Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite
Eilfte Vorlesung.

Innere Ausbil-
dung von Kopf
und Hals.
Was den Kopf und Hals anlangt, so geschieht die innere Aus-
bildung derselben zwar im Wesentlichen nach denselben Gesetzen,
wie sie beim Rumpfe dargelegt wurden, es zeigt sich jedoch hier der
bedeutende Unterschied, einmal, dass die Urwirbelplatten und Sei-
tenplatten mit einander verbunden bleiben, und zweitens, dass die-
selben auch nicht in der Längsrichtung in einzelne Stücke sich son-
dern, mit andern Worten: es finden sich am Kopfe keine Urwirbel und
auch später, so lange derselbe noch knorplig ist, keine Wirbelabthei-
lungen und eben so wenig Bildungen, welche den häutigen oder
weichen Anlagen der Bogen verglichen werden könnten. Im Ein-
zelnen gestalten sich die Haupterscheinungen folgendermaassen.

Bildung des
Schädels.
Die Urwirbelplatten umwachsen mit ihren innern Theilen die
Chorda früh von oben und von unten und stellen so eine häutige
Anlage der Schädelbasis dar. Später umgeben sie mit ihren obern
Theilen nach Analogie der Membrana reuniens superior der Wirbel-
säule auch das Gehirn und bilden so eine häutige Schädelkapsel, die
dann nachher in einen äussern Theil, die Haut, und einen innern,
die eigentliche häutige Schädelkapsel sich differenzirt. In den
Bauchwänden des Kopfes und Halses erleiden die ursprünglich
dieselben mit dem Hornblatte zusammensetzenden Seitenplatten
später eine Verdickung, die von den mit ihnen verschmolzenen Ur-
wirbelplatten ausgeht und nach und nach auf die Seitenwände über-
geht, jedoch die Mittellinie der vordern Wand anfänglich nicht er-
Schlundplatten.reicht. Dann bilden sich seitlich je 4 Spalten, die Schlund- oder
Kiemenspalten, welche von aussen bis in den Schlund führen,
und vor der ersten Spalte in der untern Mittellinie unter dem Ende
des Gehirns entsteht durch Einbuchtung und Durchbrechen von
Mund.aussen der Mund. Die die erste, zweite und dritte Spalte von vorn
her begrenzenden Theile der Schlundwände verdicken sich und
Schlundbogen.heissen die Schlundbogen, und aus diesen entwickeln sich
dann, wie wir später sehen werden, wenn die Schlundspalten, mit
Ausnahme der ersten, die zum äusseren und mittleren Ohre wird,
schon lange geschlossen sind, das Zungenbein, die Gehörknöchel-
chen und noch einige andere Theile des Kopfskeletts.

Hiermit schliesse ich die zusammenhängende Betrachtung der
Entwicklung des Hühnchens ab, indem ich Ihnen nun das nöthige
Material an die Hand gegeben habe, aus dem Sie das Gesetzmässige
in der Entwicklung der Wirbelthiere zu erkennen und herzuleiten
im Stande sind. Nehmen Sie als Ausgangspunct eine Embryonal-

Eilfte Vorlesung.

Innere Ausbil-
dung von Kopf
und Hals.
Was den Kopf und Hals anlangt, so geschieht die innere Aus-
bildung derselben zwar im Wesentlichen nach denselben Gesetzen,
wie sie beim Rumpfe dargelegt wurden, es zeigt sich jedoch hier der
bedeutende Unterschied, einmal, dass die Urwirbelplatten und Sei-
tenplatten mit einander verbunden bleiben, und zweitens, dass die-
selben auch nicht in der Längsrichtung in einzelne Stücke sich son-
dern, mit andern Worten: es finden sich am Kopfe keine Urwirbel und
auch später, so lange derselbe noch knorplig ist, keine Wirbelabthei-
lungen und eben so wenig Bildungen, welche den häutigen oder
weichen Anlagen der Bogen verglichen werden könnten. Im Ein-
zelnen gestalten sich die Haupterscheinungen folgendermaassen.

Bildung des
Schädels.
Die Urwirbelplatten umwachsen mit ihren innern Theilen die
Chorda früh von oben und von unten und stellen so eine häutige
Anlage der Schädelbasis dar. Später umgeben sie mit ihren obern
Theilen nach Analogie der Membrana reuniens superior der Wirbel-
säule auch das Gehirn und bilden so eine häutige Schädelkapsel, die
dann nachher in einen äussern Theil, die Haut, und einen innern,
die eigentliche häutige Schädelkapsel sich differenzirt. In den
Bauchwänden des Kopfes und Halses erleiden die ursprünglich
dieselben mit dem Hornblatte zusammensetzenden Seitenplatten
später eine Verdickung, die von den mit ihnen verschmolzenen Ur-
wirbelplatten ausgeht und nach und nach auf die Seitenwände über-
geht, jedoch die Mittellinie der vordern Wand anfänglich nicht er-
Schlundplatten.reicht. Dann bilden sich seitlich je 4 Spalten, die Schlund- oder
Kiemenspalten, welche von aussen bis in den Schlund führen,
und vor der ersten Spalte in der untern Mittellinie unter dem Ende
des Gehirns entsteht durch Einbuchtung und Durchbrechen von
Mund.aussen der Mund. Die die erste, zweite und dritte Spalte von vorn
her begrenzenden Theile der Schlundwände verdicken sich und
Schlundbogen.heissen die Schlundbogen, und aus diesen entwickeln sich
dann, wie wir später sehen werden, wenn die Schlundspalten, mit
Ausnahme der ersten, die zum äusseren und mittleren Ohre wird,
schon lange geschlossen sind, das Zungenbein, die Gehörknöchel-
chen und noch einige andere Theile des Kopfskeletts.

Hiermit schliesse ich die zusammenhängende Betrachtung der
Entwicklung des Hühnchens ab, indem ich Ihnen nun das nöthige
Material an die Hand gegeben habe, aus dem Sie das Gesetzmässige
in der Entwicklung der Wirbelthiere zu erkennen und herzuleiten
im Stande sind. Nehmen Sie als Ausgangspunct eine Embryonal-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0086" n="70"/>
        <fw place="top" type="header">Eilfte Vorlesung.</fw><lb/>
        <p><note place="left">Innere Ausbil-<lb/>
dung von Kopf<lb/>
und Hals.</note>Was den <hi rendition="#g">Kopf</hi> und <hi rendition="#g">Hals</hi> anlangt, so geschieht die innere Aus-<lb/>
bildung derselben zwar im Wesentlichen nach denselben Gesetzen,<lb/>
wie sie beim Rumpfe dargelegt wurden, es zeigt sich jedoch hier der<lb/>
bedeutende Unterschied, einmal, dass die Urwirbelplatten und Sei-<lb/>
tenplatten mit einander verbunden bleiben, und zweitens, dass die-<lb/>
selben auch nicht in der Längsrichtung in einzelne Stücke sich son-<lb/>
dern, mit andern Worten: es finden sich am Kopfe keine Urwirbel und<lb/>
auch später, so lange derselbe noch knorplig ist, keine Wirbelabthei-<lb/>
lungen und eben so wenig Bildungen, welche den häutigen oder<lb/>
weichen Anlagen der Bogen verglichen werden könnten. Im Ein-<lb/>
zelnen gestalten sich die Haupterscheinungen folgendermaassen.</p><lb/>
        <p><note place="left">Bildung des<lb/>
Schädels.</note>Die Urwirbelplatten umwachsen mit ihren innern Theilen die<lb/>
Chorda früh von oben und von unten und stellen so eine häutige<lb/>
Anlage der Schädelbasis dar. Später umgeben sie mit ihren obern<lb/>
Theilen nach Analogie der <hi rendition="#i">Membrana reuniens superior</hi> der Wirbel-<lb/>
säule auch das Gehirn und bilden so eine häutige Schädelkapsel, die<lb/>
dann nachher in einen äussern Theil, die Haut, und einen innern,<lb/>
die eigentliche häutige Schädelkapsel sich differenzirt. In den<lb/>
Bauchwänden des Kopfes und Halses erleiden die ursprünglich<lb/>
dieselben mit dem Hornblatte zusammensetzenden Seitenplatten<lb/>
später eine Verdickung, die von den mit ihnen verschmolzenen Ur-<lb/>
wirbelplatten ausgeht und nach und nach auf die Seitenwände über-<lb/>
geht, jedoch die Mittellinie der vordern Wand anfänglich nicht er-<lb/><note place="left">Schlundplatten.</note>reicht. Dann bilden sich seitlich je 4 Spalten, die <hi rendition="#g">Schlund-</hi> oder<lb/><hi rendition="#g">Kiemenspalten,</hi> welche von aussen bis in den Schlund führen,<lb/>
und vor der ersten Spalte in der untern Mittellinie unter dem Ende<lb/>
des Gehirns entsteht durch Einbuchtung und Durchbrechen von<lb/><note place="left">Mund.</note>aussen der <hi rendition="#g">Mund.</hi> Die die erste, zweite und dritte Spalte von <hi rendition="#g">vorn</hi><lb/>
her begrenzenden Theile der Schlundwände verdicken sich und<lb/><note place="left">Schlundbogen.</note>heissen die <hi rendition="#g">Schlundbogen,</hi> und aus diesen entwickeln sich<lb/>
dann, wie wir später sehen werden, wenn die Schlundspalten, mit<lb/>
Ausnahme der ersten, die zum äusseren und mittleren Ohre wird,<lb/>
schon lange geschlossen sind, das Zungenbein, die Gehörknöchel-<lb/>
chen und noch einige andere Theile des Kopfskeletts.</p><lb/>
        <p>Hiermit schliesse ich die zusammenhängende Betrachtung der<lb/>
Entwicklung des Hühnchens ab, indem ich Ihnen nun das nöthige<lb/>
Material an die Hand gegeben habe, aus dem Sie das Gesetzmässige<lb/>
in der Entwicklung der Wirbelthiere zu erkennen und herzuleiten<lb/>
im Stande sind. Nehmen Sie als Ausgangspunct eine Embryonal-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0086] Eilfte Vorlesung. Was den Kopf und Hals anlangt, so geschieht die innere Aus- bildung derselben zwar im Wesentlichen nach denselben Gesetzen, wie sie beim Rumpfe dargelegt wurden, es zeigt sich jedoch hier der bedeutende Unterschied, einmal, dass die Urwirbelplatten und Sei- tenplatten mit einander verbunden bleiben, und zweitens, dass die- selben auch nicht in der Längsrichtung in einzelne Stücke sich son- dern, mit andern Worten: es finden sich am Kopfe keine Urwirbel und auch später, so lange derselbe noch knorplig ist, keine Wirbelabthei- lungen und eben so wenig Bildungen, welche den häutigen oder weichen Anlagen der Bogen verglichen werden könnten. Im Ein- zelnen gestalten sich die Haupterscheinungen folgendermaassen. Innere Ausbil- dung von Kopf und Hals. Die Urwirbelplatten umwachsen mit ihren innern Theilen die Chorda früh von oben und von unten und stellen so eine häutige Anlage der Schädelbasis dar. Später umgeben sie mit ihren obern Theilen nach Analogie der Membrana reuniens superior der Wirbel- säule auch das Gehirn und bilden so eine häutige Schädelkapsel, die dann nachher in einen äussern Theil, die Haut, und einen innern, die eigentliche häutige Schädelkapsel sich differenzirt. In den Bauchwänden des Kopfes und Halses erleiden die ursprünglich dieselben mit dem Hornblatte zusammensetzenden Seitenplatten später eine Verdickung, die von den mit ihnen verschmolzenen Ur- wirbelplatten ausgeht und nach und nach auf die Seitenwände über- geht, jedoch die Mittellinie der vordern Wand anfänglich nicht er- reicht. Dann bilden sich seitlich je 4 Spalten, die Schlund- oder Kiemenspalten, welche von aussen bis in den Schlund führen, und vor der ersten Spalte in der untern Mittellinie unter dem Ende des Gehirns entsteht durch Einbuchtung und Durchbrechen von aussen der Mund. Die die erste, zweite und dritte Spalte von vorn her begrenzenden Theile der Schlundwände verdicken sich und heissen die Schlundbogen, und aus diesen entwickeln sich dann, wie wir später sehen werden, wenn die Schlundspalten, mit Ausnahme der ersten, die zum äusseren und mittleren Ohre wird, schon lange geschlossen sind, das Zungenbein, die Gehörknöchel- chen und noch einige andere Theile des Kopfskeletts. Bildung des Schädels. Schlundplatten. Mund. Schlundbogen. Hiermit schliesse ich die zusammenhängende Betrachtung der Entwicklung des Hühnchens ab, indem ich Ihnen nun das nöthige Material an die Hand gegeben habe, aus dem Sie das Gesetzmässige in der Entwicklung der Wirbelthiere zu erkennen und herzuleiten im Stande sind. Nehmen Sie als Ausgangspunct eine Embryonal-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/86
Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/86>, abgerufen am 01.05.2024.