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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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Sohn, der schon in einer ansehnlichen Bedie-
nung stand, um seine Tochter anhielt. Dieser
bestimmte Bräutigam war in einem Alter von
sechs und zwanzig Jahren schon Greis, hatte
seine Jugend in Ueppigkeit und Wolleben ver-
prasset, und sich im Arm der berauschenden Wol-
lust entnervet; grosse Summen hatte er durch
Bulerinnen und Spieler verschwendet, und
Schuldner lagerten sich früh und spät vvr seiner
Thüre. Von störrischer Gemütsart -- von
Stolz und Dummheit aufgeblasen, schritt er in-
dessen einher, seine Winke waren Befehle, und
durch das Ansehen seines Vaters, dessen einziger
Sohn er war, hatte er schon viele aus dem Kol-
legium, von dem er ein Mitglied war, verleum-
det und unglüklich gemacht.

Man stelle dies unvollendete Bild gegen jenes,
so ich euch von Ferdinand entworfen, und nun
denke man sich das unglükliche Mädchen, das
durch die tirannische Wut ihres Vaters aufs
äusserste gebracht ward.

Ferdinand wurde das erste Opfer. Man
versandte ihn schleunig in die entlegenste Pro-
vinz, um ihn dadurch von seiner Geliebten auf
ewig zu entfernen; und da er sich dessen weigerte,

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Sohn, der ſchon in einer anſehnlichen Bedie-
nung ſtand, um ſeine Tochter anhielt. Dieſer
beſtimmte Braͤutigam war in einem Alter von
ſechs und zwanzig Jahren ſchon Greis, hatte
ſeine Jugend in Ueppigkeit und Wolleben ver-
praſſet, und ſich im Arm der berauſchenden Wol-
luſt entnervet; groſſe Summen hatte er durch
Bulerinnen und Spieler verſchwendet, und
Schuldner lagerten ſich fruͤh und ſpaͤt vvr ſeiner
Thuͤre. Von ſtoͤrriſcher Gemuͤtsart — von
Stolz und Dummheit aufgeblaſen, ſchritt er in-
deſſen einher, ſeine Winke waren Befehle, und
durch das Anſehen ſeines Vaters, deſſen einziger
Sohn er war, hatte er ſchon viele aus dem Kol-
legium, von dem er ein Mitglied war, verleum-
det und ungluͤklich gemacht.

Man ſtelle dies unvollendete Bild gegen jenes,
ſo ich euch von Ferdinand entworfen, und nun
denke man ſich das ungluͤkliche Maͤdchen, das
durch die tiranniſche Wut ihres Vaters aufs
aͤuſſerſte gebracht ward.

Ferdinand wurde das erſte Opfer. Man
verſandte ihn ſchleunig in die entlegenſte Pro-
vinz, um ihn dadurch von ſeiner Geliebten auf
ewig zu entfernen; und da er ſich deſſen weigerte,

F 3
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[85/0093] Sohn, der ſchon in einer anſehnlichen Bedie- nung ſtand, um ſeine Tochter anhielt. Dieſer beſtimmte Braͤutigam war in einem Alter von ſechs und zwanzig Jahren ſchon Greis, hatte ſeine Jugend in Ueppigkeit und Wolleben ver- praſſet, und ſich im Arm der berauſchenden Wol- luſt entnervet; groſſe Summen hatte er durch Bulerinnen und Spieler verſchwendet, und Schuldner lagerten ſich fruͤh und ſpaͤt vvr ſeiner Thuͤre. Von ſtoͤrriſcher Gemuͤtsart — von Stolz und Dummheit aufgeblaſen, ſchritt er in- deſſen einher, ſeine Winke waren Befehle, und durch das Anſehen ſeines Vaters, deſſen einziger Sohn er war, hatte er ſchon viele aus dem Kol- legium, von dem er ein Mitglied war, verleum- det und ungluͤklich gemacht. Man ſtelle dies unvollendete Bild gegen jenes, ſo ich euch von Ferdinand entworfen, und nun denke man ſich das ungluͤkliche Maͤdchen, das durch die tiranniſche Wut ihres Vaters aufs aͤuſſerſte gebracht ward. Ferdinand wurde das erſte Opfer. Man verſandte ihn ſchleunig in die entlegenſte Pro- vinz, um ihn dadurch von ſeiner Geliebten auf ewig zu entfernen; und da er ſich deſſen weigerte, F 3

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/93>, abgerufen am 23.11.2024.