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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung des Nervensystems.
von einem acht Wochen und einem neun bis zehn Wochen alten
Embryo und werden Sie bei Vergleichung dieser Figuren mit Fig.
129 leicht herausfinden, dass das Wachsthumsgesetz des Markes im
Allgemeinen das ist, dass, während der Centralkanal nach und nach
verkümmert, die graue Substanz sowohl als und vor Allem der
weisse Beleg an Masse zunehmen. Einzelnes anlangend so zeigt er-
stens der Centralkanal eine von hinten nach vorn fortschreitende
Atrophie, welche allem Anscheine nach vor Allem durch die mäch-
tige Entwicklung der Hinterstränge bewirkt wird. So geschieht es,
dass derselbe allmälig von der Oberfläche ins Innere sich zurück-
zieht und endlich nur noch einen relativ kleinen Raum im Centrum
des Markes einnimmt. Bei dem in der Fig. 129 dargestellten Marke
eines sechs Wochen alten Embryo sehen Sie den Kanal an der hin-
teren Fläche des Organs frei zu Tage liegen, ja die ganze Breite des-
selben einnehmen, es dauert jedoch dieser Höhepunct der Entwick-
lung nicht lange, denn schon beim achtwöchentlichen Embryo finden
wir den Centralkanal, obschon immer noch weit, doch mit seiner
hinteren Hälfte schon sehr verkümmert, theilweise verwachsen und
nur noch in einer geringen Ausdehnung an der Oberfläche des Markes,
jedoch im Grunde einer kleinen Furche zwischen den Hintersträngen
befindlich. Im dritten Monate endlich zieht sich der Centralkanal
ganz ins Innere zurück und schwindet noch mehr. In der neunten
Woche (Fig. 131) läuft auf dem Querschnitte die hintere Hälfte in
eine schmale Spitze aus, welche noch etwas zwischen die Hinter-
stränge eindringt, jedoch die Oberfläche lange nicht erreicht, und in
der zwölften Woche liegt der Kanal ganz und gar im Innern, so dass
er nun durch graue Substanz, die Commissura grisea, von den Hin-
tersträngen getrennt ist. Doch sieht man auch um diese Zeit noch eine
Andeutung des verkümmerten Theiles des Kanals in einem spitzen
Anhange seines Epithels, der mehr weniger weit gegen die Hinter-
stränge sich erstreckt und keine deutliche Structur mehr besitzt.

Das Epithel des Centralkanales junger Embryonen ist sehr dick

[Abbildung]

Wochen alten menschlichen Embryo, 35mal vergrössert. Höhe des Markes
11/2mm, Breite 2--21/4mm. e Epithel des Centralkanals, e' in Obliteration be-
griffener hinterer Theil desselben, v Vorderstrang, h Hinterstrang, h' Keil-
strang desselben, vw vordere Wurzel, hw hintere Wurzel, g Ganglion spinale,
p m Pia mater, dm Dura mater
, der Wirbelanlage noch dicht anliegend, wk
Wirbelkörper, ch Chordarest, wb Wirbelbogen knorpelig, ow Rest der Mem-
brana reuniens superior
.

Entwicklung des Nervensystems.
von einem acht Wochen und einem neun bis zehn Wochen alten
Embryo und werden Sie bei Vergleichung dieser Figuren mit Fig.
129 leicht herausfinden, dass das Wachsthumsgesetz des Markes im
Allgemeinen das ist, dass, während der Centralkanal nach und nach
verkümmert, die graue Substanz sowohl als und vor Allem der
weisse Beleg an Masse zunehmen. Einzelnes anlangend so zeigt er-
stens der Centralkanal eine von hinten nach vorn fortschreitende
Atrophie, welche allem Anscheine nach vor Allem durch die mäch-
tige Entwicklung der Hinterstränge bewirkt wird. So geschieht es,
dass derselbe allmälig von der Oberfläche ins Innere sich zurück-
zieht und endlich nur noch einen relativ kleinen Raum im Centrum
des Markes einnimmt. Bei dem in der Fig. 129 dargestellten Marke
eines sechs Wochen alten Embryo sehen Sie den Kanal an der hin-
teren Fläche des Organs frei zu Tage liegen, ja die ganze Breite des-
selben einnehmen, es dauert jedoch dieser Höhepunct der Entwick-
lung nicht lange, denn schon beim achtwöchentlichen Embryo finden
wir den Centralkanal, obschon immer noch weit, doch mit seiner
hinteren Hälfte schon sehr verkümmert, theilweise verwachsen und
nur noch in einer geringen Ausdehnung an der Oberfläche des Markes,
jedoch im Grunde einer kleinen Furche zwischen den Hintersträngen
befindlich. Im dritten Monate endlich zieht sich der Centralkanal
ganz ins Innere zurück und schwindet noch mehr. In der neunten
Woche (Fig. 131) läuft auf dem Querschnitte die hintere Hälfte in
eine schmale Spitze aus, welche noch etwas zwischen die Hinter-
stränge eindringt, jedoch die Oberfläche lange nicht erreicht, und in
der zwölften Woche liegt der Kanal ganz und gar im Innern, so dass
er nun durch graue Substanz, die Commissura grisea, von den Hin-
tersträngen getrennt ist. Doch sieht man auch um diese Zeit noch eine
Andeutung des verkümmerten Theiles des Kanals in einem spitzen
Anhange seines Epithels, der mehr weniger weit gegen die Hinter-
stränge sich erstreckt und keine deutliche Structur mehr besitzt.

Das Epithel des Centralkanales junger Embryonen ist sehr dick

[Abbildung]

Wochen alten menschlichen Embryo, 35mal vergrössert. Höhe des Markes
mm, Breite 2—2¼mm. e Epithel des Centralkanals, e′ in Obliteration be-
griffener hinterer Theil desselben, v Vorderstrang, h Hinterstrang, h′ Keil-
strang desselben, vw vordere Wurzel, hw hintere Wurzel, g Ganglion spinale,
p m Pia mater, dm Dura mater
, der Wirbelanlage noch dicht anliegend, wk
Wirbelkörper, ch Chordarest, wb Wirbelbogen knorpelig, ow Rest der Mem-
brana reuniens superior
.

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[261/0277] Entwicklung des Nervensystems. von einem acht Wochen und einem neun bis zehn Wochen alten Embryo und werden Sie bei Vergleichung dieser Figuren mit Fig. 129 leicht herausfinden, dass das Wachsthumsgesetz des Markes im Allgemeinen das ist, dass, während der Centralkanal nach und nach verkümmert, die graue Substanz sowohl als und vor Allem der weisse Beleg an Masse zunehmen. Einzelnes anlangend so zeigt er- stens der Centralkanal eine von hinten nach vorn fortschreitende Atrophie, welche allem Anscheine nach vor Allem durch die mäch- tige Entwicklung der Hinterstränge bewirkt wird. So geschieht es, dass derselbe allmälig von der Oberfläche ins Innere sich zurück- zieht und endlich nur noch einen relativ kleinen Raum im Centrum des Markes einnimmt. Bei dem in der Fig. 129 dargestellten Marke eines sechs Wochen alten Embryo sehen Sie den Kanal an der hin- teren Fläche des Organs frei zu Tage liegen, ja die ganze Breite des- selben einnehmen, es dauert jedoch dieser Höhepunct der Entwick- lung nicht lange, denn schon beim achtwöchentlichen Embryo finden wir den Centralkanal, obschon immer noch weit, doch mit seiner hinteren Hälfte schon sehr verkümmert, theilweise verwachsen und nur noch in einer geringen Ausdehnung an der Oberfläche des Markes, jedoch im Grunde einer kleinen Furche zwischen den Hintersträngen befindlich. Im dritten Monate endlich zieht sich der Centralkanal ganz ins Innere zurück und schwindet noch mehr. In der neunten Woche (Fig. 131) läuft auf dem Querschnitte die hintere Hälfte in eine schmale Spitze aus, welche noch etwas zwischen die Hinter- stränge eindringt, jedoch die Oberfläche lange nicht erreicht, und in der zwölften Woche liegt der Kanal ganz und gar im Innern, so dass er nun durch graue Substanz, die Commissura grisea, von den Hin- tersträngen getrennt ist. Doch sieht man auch um diese Zeit noch eine Andeutung des verkümmerten Theiles des Kanals in einem spitzen Anhange seines Epithels, der mehr weniger weit gegen die Hinter- stränge sich erstreckt und keine deutliche Structur mehr besitzt. Das Epithel des Centralkanales junger Embryonen ist sehr dick [Abbildung Wochen alten menschlichen Embryo, 35mal vergrössert. Höhe des Markes 1½mm, Breite 2—2¼mm. e Epithel des Centralkanals, e′ in Obliteration be- griffener hinterer Theil desselben, v Vorderstrang, h Hinterstrang, h′ Keil- strang desselben, vw vordere Wurzel, hw hintere Wurzel, g Ganglion spinale, p m Pia mater, dm Dura mater, der Wirbelanlage noch dicht anliegend, wk Wirbelkörper, ch Chordarest, wb Wirbelbogen knorpelig, ow Rest der Mem- brana reuniens superior.]

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/277>, abgerufen am 21.05.2024.