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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Sechsunddreissigste Vorlesung.
der schwammige Bau auf die innersten Lagen allein beschränkt ist.
Dass das Herzfleisch, wie andere Muskeln, aus spindel- und stern-
förmigen Muskelzellen sich aufbaut, habe ich schon vor einigen Jah-
[Abbildung] Fig. 202.
ren gezeigt (Handbuch der
Geweb. St. 607), doch scheint
aus den Untersuchungen von
Weissman, der das Vorkom-
men dieser Zellen bestätigt
(Müll. Arch. 1861. 1), her-
vorzugehen, dass dieselben
nicht nur durch Anastomo-
senbildung, wie ich annahm, sondern auch durch einfache Aneinan-
derlagerung zu den Muskelbündeln des fertigen Herzens sich umbil-
den. Nach meinen bisherigen Ermittelungen scheint es, dass die
Bildung der genannten Muskelzellen in der Mitte der Embryonal-
periode abschliesst, und dass das gesammte Wachsthum des Herzens
in späterer Zeit einzig und allein auf Kosten des Wachsthums der
schon vorhandenen Elemente geschieht.

Theilung des
Truncus
arteriosus
.
Gleichzeitig mit der Ausbildung des Septum ventriculorum tritt
auch die Theilung des Truncus arteriosus in Arteria pulmonalis und
bleibende Aorta ein, welche, obgleich scheinbar nur die Fortsetzung
des Vorganges, der bei der Trennung der Kammern statt hat, doch
von demselben wohl zu unterscheiden ist. Während nämlich bei den
Kammern die Herzmuskulatur selbst hervorwuchert und schliess-
lich zu einem vollständigen Septum sich umbildet, ist es bei der pri-
mitiven Aorta die mehr bindegewebige Gefässwand, welche die
Trennung bewirkt. Es kann daher auch die Scheidung des Truncus
arteriosus
nicht so beschrieben werden, als ob sie durch ein Herein-
wachsen des Kammerseptums geschähe, wie am deutlichsten auch
daraus hervorgeht, dass bei gewissen Geschöpfen die Aorta zu einer
Zeit sich theilt, zu welcher die Kammer noch einfach ist. So bei der
Natter nach Rathke (Entw. d. Natter. St. 165), bei der zur Zeit, wo
der Truncus arteriosus in drei Gefässe zerfällt, die Kammer noch
keine Spur eines Septum besitzt. Es kann daher auch, wie Rathke
mit Recht bemerkt, die Ursache der Trennung der primitiven Aorta
in zwei Kanäle nicht mit v. Baer in gewissen Besonderheiten der Cir-

[Abbildung]

Fig. 202. Muskelzellen aus den Herzkammern eines neun Wochen alten
menschlichen Embryo. 350mal vergrössert.

Sechsunddreissigste Vorlesung.
der schwammige Bau auf die innersten Lagen allein beschränkt ist.
Dass das Herzfleisch, wie andere Muskeln, aus spindel- und stern-
förmigen Muskelzellen sich aufbaut, habe ich schon vor einigen Jah-
[Abbildung] Fig. 202.
ren gezeigt (Handbuch der
Geweb. St. 607), doch scheint
aus den Untersuchungen von
Weissman, der das Vorkom-
men dieser Zellen bestätigt
(Müll. Arch. 1861. 1), her-
vorzugehen, dass dieselben
nicht nur durch Anastomo-
senbildung, wie ich annahm, sondern auch durch einfache Aneinan-
derlagerung zu den Muskelbündeln des fertigen Herzens sich umbil-
den. Nach meinen bisherigen Ermittelungen scheint es, dass die
Bildung der genannten Muskelzellen in der Mitte der Embryonal-
periode abschliesst, und dass das gesammte Wachsthum des Herzens
in späterer Zeit einzig und allein auf Kosten des Wachsthums der
schon vorhandenen Elemente geschieht.

Theilung des
Truncus
arteriosus
.
Gleichzeitig mit der Ausbildung des Septum ventriculorum tritt
auch die Theilung des Truncus arteriosus in Arteria pulmonalis und
bleibende Aorta ein, welche, obgleich scheinbar nur die Fortsetzung
des Vorganges, der bei der Trennung der Kammern statt hat, doch
von demselben wohl zu unterscheiden ist. Während nämlich bei den
Kammern die Herzmuskulatur selbst hervorwuchert und schliess-
lich zu einem vollständigen Septum sich umbildet, ist es bei der pri-
mitiven Aorta die mehr bindegewebige Gefässwand, welche die
Trennung bewirkt. Es kann daher auch die Scheidung des Truncus
arteriosus
nicht so beschrieben werden, als ob sie durch ein Herein-
wachsen des Kammerseptums geschähe, wie am deutlichsten auch
daraus hervorgeht, dass bei gewissen Geschöpfen die Aorta zu einer
Zeit sich theilt, zu welcher die Kammer noch einfach ist. So bei der
Natter nach Rathke (Entw. d. Natter. St. 165), bei der zur Zeit, wo
der Truncus arteriosus in drei Gefässe zerfällt, die Kammer noch
keine Spur eines Septum besitzt. Es kann daher auch, wie Rathke
mit Recht bemerkt, die Ursache der Trennung der primitiven Aorta
in zwei Kanäle nicht mit v. Baer in gewissen Besonderheiten der Cir-

[Abbildung]

Fig. 202. Muskelzellen aus den Herzkammern eines neun Wochen alten
menschlichen Embryo. 350mal vergrössert.

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[404/0420] Sechsunddreissigste Vorlesung. der schwammige Bau auf die innersten Lagen allein beschränkt ist. Dass das Herzfleisch, wie andere Muskeln, aus spindel- und stern- förmigen Muskelzellen sich aufbaut, habe ich schon vor einigen Jah- [Abbildung Fig. 202.] ren gezeigt (Handbuch der Geweb. St. 607), doch scheint aus den Untersuchungen von Weissman, der das Vorkom- men dieser Zellen bestätigt (Müll. Arch. 1861. 1), her- vorzugehen, dass dieselben nicht nur durch Anastomo- senbildung, wie ich annahm, sondern auch durch einfache Aneinan- derlagerung zu den Muskelbündeln des fertigen Herzens sich umbil- den. Nach meinen bisherigen Ermittelungen scheint es, dass die Bildung der genannten Muskelzellen in der Mitte der Embryonal- periode abschliesst, und dass das gesammte Wachsthum des Herzens in späterer Zeit einzig und allein auf Kosten des Wachsthums der schon vorhandenen Elemente geschieht. Gleichzeitig mit der Ausbildung des Septum ventriculorum tritt auch die Theilung des Truncus arteriosus in Arteria pulmonalis und bleibende Aorta ein, welche, obgleich scheinbar nur die Fortsetzung des Vorganges, der bei der Trennung der Kammern statt hat, doch von demselben wohl zu unterscheiden ist. Während nämlich bei den Kammern die Herzmuskulatur selbst hervorwuchert und schliess- lich zu einem vollständigen Septum sich umbildet, ist es bei der pri- mitiven Aorta die mehr bindegewebige Gefässwand, welche die Trennung bewirkt. Es kann daher auch die Scheidung des Truncus arteriosus nicht so beschrieben werden, als ob sie durch ein Herein- wachsen des Kammerseptums geschähe, wie am deutlichsten auch daraus hervorgeht, dass bei gewissen Geschöpfen die Aorta zu einer Zeit sich theilt, zu welcher die Kammer noch einfach ist. So bei der Natter nach Rathke (Entw. d. Natter. St. 165), bei der zur Zeit, wo der Truncus arteriosus in drei Gefässe zerfällt, die Kammer noch keine Spur eines Septum besitzt. Es kann daher auch, wie Rathke mit Recht bemerkt, die Ursache der Trennung der primitiven Aorta in zwei Kanäle nicht mit v. Baer in gewissen Besonderheiten der Cir- [Abbildung Fig. 202. Muskelzellen aus den Herzkammern eines neun Wochen alten menschlichen Embryo. 350mal vergrössert.] Theilung des Truncus arteriosus.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/420>, abgerufen am 22.11.2024.