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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Achtzehnte Vorlesung.
kömmt. Nichtsdestoweniger ist sie im vierten Monate noch sehr ge-
fässreich und bemerkt man an ihrer innern Oberfläche bei frischen
Objecten eine grosse Menge von Gefässramificationen, und unter
diesen besonders weite Venensinus, die am Rande der Placenta, da wo
die Decidua vera in die Reflexa übergeht am entwickeltsten sind, und
durch zahlreiche Anastomosen wie einen ringförmigen Sinus bilden,
aber auch an den übrigen Gegenden nicht fehlen. Das Gewebe der
Decidua vera anlangend, so ist in Betreff der Oberfläche sicher, dass
das frühere Flimmerepithel des Uterus nicht mehr vorhanden ist,
dagegen zweifelhaft, ob ein anderes Epithelium an die Stelle dessel-
ben tritt, wie z. B. Robin annimmt. Wohl bemerkt man in einzel-
nen Fällen in der ersten Hälfte der Schwangerschaft da und dort,
besonders in der Nähe der Mündungen der Uterindrüsen ein Pfla-
sterepithel an der Decidua, ich habe jedoch noch keinen Fall ge-
sehen, in dem dasselbe auf grösseren Strecken regelrecht ausgebildet
gewesen wäre. Will man nun auch auf dieses Fehlen des Epithels
an manchen Stellen nicht zu viel geben, da hinreichend bekannt ist,
wie leicht zarte Epithelien sich ablösen, und das Vorkommen des-
selben für die ersten Monate der Schwangerschaft zugeben, so ist
doch so viel entschieden, dass dasselbe vom fünften und sechsten
Monate an, sobald beide Deciduen mit einander verkleben, nicht mehr
vorhanden ist. Im Innern der Decidua findet man verschiedene
Elemente, vor allem eine mehr amorphe Bindesubstanz, welche alle
andern Elemente trägt, unter denen neben den zalreichen Gefässen
runde und spindelförmge Zellen bei Weitem die Hauptmasse aus-
machen. Die runden Zellen sind schön und gross (bis 0,015''' und
mehr) mit deutlichen Kernen und Kernkörperchen und erinnern sehr
an Epithelialzellen, für welche Deutung auch ihre hie und da vor-
kommenden polygonalen Begrenzungen zu sprechen scheinen. Be-
denklich ist jedoch der Umstand, dass sie in allen Schichten der
Decidua, auch in den tiefsten, sich finden, so wie dass sie auch an
den Stellen, wo noch Uterindrüsenreste mit deutlichem kleinem Pfla-
sterepithel vorkommen, dicht aussen an den Drüsen zu sehen sind.
Namentlich der letzte Umstand scheint gegen eine Vermuthung zu
sprechen, welche jedem sich aufdringen muss, der weiss, dass die
Decidua vera in den ersten zwei Wochen der Schwangerschaft so zu
sagen aus nichts als aus gewucherten Uterindrüsen besteht, wäh-
rend man von solchen später äusserst wenig mehr sieht und sich
die Frage vorlegt, was aus den Epithelzellen dieser wird. Ich würde

Achtzehnte Vorlesung.
kömmt. Nichtsdestoweniger ist sie im vierten Monate noch sehr ge-
fässreich und bemerkt man an ihrer innern Oberfläche bei frischen
Objecten eine grosse Menge von Gefässramificationen, und unter
diesen besonders weite Venensinus, die am Rande der Placenta, da wo
die Decidua vera in die Reflexa übergeht am entwickeltsten sind, und
durch zahlreiche Anastomosen wie einen ringförmigen Sinus bilden,
aber auch an den übrigen Gegenden nicht fehlen. Das Gewebe der
Decidua vera anlangend, so ist in Betreff der Oberfläche sicher, dass
das frühere Flimmerepithel des Uterus nicht mehr vorhanden ist,
dagegen zweifelhaft, ob ein anderes Epithelium an die Stelle dessel-
ben tritt, wie z. B. Robin annimmt. Wohl bemerkt man in einzel-
nen Fällen in der ersten Hälfte der Schwangerschaft da und dort,
besonders in der Nähe der Mündungen der Uterindrüsen ein Pfla-
sterepithel an der Decidua, ich habe jedoch noch keinen Fall ge-
sehen, in dem dasselbe auf grösseren Strecken regelrecht ausgebildet
gewesen wäre. Will man nun auch auf dieses Fehlen des Epithels
an manchen Stellen nicht zu viel geben, da hinreichend bekannt ist,
wie leicht zarte Epithelien sich ablösen, und das Vorkommen des-
selben für die ersten Monate der Schwangerschaft zugeben, so ist
doch so viel entschieden, dass dasselbe vom fünften und sechsten
Monate an, sobald beide Deciduen mit einander verkleben, nicht mehr
vorhanden ist. Im Innern der Decidua findet man verschiedene
Elemente, vor allem eine mehr amorphe Bindesubstanz, welche alle
andern Elemente trägt, unter denen neben den zalreichen Gefässen
runde und spindelförmge Zellen bei Weitem die Hauptmasse aus-
machen. Die runden Zellen sind schön und gross (bis 0,015‴ und
mehr) mit deutlichen Kernen und Kernkörperchen und erinnern sehr
an Epithelialzellen, für welche Deutung auch ihre hie und da vor-
kommenden polygonalen Begrenzungen zu sprechen scheinen. Be-
denklich ist jedoch der Umstand, dass sie in allen Schichten der
Decidua, auch in den tiefsten, sich finden, so wie dass sie auch an
den Stellen, wo noch Uterindrüsenreste mit deutlichem kleinem Pfla-
sterepithel vorkommen, dicht aussen an den Drüsen zu sehen sind.
Namentlich der letzte Umstand scheint gegen eine Vermuthung zu
sprechen, welche jedem sich aufdringen muss, der weiss, dass die
Decidua vera in den ersten zwei Wochen der Schwangerschaft so zu
sagen aus nichts als aus gewucherten Uterindrüsen besteht, wäh-
rend man von solchen später äusserst wenig mehr sieht und sich
die Frage vorlegt, was aus den Epithelzellen dieser wird. Ich würde

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[140/0156] Achtzehnte Vorlesung. kömmt. Nichtsdestoweniger ist sie im vierten Monate noch sehr ge- fässreich und bemerkt man an ihrer innern Oberfläche bei frischen Objecten eine grosse Menge von Gefässramificationen, und unter diesen besonders weite Venensinus, die am Rande der Placenta, da wo die Decidua vera in die Reflexa übergeht am entwickeltsten sind, und durch zahlreiche Anastomosen wie einen ringförmigen Sinus bilden, aber auch an den übrigen Gegenden nicht fehlen. Das Gewebe der Decidua vera anlangend, so ist in Betreff der Oberfläche sicher, dass das frühere Flimmerepithel des Uterus nicht mehr vorhanden ist, dagegen zweifelhaft, ob ein anderes Epithelium an die Stelle dessel- ben tritt, wie z. B. Robin annimmt. Wohl bemerkt man in einzel- nen Fällen in der ersten Hälfte der Schwangerschaft da und dort, besonders in der Nähe der Mündungen der Uterindrüsen ein Pfla- sterepithel an der Decidua, ich habe jedoch noch keinen Fall ge- sehen, in dem dasselbe auf grösseren Strecken regelrecht ausgebildet gewesen wäre. Will man nun auch auf dieses Fehlen des Epithels an manchen Stellen nicht zu viel geben, da hinreichend bekannt ist, wie leicht zarte Epithelien sich ablösen, und das Vorkommen des- selben für die ersten Monate der Schwangerschaft zugeben, so ist doch so viel entschieden, dass dasselbe vom fünften und sechsten Monate an, sobald beide Deciduen mit einander verkleben, nicht mehr vorhanden ist. Im Innern der Decidua findet man verschiedene Elemente, vor allem eine mehr amorphe Bindesubstanz, welche alle andern Elemente trägt, unter denen neben den zalreichen Gefässen runde und spindelförmge Zellen bei Weitem die Hauptmasse aus- machen. Die runden Zellen sind schön und gross (bis 0,015‴ und mehr) mit deutlichen Kernen und Kernkörperchen und erinnern sehr an Epithelialzellen, für welche Deutung auch ihre hie und da vor- kommenden polygonalen Begrenzungen zu sprechen scheinen. Be- denklich ist jedoch der Umstand, dass sie in allen Schichten der Decidua, auch in den tiefsten, sich finden, so wie dass sie auch an den Stellen, wo noch Uterindrüsenreste mit deutlichem kleinem Pfla- sterepithel vorkommen, dicht aussen an den Drüsen zu sehen sind. Namentlich der letzte Umstand scheint gegen eine Vermuthung zu sprechen, welche jedem sich aufdringen muss, der weiss, dass die Decidua vera in den ersten zwei Wochen der Schwangerschaft so zu sagen aus nichts als aus gewucherten Uterindrüsen besteht, wäh- rend man von solchen später äusserst wenig mehr sieht und sich die Frage vorlegt, was aus den Epithelzellen dieser wird. Ich würde

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/156>, abgerufen am 25.11.2024.