Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Gesegnet sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden. Gesegnet sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Gesegnet sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen. Seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl gehen, und ihr werdet belohnt werden. Denn also haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen. Josseph hielt inne. Die eigenthümliche Redeweise und die sonderbaren Segnungen, die er noch in keinem Gebetbuche gefunden, verwirrten ihn; er hatte von dem Manuscripte ganz Anderes erwartet. Der erste Eindruck dieser herrlichen Sätze war bei ihm Ueberraschung. Der Urdede soll das wirklich geschrieben haben? fragte er. Du hörst ja, wie er schreibt, daß sie ihn verfolgt haben gleich wie die Propheten, die vor ihm gewesen sind, erklärte Marjim, es ist gar von keinem Andern die Red' als von ihm. Josseph las weiter; wieder mußte er einige verwitterte Blätter zur Seite legen. Denn ich sage euch, es sei denn eure Gerechtigkeit besser, denn der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wieder unterbrach sich Josseph und begann ungläubig zu werden. Gesegnet sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden. Gesegnet sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Gesegnet sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen. Seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl gehen, und ihr werdet belohnt werden. Denn also haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen. Josseph hielt inne. Die eigenthümliche Redeweise und die sonderbaren Segnungen, die er noch in keinem Gebetbuche gefunden, verwirrten ihn; er hatte von dem Manuscripte ganz Anderes erwartet. Der erste Eindruck dieser herrlichen Sätze war bei ihm Ueberraschung. Der Urdede soll das wirklich geschrieben haben? fragte er. Du hörst ja, wie er schreibt, daß sie ihn verfolgt haben gleich wie die Propheten, die vor ihm gewesen sind, erklärte Marjim, es ist gar von keinem Andern die Red' als von ihm. Josseph las weiter; wieder mußte er einige verwitterte Blätter zur Seite legen. Denn ich sage euch, es sei denn eure Gerechtigkeit besser, denn der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wieder unterbrach sich Josseph und begann ungläubig zu werden. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="12"> <pb facs="#f0182"/> <p>Gesegnet sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.</p><lb/> <p>Gesegnet sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.</p><lb/> <p>Gesegnet sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.</p><lb/> <p>Seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl gehen, und ihr werdet belohnt werden. Denn also haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen.</p><lb/> <p>Josseph hielt inne. Die eigenthümliche Redeweise und die sonderbaren Segnungen, die er noch in keinem Gebetbuche gefunden, verwirrten ihn; er hatte von dem Manuscripte ganz Anderes erwartet. Der erste Eindruck dieser herrlichen Sätze war bei ihm Ueberraschung.</p><lb/> <p>Der Urdede soll das wirklich geschrieben haben? fragte er.</p><lb/> <p>Du hörst ja, wie er schreibt, daß sie ihn verfolgt haben gleich wie die Propheten, die vor ihm gewesen sind, erklärte Marjim, es ist gar von keinem Andern die Red' als von ihm.</p><lb/> <p>Josseph las weiter; wieder mußte er einige verwitterte Blätter zur Seite legen.</p><lb/> <p>Denn ich sage euch, es sei denn eure Gerechtigkeit besser, denn der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.</p><lb/> <p>Wieder unterbrach sich Josseph und begann ungläubig zu werden.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0182]
Gesegnet sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.
Gesegnet sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Gesegnet sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.
Seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl gehen, und ihr werdet belohnt werden. Denn also haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen.
Josseph hielt inne. Die eigenthümliche Redeweise und die sonderbaren Segnungen, die er noch in keinem Gebetbuche gefunden, verwirrten ihn; er hatte von dem Manuscripte ganz Anderes erwartet. Der erste Eindruck dieser herrlichen Sätze war bei ihm Ueberraschung.
Der Urdede soll das wirklich geschrieben haben? fragte er.
Du hörst ja, wie er schreibt, daß sie ihn verfolgt haben gleich wie die Propheten, die vor ihm gewesen sind, erklärte Marjim, es ist gar von keinem Andern die Red' als von ihm.
Josseph las weiter; wieder mußte er einige verwitterte Blätter zur Seite legen.
Denn ich sage euch, es sei denn eure Gerechtigkeit besser, denn der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.
Wieder unterbrach sich Josseph und begann ungläubig zu werden.
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Zitationshilfe: | Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/182>, abgerufen am 23.06.2024. |