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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Achtundzwanzigste Vorlesung.
bildung von demselben vorlegen (Fig. 137, 2) die eigentlich zur Ent-
wicklung der Geruchsorgane gehört, an welchen die Linsengrube
[Abbildung] Fig. 137.
noch durch eine enge Oeff-
nung nach aussen mündet.
Was die Säugethiere und den
Menschen anlangt, so ist die
erste Bildung der Linse noch
gänzlich unbekannt, indem
auch Bischoff, der so viele
junge Säugethierembryonen
untersucht hat, in dieser Be-
ziehung durchaus nichts meldet. Immerhin ist nicht im Geringsten
zu bezweifeln, dass auch hier die Linse wesentlich in der nämlichen
Weise sich bildet wie beim Hühnchen, und stütze ich mich bei die-
sem Ausspruche auf eine Reihe Beobachtungen über die allerersten
Zustände des eben entstandenen Organes. Schon Valentin meldet
aus einer Zeit, wo man von Zellen noch nichts wusste, dass die
Linse eines 6''' langen Schaaffötus an der ganzen Peripherie und fast
bis zur Mitte aus Bläschen, zwischen denen schuppenförmige Körper
lagen, zusammengesetzt war, allein diese Beobachtung kann als nicht
ganz zuverlässig -- indem unter den grossen Bläschen wahrschein-
lich nichts als die bekannten grossen Eiweisstropfen aus den Linsen-
fasern gemeint sind -- keine weitere Verwerthung finden. Dagegen
habe ich bei einem 7''' langen Schaaffötus die Linse ganz und gar aus
kleinen kernhaltigen Zellen zusammengesetzt gefunden (Mikr. Anat. II.
St. 730) und bei einem acht bis neun Wochen alten Embryo des Men-
schen traf ich die ganze Linse von zarten spindelförmigen Zellen ge-
bildet. Diesen Erfahrungen kann ich jetzt noch die wichtige über die
Linse eines vier Wochen alten menschlichen Embryo anreihen. Diese
Linse von 0,06''' Gesammtdurchmesser, die Sie in der Fig. 138 dar-
gestellt finden, war hohl wie die ebengebildete Linse des Hühner-
[Abbildung]

Fig. 137. Kopf eines Hühnerembryo vom dritten Tage, vergr., Chromsäure-
präparat. 1. von vorn, 2. von der Seite. n Geruchsgrübchen, l Linse mit einer
runden Oeffnung, durch die ihre Höhle nach aussen mündet, gl Augenspalte,
die mit der Bildung des Glaskörpers zusammenhängt und vom Rande der Linse
auf den Sehnerven oder Augenstiel übergeht, jedoch nicht deutlich genug aus-
gefallen ist. o Oberkieferfortsatz des ersten Kiemenbogens, u Unterkieferfort-
satz desselben, g Gehörbläschen durch eine runde Oeffnung nach aussen mün-
dend. Ausserdem sind noch der zweite und dritte Kiemenbogen und in der
Fig. 1 auch die Mundspalte sichtbar.

Achtundzwanzigste Vorlesung.
bildung von demselben vorlegen (Fig. 137, 2) die eigentlich zur Ent-
wicklung der Geruchsorgane gehört, an welchen die Linsengrube
[Abbildung] Fig. 137.
noch durch eine enge Oeff-
nung nach aussen mündet.
Was die Säugethiere und den
Menschen anlangt, so ist die
erste Bildung der Linse noch
gänzlich unbekannt, indem
auch Bischoff, der so viele
junge Säugethierembryonen
untersucht hat, in dieser Be-
ziehung durchaus nichts meldet. Immerhin ist nicht im Geringsten
zu bezweifeln, dass auch hier die Linse wesentlich in der nämlichen
Weise sich bildet wie beim Hühnchen, und stütze ich mich bei die-
sem Ausspruche auf eine Reihe Beobachtungen über die allerersten
Zustände des eben entstandenen Organes. Schon Valentin meldet
aus einer Zeit, wo man von Zellen noch nichts wusste, dass die
Linse eines 6‴ langen Schaaffötus an der ganzen Peripherie und fast
bis zur Mitte aus Bläschen, zwischen denen schuppenförmige Körper
lagen, zusammengesetzt war, allein diese Beobachtung kann als nicht
ganz zuverlässig — indem unter den grossen Bläschen wahrschein-
lich nichts als die bekannten grossen Eiweisstropfen aus den Linsen-
fasern gemeint sind — keine weitere Verwerthung finden. Dagegen
habe ich bei einem 7‴ langen Schaaffötus die Linse ganz und gar aus
kleinen kernhaltigen Zellen zusammengesetzt gefunden (Mikr. Anat. II.
St. 730) und bei einem acht bis neun Wochen alten Embryo des Men-
schen traf ich die ganze Linse von zarten spindelförmigen Zellen ge-
bildet. Diesen Erfahrungen kann ich jetzt noch die wichtige über die
Linse eines vier Wochen alten menschlichen Embryo anreihen. Diese
Linse von 0,06‴ Gesammtdurchmesser, die Sie in der Fig. 138 dar-
gestellt finden, war hohl wie die ebengebildete Linse des Hühner-
[Abbildung]

Fig. 137. Kopf eines Hühnerembryo vom dritten Tage, vergr., Chromsäure-
präparat. 1. von vorn, 2. von der Seite. n Geruchsgrübchen, l Linse mit einer
runden Oeffnung, durch die ihre Höhle nach aussen mündet, gl Augenspalte,
die mit der Bildung des Glaskörpers zusammenhängt und vom Rande der Linse
auf den Sehnerven oder Augenstiel übergeht, jedoch nicht deutlich genug aus-
gefallen ist. o Oberkieferfortsatz des ersten Kiemenbogens, u Unterkieferfort-
satz desselben, g Gehörbläschen durch eine runde Oeffnung nach aussen mün-
dend. Ausserdem sind noch der zweite und dritte Kiemenbogen und in der
Fig. 1 auch die Mundspalte sichtbar.

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[278/0294] Achtundzwanzigste Vorlesung. bildung von demselben vorlegen (Fig. 137, 2) die eigentlich zur Ent- wicklung der Geruchsorgane gehört, an welchen die Linsengrube [Abbildung Fig. 137.] noch durch eine enge Oeff- nung nach aussen mündet. Was die Säugethiere und den Menschen anlangt, so ist die erste Bildung der Linse noch gänzlich unbekannt, indem auch Bischoff, der so viele junge Säugethierembryonen untersucht hat, in dieser Be- ziehung durchaus nichts meldet. Immerhin ist nicht im Geringsten zu bezweifeln, dass auch hier die Linse wesentlich in der nämlichen Weise sich bildet wie beim Hühnchen, und stütze ich mich bei die- sem Ausspruche auf eine Reihe Beobachtungen über die allerersten Zustände des eben entstandenen Organes. Schon Valentin meldet aus einer Zeit, wo man von Zellen noch nichts wusste, dass die Linse eines 6‴ langen Schaaffötus an der ganzen Peripherie und fast bis zur Mitte aus Bläschen, zwischen denen schuppenförmige Körper lagen, zusammengesetzt war, allein diese Beobachtung kann als nicht ganz zuverlässig — indem unter den grossen Bläschen wahrschein- lich nichts als die bekannten grossen Eiweisstropfen aus den Linsen- fasern gemeint sind — keine weitere Verwerthung finden. Dagegen habe ich bei einem 7‴ langen Schaaffötus die Linse ganz und gar aus kleinen kernhaltigen Zellen zusammengesetzt gefunden (Mikr. Anat. II. St. 730) und bei einem acht bis neun Wochen alten Embryo des Men- schen traf ich die ganze Linse von zarten spindelförmigen Zellen ge- bildet. Diesen Erfahrungen kann ich jetzt noch die wichtige über die Linse eines vier Wochen alten menschlichen Embryo anreihen. Diese Linse von 0,06‴ Gesammtdurchmesser, die Sie in der Fig. 138 dar- gestellt finden, war hohl wie die ebengebildete Linse des Hühner- [Abbildung Fig. 137. Kopf eines Hühnerembryo vom dritten Tage, vergr., Chromsäure- präparat. 1. von vorn, 2. von der Seite. n Geruchsgrübchen, l Linse mit einer runden Oeffnung, durch die ihre Höhle nach aussen mündet, gl Augenspalte, die mit der Bildung des Glaskörpers zusammenhängt und vom Rande der Linse auf den Sehnerven oder Augenstiel übergeht, jedoch nicht deutlich genug aus- gefallen ist. o Oberkieferfortsatz des ersten Kiemenbogens, u Unterkieferfort- satz desselben, g Gehörbläschen durch eine runde Oeffnung nach aussen mün- dend. Ausserdem sind noch der zweite und dritte Kiemenbogen und in der Fig. 1 auch die Mundspalte sichtbar.]

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/294>, abgerufen am 22.05.2024.