Entwicklung der Wirbelsäule.Meine Herren! Ich beginne den speciellen Theil der Entwick- lungsgeschichte mit der Schilderung der Skelettbildung und wende mich zunächst zur Betrachtung der Entstehung der Wir- belsäule. Sie wissen aus dem Früheren, dass der Bildung der Wirbelsäule und des Skeletts überhaupt die Entstehung der Chorda Chorda dorsalis.dorsalis vorangeht, eines im Allgemeinen spindelförmigen Stran- ges, welcher vorn und hinten zugespitzt endigt und nahe am hin- tern Ende eine leichte Anschwellung besitzt. Die Chorda dorsalis besteht ursprünglich aus einem einfachen Zellenstrange, in zweiter Linie aber erhält dieselbe eine structurlose Scheide, die nach und nach etwas fester wird und an einer ausgebildeten Chorda als ein
[Abbildung]
Fig. 79.
glashelles, mässig dickes (von 0,0012''' bei einem menschlichen Embryo vom Ende des zweiten Mo- nats, von 0,0032''', bei einem Schafsembryo von 6''') Umhüllungsgebilde erscheint, während die Zellen wohl etwas grösser sind als im Anfange, auch polygonal gegen einander sich abgrenzen, je- doch immer zartwandig bleiben und nie eine grös- sere Aehnlichkeit mit Knorpelzellen erlangen. Man pflegt die Chorda dorsalis einen Knorpelstrang zu nennen, es ist jedoch nicht zu läugnen, dass das Gewebe derselben beim Menschen und bei den
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Fig. 79. Stück der Chorda dorsalis eines 6''' langen Schafembryo. a Scheide derselben; b Zellen mit hellen blasigen Räumen.
Entwicklung der Wirbelsäule.Meine Herren! Ich beginne den speciellen Theil der Entwick- lungsgeschichte mit der Schilderung der Skelettbildung und wende mich zunächst zur Betrachtung der Entstehung der Wir- belsäule. Sie wissen aus dem Früheren, dass der Bildung der Wirbelsäule und des Skeletts überhaupt die Entstehung der Chorda Chorda dorsalis.dorsalis vorangeht, eines im Allgemeinen spindelförmigen Stran- ges, welcher vorn und hinten zugespitzt endigt und nahe am hin- tern Ende eine leichte Anschwellung besitzt. Die Chorda dorsalis besteht ursprünglich aus einem einfachen Zellenstrange, in zweiter Linie aber erhält dieselbe eine structurlose Scheide, die nach und nach etwas fester wird und an einer ausgebildeten Chorda als ein
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Fig. 79.
glashelles, mässig dickes (von 0,0012‴ bei einem menschlichen Embryo vom Ende des zweiten Mo- nats, von 0,0032‴, bei einem Schafsembryo von 6‴) Umhüllungsgebilde erscheint, während die Zellen wohl etwas grösser sind als im Anfange, auch polygonal gegen einander sich abgrenzen, je- doch immer zartwandig bleiben und nie eine grös- sere Aehnlichkeit mit Knorpelzellen erlangen. Man pflegt die Chorda dorsalis einen Knorpelstrang zu nennen, es ist jedoch nicht zu läugnen, dass das Gewebe derselben beim Menschen und bei den
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Fig. 79. Stück der Chorda dorsalis eines 6‴ langen Schafembryo. a Scheide derselben; b Zellen mit hellen blasigen Räumen.
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[[184]/0200]
Zweiundzwanzigste Vorlesung.
Zweiter Hauptabschnitt.
Von der Entwicklung der Organe und Systeme.
I. Entwicklung des Knochensystems.
Meine Herren! Ich beginne den speciellen Theil der Entwick-
lungsgeschichte mit der Schilderung der Skelettbildung und
wende mich zunächst zur Betrachtung der Entstehung der Wir-
belsäule. Sie wissen aus dem Früheren, dass der Bildung der
Wirbelsäule und des Skeletts überhaupt die Entstehung der Chorda
dorsalis vorangeht, eines im Allgemeinen spindelförmigen Stran-
ges, welcher vorn und hinten zugespitzt endigt und nahe am hin-
tern Ende eine leichte Anschwellung besitzt. Die Chorda dorsalis
besteht ursprünglich aus einem einfachen Zellenstrange, in zweiter
Linie aber erhält dieselbe eine structurlose Scheide, die nach und
nach etwas fester wird und an einer ausgebildeten Chorda als ein
[Abbildung Fig. 79.]
glashelles, mässig dickes (von 0,0012‴ bei einem
menschlichen Embryo vom Ende des zweiten Mo-
nats, von 0,0032‴, bei einem Schafsembryo von
6‴) Umhüllungsgebilde erscheint, während die
Zellen wohl etwas grösser sind als im Anfange,
auch polygonal gegen einander sich abgrenzen, je-
doch immer zartwandig bleiben und nie eine grös-
sere Aehnlichkeit mit Knorpelzellen erlangen. Man
pflegt die Chorda dorsalis einen Knorpelstrang zu
nennen, es ist jedoch nicht zu läugnen, dass das
Gewebe derselben beim Menschen und bei den
[Abbildung Fig. 79. Stück der Chorda dorsalis eines 6‴ langen Schafembryo. a Scheide
derselben; b Zellen mit hellen blasigen Räumen.]
Entwicklung der
Wirbelsäule.
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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. [184]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/200>, abgerufen am 25.07.2024.
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