlusse, so von mir nichts dir nichts ist das der Mamme nicht angekommen. Das Ganze ist, die Mamme ist wie alle Weiber und hat mit ihr Mitleid gehabt, wie sie es mit Jeder hätte, die in der Hoffnung ist. Etwas Anderes ist's gar nicht gewesen. Und endlich, wenn das Kind, das sie jetzt unter dem Herzen trägt, wirklich wird geboren sein, was ist dann vorgefallen? Wird man sich in meinem Haus darüber freuen? Wird es einen jüdischen Namen bekommen? Wird die Mamme die Hand können legen auf den Kopf des Kindes, um es zu benschen? Hat denn der Gallech (Geistliche) nicht schon seinen Wedel bereit und

Er mußte an den gestrigen Vorfall mit der Schwester denken und begriff es nun nicht, wie er sich zum „Nachgeben“ habe verleiten lassen; er hatte die Regungen des Mitleides vergessen, die ihn selbst ergriffen hatten, als ihm die Mutter den gesegneten Zustand Madlena's berichtet, jene Regungen des Mitleides, die ihn in finsterer Nacht hinausgetrieben hatten, um an dem Fenster eines Hauses die Athemzüge — einer Schwester zu belauschen.

Er fing an darüber nachzudenken, warum die Mutter selbst jetzt weicher und milder gegen die gefallene Tochter gestimmt sei; er war es sich dunkel bewußt, daß die Gewalt, die er so lange über das Gemüth der alten Frau ausgeübt hatte, von ihm gewichen sein mußte, — oder hatte er sie nie besessen? —

Etwas mußte vorgefallen sein, kam er endlich zum Schlusse, so von mir nichts dir nichts ist das der Mamme nicht angekommen. Das Ganze ist, die Mamme ist wie alle Weiber und hat mit ihr Mitleid gehabt, wie sie es mit Jeder hätte, die in der Hoffnung ist. Etwas Anderes ist's gar nicht gewesen. Und endlich, wenn das Kind, das sie jetzt unter dem Herzen trägt, wirklich wird geboren sein, was ist dann vorgefallen? Wird man sich in meinem Haus darüber freuen? Wird es einen jüdischen Namen bekommen? Wird die Mamme die Hand können legen auf den Kopf des Kindes, um es zu benschen? Hat denn der Gallech (Geistliche) nicht schon seinen Wedel bereit und

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/52>, abgerufen am 23.11.2024.