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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung des Nervensystems.
Monate darstellt, in welchem die Brustganglien noch gar nicht ge-
schieden sind und die Lendenganglien eben anfangen sich zu tren-
nen, während auffallender Weise die Sacral- und Halsknoten schon
Verbindungsstränge besitzen.

Ueber die Entwicklung der peripherischen Geflechte des
Sympathicus des Menschen und der Säugethiere wissen wir fast
nichts. Kiesselbach sah das Ganglion coeliacum erst im siebenten
Monate, wogegen Lobstein (de nervi sympath. hum. fabrica §. 58)
dasselbe schon bei einem vierzehn Wochen alten Embryo wahrnahm.
Letztere Beobachtung ist vollkommen richtig und habe ich wenig-
stens den Ptexus coeliacus schon bei Embryonen des dritten Monates
von der neunten Woche an gefunden, zu welcher Zeit auch die
Splanchnici majores schon deutlich sind. Auffallend war mir, dass
bei solchen Embryonen aus dem dritten Monate der ganze Raum zwi-
schen den Nebennieren, Nieren und Geschlechtsdrüsen von einem
Nervengeflechte mit zahlreichen grösseren Ganglien eingenommen
war, das ziemlich deutlich zwei Hälften erkennen liess, und erin-
nerte mich dasselbe lebhaft an die von Remak beschriebenen Ge-
schlechtsnerven des Hühnchens. Ja es ergaben sich selbst einige
Thatsachen, die für eine Beziehung dieser Geflechte zu den Neben-
nieren sprechen. So sah ich bei einem dreimonatlichen Embryo die

[Abbildung] Fig. 134.
Nebennieren vor der Aorta durch eine Quer-
masse verbunden, in welche der Splanchnicus
sich verlor und die offenbar zu dem erwähnten
Nervengeflechte gehörte, und kann ich Sie bei
dieser Gelegenheit daran erinnern, dass schon
Valentin und Meckel die Nebennieren ursprüng-
lich als zusammenhängend beschreiben. Unter-
suchungen an Kalbsembryonen ferner haben
mir ergeben, dass auf jeden Fall dasselbe Blastem, das den er-
wähnten Nervenplexus liefert, mit seinem oberen Theile die Neben-
nieren erzeugt, die keinerlei genetischen Zusammenhang weder mit
den Wolff'schen Körpern, noch mit den bleibenden Nieren haben,
[Abbildung]

Fig. 134. Harn- und Geschlechtsorgane eines männlichen Embryo von drei
Monaten in natürlicher Grösse. nn Nebennieren, uh Cava inferior, n Niere,
h Hoden, gh Gubernaculum Hunteri, b Harnblase. Ausserdem sind der Mast-
darm, die Ureteren und Samenleiter (wg) zu sehen. Hinter dem Mastdarm und
zwischen den Nieren und Hoden ist eine längliche Masse, durch welche die
Art. mesenterica inferior hervorkommt, die vielleicht zum Sympathicus gehört.

Entwicklung des Nervensystems.
Monate darstellt, in welchem die Brustganglien noch gar nicht ge-
schieden sind und die Lendenganglien eben anfangen sich zu tren-
nen, während auffallender Weise die Sacral- und Halsknoten schon
Verbindungsstränge besitzen.

Ueber die Entwicklung der peripherischen Geflechte des
Sympathicus des Menschen und der Säugethiere wissen wir fast
nichts. Kiesselbach sah das Ganglion coeliacum erst im siebenten
Monate, wogegen Lobstein (de nervi sympath. hum. fabrica §. 58)
dasselbe schon bei einem vierzehn Wochen alten Embryo wahrnahm.
Letztere Beobachtung ist vollkommen richtig und habe ich wenig-
stens den Ptexus coeliacus schon bei Embryonen des dritten Monates
von der neunten Woche an gefunden, zu welcher Zeit auch die
Splanchnici majores schon deutlich sind. Auffallend war mir, dass
bei solchen Embryonen aus dem dritten Monate der ganze Raum zwi-
schen den Nebennieren, Nieren und Geschlechtsdrüsen von einem
Nervengeflechte mit zahlreichen grösseren Ganglien eingenommen
war, das ziemlich deutlich zwei Hälften erkennen liess, und erin-
nerte mich dasselbe lebhaft an die von Remak beschriebenen Ge-
schlechtsnerven des Hühnchens. Ja es ergaben sich selbst einige
Thatsachen, die für eine Beziehung dieser Geflechte zu den Neben-
nieren sprechen. So sah ich bei einem dreimonatlichen Embryo die

[Abbildung] Fig. 134.
Nebennieren vor der Aorta durch eine Quer-
masse verbunden, in welche der Splanchnicus
sich verlor und die offenbar zu dem erwähnten
Nervengeflechte gehörte, und kann ich Sie bei
dieser Gelegenheit daran erinnern, dass schon
Valentin und Meckel die Nebennieren ursprüng-
lich als zusammenhängend beschreiben. Unter-
suchungen an Kalbsembryonen ferner haben
mir ergeben, dass auf jeden Fall dasselbe Blastem, das den er-
wähnten Nervenplexus liefert, mit seinem oberen Theile die Neben-
nieren erzeugt, die keinerlei genetischen Zusammenhang weder mit
den Wolff’schen Körpern, noch mit den bleibenden Nieren haben,
[Abbildung]

Fig. 134. Harn- und Geschlechtsorgane eines männlichen Embryo von drei
Monaten in natürlicher Grösse. nn Nebennieren, uh Cava inferior, n Niere,
h Hoden, gh Gubernaculum Hunteri, b Harnblase. Ausserdem sind der Mast-
darm, die Ureteren und Samenleiter (wg) zu sehen. Hinter dem Mastdarm und
zwischen den Nieren und Hoden ist eine längliche Masse, durch welche die
Art. mesenterica inferior hervorkommt, die vielleicht zum Sympathicus gehört.

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[271/0287] Entwicklung des Nervensystems. Monate darstellt, in welchem die Brustganglien noch gar nicht ge- schieden sind und die Lendenganglien eben anfangen sich zu tren- nen, während auffallender Weise die Sacral- und Halsknoten schon Verbindungsstränge besitzen. Ueber die Entwicklung der peripherischen Geflechte des Sympathicus des Menschen und der Säugethiere wissen wir fast nichts. Kiesselbach sah das Ganglion coeliacum erst im siebenten Monate, wogegen Lobstein (de nervi sympath. hum. fabrica §. 58) dasselbe schon bei einem vierzehn Wochen alten Embryo wahrnahm. Letztere Beobachtung ist vollkommen richtig und habe ich wenig- stens den Ptexus coeliacus schon bei Embryonen des dritten Monates von der neunten Woche an gefunden, zu welcher Zeit auch die Splanchnici majores schon deutlich sind. Auffallend war mir, dass bei solchen Embryonen aus dem dritten Monate der ganze Raum zwi- schen den Nebennieren, Nieren und Geschlechtsdrüsen von einem Nervengeflechte mit zahlreichen grösseren Ganglien eingenommen war, das ziemlich deutlich zwei Hälften erkennen liess, und erin- nerte mich dasselbe lebhaft an die von Remak beschriebenen Ge- schlechtsnerven des Hühnchens. Ja es ergaben sich selbst einige Thatsachen, die für eine Beziehung dieser Geflechte zu den Neben- nieren sprechen. So sah ich bei einem dreimonatlichen Embryo die [Abbildung Fig. 134.] Nebennieren vor der Aorta durch eine Quer- masse verbunden, in welche der Splanchnicus sich verlor und die offenbar zu dem erwähnten Nervengeflechte gehörte, und kann ich Sie bei dieser Gelegenheit daran erinnern, dass schon Valentin und Meckel die Nebennieren ursprüng- lich als zusammenhängend beschreiben. Unter- suchungen an Kalbsembryonen ferner haben mir ergeben, dass auf jeden Fall dasselbe Blastem, das den er- wähnten Nervenplexus liefert, mit seinem oberen Theile die Neben- nieren erzeugt, die keinerlei genetischen Zusammenhang weder mit den Wolff’schen Körpern, noch mit den bleibenden Nieren haben, [Abbildung Fig. 134. Harn- und Geschlechtsorgane eines männlichen Embryo von drei Monaten in natürlicher Grösse. nn Nebennieren, uh Cava inferior, n Niere, h Hoden, gh Gubernaculum Hunteri, b Harnblase. Ausserdem sind der Mast- darm, die Ureteren und Samenleiter (wg) zu sehen. Hinter dem Mastdarm und zwischen den Nieren und Hoden ist eine längliche Masse, durch welche die Art. mesenterica inferior hervorkommt, die vielleicht zum Sympathicus gehört.]

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/287>, abgerufen am 24.11.2024.