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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Da habt Ihr's, da könnt Ihr's sehen, ob das auf Eure Geistlichen paßt. Da ist nur von Jüden die Red', von keinem Priester und von keinem Kirchengewölb. Ja, gebenscht ist der, der seinen Vater und seine Mutter und seine Schwester nicht kennt, gebenscht bis ins hundertste Glied, und der Herr zerschlägt den Rücken derer, die sich wider ihn auflehnen, und derer, die ihn hassen, daß sie nicht aufkommen. -- --

Der Lehrer schlug nach diesen Worten Josseph's die Bibel zu und endigte den Unterricht. Gab es da eine Verständigung? Wer von den Beiden war da im Recht?

8. Auf freiem Felde.

So hatte denn Josseph wieder eine Art Ruhe für sich gewonnen, jenes Gefühl stolzer Siegestrunkenheit, wie es Naturen seines Schlages erringen müssen, um überhaupt zu bestehen. Mehr als sonst war er jetzt zur Thätigkeit aufgelegt; sein Haß hatte nun sein geschriebenes Zeugniß, und der das Siegel darauf gedrückt hatte, war Gott selbst!

Mit Blut und Leben hätte er nun sein Recht zum Hasse aller Welt bewiesen; er hatte die geistige Gewähr dafür gefunden, die leibliche wollte er selbst zur Schau tragen, wo und wann ihm die Gelegenheit sich bot. Naturen solcher Richtung, eben so stark im Hassen

Da habt Ihr's, da könnt Ihr's sehen, ob das auf Eure Geistlichen paßt. Da ist nur von Jüden die Red', von keinem Priester und von keinem Kirchengewölb. Ja, gebenscht ist der, der seinen Vater und seine Mutter und seine Schwester nicht kennt, gebenscht bis ins hundertste Glied, und der Herr zerschlägt den Rücken derer, die sich wider ihn auflehnen, und derer, die ihn hassen, daß sie nicht aufkommen. — —

Der Lehrer schlug nach diesen Worten Josseph's die Bibel zu und endigte den Unterricht. Gab es da eine Verständigung? Wer von den Beiden war da im Recht?

8. Auf freiem Felde.

So hatte denn Josseph wieder eine Art Ruhe für sich gewonnen, jenes Gefühl stolzer Siegestrunkenheit, wie es Naturen seines Schlages erringen müssen, um überhaupt zu bestehen. Mehr als sonst war er jetzt zur Thätigkeit aufgelegt; sein Haß hatte nun sein geschriebenes Zeugniß, und der das Siegel darauf gedrückt hatte, war Gott selbst!

Mit Blut und Leben hätte er nun sein Recht zum Hasse aller Welt bewiesen; er hatte die geistige Gewähr dafür gefunden, die leibliche wollte er selbst zur Schau tragen, wo und wann ihm die Gelegenheit sich bot. Naturen solcher Richtung, eben so stark im Hassen

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[0114] Da habt Ihr's, da könnt Ihr's sehen, ob das auf Eure Geistlichen paßt. Da ist nur von Jüden die Red', von keinem Priester und von keinem Kirchengewölb. Ja, gebenscht ist der, der seinen Vater und seine Mutter und seine Schwester nicht kennt, gebenscht bis ins hundertste Glied, und der Herr zerschlägt den Rücken derer, die sich wider ihn auflehnen, und derer, die ihn hassen, daß sie nicht aufkommen. — — Der Lehrer schlug nach diesen Worten Josseph's die Bibel zu und endigte den Unterricht. Gab es da eine Verständigung? Wer von den Beiden war da im Recht? 8. Auf freiem Felde. So hatte denn Josseph wieder eine Art Ruhe für sich gewonnen, jenes Gefühl stolzer Siegestrunkenheit, wie es Naturen seines Schlages erringen müssen, um überhaupt zu bestehen. Mehr als sonst war er jetzt zur Thätigkeit aufgelegt; sein Haß hatte nun sein geschriebenes Zeugniß, und der das Siegel darauf gedrückt hatte, war Gott selbst! Mit Blut und Leben hätte er nun sein Recht zum Hasse aller Welt bewiesen; er hatte die geistige Gewähr dafür gefunden, die leibliche wollte er selbst zur Schau tragen, wo und wann ihm die Gelegenheit sich bot. Naturen solcher Richtung, eben so stark im Hassen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/114>, abgerufen am 17.05.2024.