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Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878.

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Schlussfolgerungen.
ausüben können. Eine von diesen beiden Arten ist nur im Stande,
in das Blut zu gelangen und, wenn ausschliesslich Blut zur wei¬
teren Uebertragung benutzt wird, wird auch nur diese eine Art
aus dem vermeintlichen Kampf ums Dasein siegreich hervorgehen.
Es kommt nun für die weitere Entwicklung des Experiments ganz
darauf an, wie gross die Menge des putriden Giftes und wie das
Zahlverhältniss der beiden Bakterien zu einander ist. Ist viel
putrides Gift und eine grosse Anzahl der local sich vermehren¬
den Bakterienart (in unserem Fall sind dies die Gewebsnekrose
veranlassenden kettenförmigen Mikrokokken), aber wenige Exem¬
plare von der ins Blut übergehenden Bakterienart (hier Bacillen)
eingespritzt, dann wird' das erste Versuchsthier in Folge des
überwiegenden Einflusses der beiden anderen Factoren eher ster¬
ben, als bis viel Bacillen ins Blut gelangt und sich dort weiter
vermehrt haben. Von dem Blut dieses ersten Thieres, das ver¬
hältnissmässig noch sehr wenig Bacillen enthält, muss vielleicht
ein fünftel bis zehntel Tropfen verimpft werden um die Krank¬
heit sicher zu übertragen. Auf das zweite Thier sind mit dem
Blute aber nur noch die Bacillen verpflanzt, die sich nun unge¬
stört im Blute entwickeln. Zur Infection des dritten Thieres ge¬
nügt dann schon das kleinste überhaupt zulässige Quantum Blut
und von dieser dritten Generation bleibt die Virulenz des Blutes
gleichmässig.

Man kann sich auch noch einen anderen Fall denken, bei
dem die Steigerung der Virulenz durch mehr als drei Generatio¬
nen ohne irgend welche Anpassung und Vererbung eintreten kann.
Es würde dies der Fall sein, wenn mehrere ins Blut übergehende
Bakterienarten bei der ersten Einspritzung in den Körper des
Versuchsthieres gelangen. Nehmen wir beispielsweise an, dass
demselben faulenden Blute, welches dem vorigen Versuch diente,
noch Milzbrandbacillen beigemengt wären, dann würden im Blute
des zweiten Thieres ausser den Septicämiebacillen auch Milz¬
brandbacillen enthalten sein und zwar von beiden nur wenig
Exemplare; von den Milzbrandbacillen aber noch weniger als von
den anderen, weil sie sich bei Mäusen vorzugsweise in der Milz,
Lunge u. s. w. ablagern, im Blute aber auch im günstigsten Falle
nur spärlich vertreten sind. Andererseits haben die Milzbrand¬
bacillen den Vortheil, dass sie das Thier, wenn sie in reichlicher
Zahl eingeimpft wurden, schon binnen 20 Stunden tödten, was
den Septicämiebacillen erst nach 50 Stunden gelingt. Im Blute

Schlussfolgerungen.
ausüben können. Eine von diesen beiden Arten ist nur im Stande,
in das Blut zu gelangen und, wenn ausschliesslich Blut zur wei¬
teren Uebertragung benutzt wird, wird auch nur diese eine Art
aus dem vermeintlichen Kampf ums Dasein siegreich hervorgehen.
Es kommt nun für die weitere Entwicklung des Experiments ganz
darauf an, wie gross die Menge des putriden Giftes und wie das
Zahlverhältniss der beiden Bakterien zu einander ist. Ist viel
putrides Gift und eine grosse Anzahl der local sich vermehren¬
den Bakterienart (in unserem Fall sind dies die Gewebsnekrose
veranlassenden kettenförmigen Mikrokokken), aber wenige Exem¬
plare von der ins Blut übergehenden Bakterienart (hier Bacillen)
eingespritzt, dann wird' das erste Versuchsthier in Folge des
überwiegenden Einflusses der beiden anderen Factoren eher ster¬
ben, als bis viel Bacillen ins Blut gelangt und sich dort weiter
vermehrt haben. Von dem Blut dieses ersten Thieres, das ver¬
hältnissmässig noch sehr wenig Bacillen enthält, muss vielleicht
ein fünftel bis zehntel Tropfen verimpft werden um die Krank¬
heit sicher zu übertragen. Auf das zweite Thier sind mit dem
Blute aber nur noch die Bacillen verpflanzt, die sich nun unge¬
stört im Blute entwickeln. Zur Infection des dritten Thieres ge¬
nügt dann schon das kleinste überhaupt zulässige Quantum Blut
und von dieser dritten Generation bleibt die Virulenz des Blutes
gleichmässig.

Man kann sich auch noch einen anderen Fall denken, bei
dem die Steigerung der Virulenz durch mehr als drei Generatio¬
nen ohne irgend welche Anpassung und Vererbung eintreten kann.
Es würde dies der Fall sein, wenn mehrere ins Blut übergehende
Bakterienarten bei der ersten Einspritzung in den Körper des
Versuchsthieres gelangen. Nehmen wir beispielsweise an, dass
demselben faulenden Blute, welches dem vorigen Versuch diente,
noch Milzbrandbacillen beigemengt wären, dann würden im Blute
des zweiten Thieres ausser den Septicämiebacillen auch Milz¬
brandbacillen enthalten sein und zwar von beiden nur wenig
Exemplare; von den Milzbrandbacillen aber noch weniger als von
den anderen, weil sie sich bei Mäusen vorzugsweise in der Milz,
Lunge u. s. w. ablagern, im Blute aber auch im günstigsten Falle
nur spärlich vertreten sind. Andererseits haben die Milzbrand¬
bacillen den Vortheil, dass sie das Thier, wenn sie in reichlicher
Zahl eingeimpft wurden, schon binnen 20 Stunden tödten, was
den Septicämiebacillen erst nach 50 Stunden gelingt. Im Blute

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[79/0089] Schlussfolgerungen. ausüben können. Eine von diesen beiden Arten ist nur im Stande, in das Blut zu gelangen und, wenn ausschliesslich Blut zur wei¬ teren Uebertragung benutzt wird, wird auch nur diese eine Art aus dem vermeintlichen Kampf ums Dasein siegreich hervorgehen. Es kommt nun für die weitere Entwicklung des Experiments ganz darauf an, wie gross die Menge des putriden Giftes und wie das Zahlverhältniss der beiden Bakterien zu einander ist. Ist viel putrides Gift und eine grosse Anzahl der local sich vermehren¬ den Bakterienart (in unserem Fall sind dies die Gewebsnekrose veranlassenden kettenförmigen Mikrokokken), aber wenige Exem¬ plare von der ins Blut übergehenden Bakterienart (hier Bacillen) eingespritzt, dann wird' das erste Versuchsthier in Folge des überwiegenden Einflusses der beiden anderen Factoren eher ster¬ ben, als bis viel Bacillen ins Blut gelangt und sich dort weiter vermehrt haben. Von dem Blut dieses ersten Thieres, das ver¬ hältnissmässig noch sehr wenig Bacillen enthält, muss vielleicht ein fünftel bis zehntel Tropfen verimpft werden um die Krank¬ heit sicher zu übertragen. Auf das zweite Thier sind mit dem Blute aber nur noch die Bacillen verpflanzt, die sich nun unge¬ stört im Blute entwickeln. Zur Infection des dritten Thieres ge¬ nügt dann schon das kleinste überhaupt zulässige Quantum Blut und von dieser dritten Generation bleibt die Virulenz des Blutes gleichmässig. Man kann sich auch noch einen anderen Fall denken, bei dem die Steigerung der Virulenz durch mehr als drei Generatio¬ nen ohne irgend welche Anpassung und Vererbung eintreten kann. Es würde dies der Fall sein, wenn mehrere ins Blut übergehende Bakterienarten bei der ersten Einspritzung in den Körper des Versuchsthieres gelangen. Nehmen wir beispielsweise an, dass demselben faulenden Blute, welches dem vorigen Versuch diente, noch Milzbrandbacillen beigemengt wären, dann würden im Blute des zweiten Thieres ausser den Septicämiebacillen auch Milz¬ brandbacillen enthalten sein und zwar von beiden nur wenig Exemplare; von den Milzbrandbacillen aber noch weniger als von den anderen, weil sie sich bei Mäusen vorzugsweise in der Milz, Lunge u. s. w. ablagern, im Blute aber auch im günstigsten Falle nur spärlich vertreten sind. Andererseits haben die Milzbrand¬ bacillen den Vortheil, dass sie das Thier, wenn sie in reichlicher Zahl eingeimpft wurden, schon binnen 20 Stunden tödten, was den Septicämiebacillen erst nach 50 Stunden gelingt. Im Blute

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Zitationshilfe: Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878/89>, abgerufen am 22.11.2024.