Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.wär's, sie werfen sich Beide in einen Teich, da, wo er am tiefsten ist. Tief erschüttert bedeckte Josseph mit der Hand sein Antlitz. Und ich hab' dich vor meiner Thür niederfallen lassen und hab' meinem Kind verboten, dir zu helfen! rief er mit gebrochener Stimme. Josseph! sagte Madlena vorwurfsvoll. Also deinem Mann zu Liebe hast du Alles gethan? fragte er ruhiger nach einer Weile. Wie hätt' ich anders können? sagte sie. Jüdisch hab' ich meine Kinder doch nicht aufziehen können, und eine Religion haben sie doch haben müssen! Eine Mutter muß ihren Kindern immer mit dem Beispiel vorangehen, vom Vater sehen sie das weniger. Hätt' ich mir also mein Gespött aus Gott gemacht, was hätten dann die Kinder gethan? Meine Kinder sind die frömmsten im Dorfe, und wenn der Pfarrer in der Schul' ausfragt, so weiß mein ältester Knabe den Katechismus am besten. Ich halt' ihn dazu auch an. Beide schwiegen dann eine geraume Zeit, endlich ergriff Josseph Madlena's Hand und sagte: Ich versteh' dich jetzt ganz; ich hab' nicht wissen können, was du Alles weißt; ich gesteh' dir ein, ich hab' groß Unrecht gehabt, und wenn du mir nicht verzeihen willst, Gott kann's nicht. Madlena saß still da, sie wagte durch kein Wort ihre innere Bewegung zu verrathen, aber die schweren wär's, sie werfen sich Beide in einen Teich, da, wo er am tiefsten ist. Tief erschüttert bedeckte Josseph mit der Hand sein Antlitz. Und ich hab' dich vor meiner Thür niederfallen lassen und hab' meinem Kind verboten, dir zu helfen! rief er mit gebrochener Stimme. Josseph! sagte Madlena vorwurfsvoll. Also deinem Mann zu Liebe hast du Alles gethan? fragte er ruhiger nach einer Weile. Wie hätt' ich anders können? sagte sie. Jüdisch hab' ich meine Kinder doch nicht aufziehen können, und eine Religion haben sie doch haben müssen! Eine Mutter muß ihren Kindern immer mit dem Beispiel vorangehen, vom Vater sehen sie das weniger. Hätt' ich mir also mein Gespött aus Gott gemacht, was hätten dann die Kinder gethan? Meine Kinder sind die frömmsten im Dorfe, und wenn der Pfarrer in der Schul' ausfragt, so weiß mein ältester Knabe den Katechismus am besten. Ich halt' ihn dazu auch an. Beide schwiegen dann eine geraume Zeit, endlich ergriff Josseph Madlena's Hand und sagte: Ich versteh' dich jetzt ganz; ich hab' nicht wissen können, was du Alles weißt; ich gesteh' dir ein, ich hab' groß Unrecht gehabt, und wenn du mir nicht verzeihen willst, Gott kann's nicht. Madlena saß still da, sie wagte durch kein Wort ihre innere Bewegung zu verrathen, aber die schweren <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="14"> <p><pb facs="#f0207"/> wär's, sie werfen sich Beide in einen Teich, da, wo er am tiefsten ist.</p><lb/> <p>Tief erschüttert bedeckte Josseph mit der Hand sein Antlitz.</p><lb/> <p>Und ich hab' dich vor meiner Thür niederfallen lassen und hab' meinem Kind verboten, dir zu helfen! rief er mit gebrochener Stimme.</p><lb/> <p>Josseph! sagte Madlena vorwurfsvoll.</p><lb/> <p>Also deinem Mann zu Liebe hast du Alles gethan? fragte er ruhiger nach einer Weile.</p><lb/> <p>Wie hätt' ich anders können? sagte sie. Jüdisch hab' ich meine Kinder doch nicht aufziehen können, und eine Religion haben sie doch haben müssen! Eine Mutter muß ihren Kindern immer mit dem Beispiel vorangehen, vom Vater sehen sie das weniger. Hätt' ich mir also mein Gespött aus Gott gemacht, was hätten dann die Kinder gethan? Meine Kinder sind die frömmsten im Dorfe, und wenn der Pfarrer in der Schul' ausfragt, so weiß mein ältester Knabe den Katechismus am besten. Ich halt' ihn dazu auch an.</p><lb/> <p>Beide schwiegen dann eine geraume Zeit, endlich ergriff Josseph Madlena's Hand und sagte:</p><lb/> <p>Ich versteh' dich jetzt ganz; ich hab' nicht wissen können, was du Alles weißt; ich gesteh' dir ein, ich hab' groß Unrecht gehabt, und wenn du mir nicht verzeihen willst, Gott kann's nicht.</p><lb/> <p>Madlena saß still da, sie wagte durch kein Wort ihre innere Bewegung zu verrathen, aber die schweren<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0207]
wär's, sie werfen sich Beide in einen Teich, da, wo er am tiefsten ist.
Tief erschüttert bedeckte Josseph mit der Hand sein Antlitz.
Und ich hab' dich vor meiner Thür niederfallen lassen und hab' meinem Kind verboten, dir zu helfen! rief er mit gebrochener Stimme.
Josseph! sagte Madlena vorwurfsvoll.
Also deinem Mann zu Liebe hast du Alles gethan? fragte er ruhiger nach einer Weile.
Wie hätt' ich anders können? sagte sie. Jüdisch hab' ich meine Kinder doch nicht aufziehen können, und eine Religion haben sie doch haben müssen! Eine Mutter muß ihren Kindern immer mit dem Beispiel vorangehen, vom Vater sehen sie das weniger. Hätt' ich mir also mein Gespött aus Gott gemacht, was hätten dann die Kinder gethan? Meine Kinder sind die frömmsten im Dorfe, und wenn der Pfarrer in der Schul' ausfragt, so weiß mein ältester Knabe den Katechismus am besten. Ich halt' ihn dazu auch an.
Beide schwiegen dann eine geraume Zeit, endlich ergriff Josseph Madlena's Hand und sagte:
Ich versteh' dich jetzt ganz; ich hab' nicht wissen können, was du Alles weißt; ich gesteh' dir ein, ich hab' groß Unrecht gehabt, und wenn du mir nicht verzeihen willst, Gott kann's nicht.
Madlena saß still da, sie wagte durch kein Wort ihre innere Bewegung zu verrathen, aber die schweren
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Zitationshilfe: | Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/207>, abgerufen am 23.06.2024. |