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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Siebenundzwanzigste Vorlesung.
und wenigstens drei- bis vierschichtig. Später wird dasselbe dün-
ner, und scheinen die äusseren Zellenlagen in den Bereich der grauen
Substanz gezogen zu werden, was Sie nicht befremden wird, wenn
Sie bedenken wollen, dass dasselbe bei Embryonen der ersten Mo-
nate nie scharf gegen die umgebenden Theile abgesetzt ist.

Von der Entwicklung der Vorderstränge lehren die gege-
benen Figuren, dass dieselben beim weiteren Wachsthume des Markes
immer mehr sich verdicken und verbreitern, so dass sie schon beim
acht Wochen alten Embryo mehr als die Hälfte des Markes einneh-
men; jedoch erreichen um diese Zeit ihre hinteren Enden oder die
Seitenstränge der Autoren die Hinterstränge noch nicht und sind
durch eine später schwindende Seitenfurche von denselben ge-
schieden. Eine tiefere Furche bildet sich vorn durch das stärkere
Wachsthum der Stränge gegenüber den inneren Theilen, die vordere
Spalte, welche schon am Ende des zweiten Monates gut entwickelt
aber noch breit ist und am Ende des dritten Monates nahezu die
bleibenden Verhältnisse zeigt. Beim Embryo von neun bis zehn Wo-
chen (Fig. 131) sind die Vorderstränge und Hinterstränge zur Ver-
einigung gelangt und die graue Substanz rings von der weissen Masse
umgeben. Die hinteren Stränge, die anfangs ganz seitlich ihre
Lage haben, dehnen sich bald so gegen die hintere Mittellinie aus,
dass sie schon in der achten Woche hier dieselbe Stellung einneh-
men wie die vorderen Stränge an der anderen Seite. Sehr bemer-
kenswerth sind um diese Zeit zwei besondere leistenartige Hervor-
ragungen dieser Stränge, zwischen denen eine wirkliche hintere
Längsspalte sich findet. Später rücken diese Leisten unter Verdrän-
gung des Centralkanals dicht an einander, so dass die Spalte ganz
schmal wird (Fig. 131), doch tritt keine Verwachsung derselben ein
und findet man schon im Anfange des dritten Monates eine binde-
gewebige Scheidewand zwischen denselben, die jedoch nie mit der
Pia mater aus der Spalte sich herauszieht. Während diess geschieht,
ändert sich auch die Gestalt der Hinterstränge in der Art, dass die
leistenförmigen Erhebungen immer mehr in dasselbe Niveau mit den
äusseren Theilen kommen, dafür aber tritt im Innern eine Art Tren-
nung ein und erscheinen dieselben im dritten Monate deutlich als
besondere Keilstränge (Fig. 131) zu beiden Seiten der hinteren
Längsspalte. Offenbar sind diese embryonalen Keilstränge dieselben
Bildungen, welche Goll in seinen Beiträgen zur feineren Anatomie
des Markes als die "dunklen Keile" der Hinterstränge bezeichnet

Siebenundzwanzigste Vorlesung.
und wenigstens drei- bis vierschichtig. Später wird dasselbe dün-
ner, und scheinen die äusseren Zellenlagen in den Bereich der grauen
Substanz gezogen zu werden, was Sie nicht befremden wird, wenn
Sie bedenken wollen, dass dasselbe bei Embryonen der ersten Mo-
nate nie scharf gegen die umgebenden Theile abgesetzt ist.

Von der Entwicklung der Vorderstränge lehren die gege-
benen Figuren, dass dieselben beim weiteren Wachsthume des Markes
immer mehr sich verdicken und verbreitern, so dass sie schon beim
acht Wochen alten Embryo mehr als die Hälfte des Markes einneh-
men; jedoch erreichen um diese Zeit ihre hinteren Enden oder die
Seitenstränge der Autoren die Hinterstränge noch nicht und sind
durch eine später schwindende Seitenfurche von denselben ge-
schieden. Eine tiefere Furche bildet sich vorn durch das stärkere
Wachsthum der Stränge gegenüber den inneren Theilen, die vordere
Spalte, welche schon am Ende des zweiten Monates gut entwickelt
aber noch breit ist und am Ende des dritten Monates nahezu die
bleibenden Verhältnisse zeigt. Beim Embryo von neun bis zehn Wo-
chen (Fig. 131) sind die Vorderstränge und Hinterstränge zur Ver-
einigung gelangt und die graue Substanz rings von der weissen Masse
umgeben. Die hinteren Stränge, die anfangs ganz seitlich ihre
Lage haben, dehnen sich bald so gegen die hintere Mittellinie aus,
dass sie schon in der achten Woche hier dieselbe Stellung einneh-
men wie die vorderen Stränge an der anderen Seite. Sehr bemer-
kenswerth sind um diese Zeit zwei besondere leistenartige Hervor-
ragungen dieser Stränge, zwischen denen eine wirkliche hintere
Längsspalte sich findet. Später rücken diese Leisten unter Verdrän-
gung des Centralkanals dicht an einander, so dass die Spalte ganz
schmal wird (Fig. 131), doch tritt keine Verwachsung derselben ein
und findet man schon im Anfange des dritten Monates eine binde-
gewebige Scheidewand zwischen denselben, die jedoch nie mit der
Pia mater aus der Spalte sich herauszieht. Während diess geschieht,
ändert sich auch die Gestalt der Hinterstränge in der Art, dass die
leistenförmigen Erhebungen immer mehr in dasselbe Niveau mit den
äusseren Theilen kommen, dafür aber tritt im Innern eine Art Tren-
nung ein und erscheinen dieselben im dritten Monate deutlich als
besondere Keilstränge (Fig. 131) zu beiden Seiten der hinteren
Längsspalte. Offenbar sind diese embryonalen Keilstränge dieselben
Bildungen, welche Goll in seinen Beiträgen zur feineren Anatomie
des Markes als die »dunklen Keile« der Hinterstränge bezeichnet

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[262/0278] Siebenundzwanzigste Vorlesung. und wenigstens drei- bis vierschichtig. Später wird dasselbe dün- ner, und scheinen die äusseren Zellenlagen in den Bereich der grauen Substanz gezogen zu werden, was Sie nicht befremden wird, wenn Sie bedenken wollen, dass dasselbe bei Embryonen der ersten Mo- nate nie scharf gegen die umgebenden Theile abgesetzt ist. Von der Entwicklung der Vorderstränge lehren die gege- benen Figuren, dass dieselben beim weiteren Wachsthume des Markes immer mehr sich verdicken und verbreitern, so dass sie schon beim acht Wochen alten Embryo mehr als die Hälfte des Markes einneh- men; jedoch erreichen um diese Zeit ihre hinteren Enden oder die Seitenstränge der Autoren die Hinterstränge noch nicht und sind durch eine später schwindende Seitenfurche von denselben ge- schieden. Eine tiefere Furche bildet sich vorn durch das stärkere Wachsthum der Stränge gegenüber den inneren Theilen, die vordere Spalte, welche schon am Ende des zweiten Monates gut entwickelt aber noch breit ist und am Ende des dritten Monates nahezu die bleibenden Verhältnisse zeigt. Beim Embryo von neun bis zehn Wo- chen (Fig. 131) sind die Vorderstränge und Hinterstränge zur Ver- einigung gelangt und die graue Substanz rings von der weissen Masse umgeben. Die hinteren Stränge, die anfangs ganz seitlich ihre Lage haben, dehnen sich bald so gegen die hintere Mittellinie aus, dass sie schon in der achten Woche hier dieselbe Stellung einneh- men wie die vorderen Stränge an der anderen Seite. Sehr bemer- kenswerth sind um diese Zeit zwei besondere leistenartige Hervor- ragungen dieser Stränge, zwischen denen eine wirkliche hintere Längsspalte sich findet. Später rücken diese Leisten unter Verdrän- gung des Centralkanals dicht an einander, so dass die Spalte ganz schmal wird (Fig. 131), doch tritt keine Verwachsung derselben ein und findet man schon im Anfange des dritten Monates eine binde- gewebige Scheidewand zwischen denselben, die jedoch nie mit der Pia mater aus der Spalte sich herauszieht. Während diess geschieht, ändert sich auch die Gestalt der Hinterstränge in der Art, dass die leistenförmigen Erhebungen immer mehr in dasselbe Niveau mit den äusseren Theilen kommen, dafür aber tritt im Innern eine Art Tren- nung ein und erscheinen dieselben im dritten Monate deutlich als besondere Keilstränge (Fig. 131) zu beiden Seiten der hinteren Längsspalte. Offenbar sind diese embryonalen Keilstränge dieselben Bildungen, welche Goll in seinen Beiträgen zur feineren Anatomie des Markes als die »dunklen Keile« der Hinterstränge bezeichnet

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/278>, abgerufen am 21.05.2024.