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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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eine rohe tode Masse, die man nicht achtet --
Wenn nun der Mann von Geist sich nach ein
Geschöpf sehnet, das mit ihm simpathisire, und
durch Gaben des Verstandes ihm Unterhaltung
verschaffe -- die wenn die Glut der ersten Liebe
nach und nach erkaltet, diesen Verlust durch vor-
trefliche Eigenschaften ersezzet, und er findet seine
Gattin bei allem leblos, kalt und tod; wie trau-
rig muß die Ehe, wie traurig und öde die Tage
ihres Lebens sein. Daher kommts, daß der Mann
seine Gattin verachtet, und sich zur Buhlerinn
wendet, die seine leeren Stunden durch ange-
nehme Unterhaltung würzet, und die feine Kunst
versteht, sein Herz durch tausend glükliche Wen-
dungen und Ueberraschungen an sich zu ketten.

Denn wenn ihr auch, Epikure meines Zeit-
alters!
alle geistige Liebe hinwegsophistisiren
wollt, und sie als ein Hirngespinst betrachtet,
wenn ihr die Liebe bloß als Stillung eines Triebes
annehmt, den auch das Thier hat, und ihr den
Menschen also alles feine Gefühl absprechet, so
werdet ihr mir doch gewisse Grade in der Liebe
zugestehen müssen; so wird das Mädgen, das euch
gegen den höchsten Genus nichts entgegensezt,
und willig eure Begierden befriedigt, in euren

eine rohe tode Maſſe, die man nicht achtet —
Wenn nun der Mann von Geiſt ſich nach ein
Geſchoͤpf ſehnet, das mit ihm ſimpathiſire, und
durch Gaben des Verſtandes ihm Unterhaltung
verſchaffe — die wenn die Glut der erſten Liebe
nach und nach erkaltet, dieſen Verluſt durch vor-
trefliche Eigenſchaften erſezzet, und er findet ſeine
Gattin bei allem leblos, kalt und tod; wie trau-
rig muß die Ehe, wie traurig und oͤde die Tage
ihres Lebens ſein. Daher kommts, daß der Mann
ſeine Gattin verachtet, und ſich zur Buhlerinn
wendet, die ſeine leeren Stunden durch ange-
nehme Unterhaltung wuͤrzet, und die feine Kunſt
verſteht, ſein Herz durch tauſend gluͤkliche Wen-
dungen und Ueberraſchungen an ſich zu ketten.

Denn wenn ihr auch, Epikure meines Zeit-
alters!
alle geiſtige Liebe hinwegſophiſtiſiren
wollt, und ſie als ein Hirngeſpinſt betrachtet,
wenn ihr die Liebe bloß als Stillung eines Triebes
annehmt, den auch das Thier hat, und ihr den
Menſchen alſo alles feine Gefuͤhl abſprechet, ſo
werdet ihr mir doch gewiſſe Grade in der Liebe
zugeſtehen muͤſſen; ſo wird das Maͤdgen, das euch
gegen den hoͤchſten Genus nichts entgegenſezt,
und willig eure Begierden befriedigt, in euren

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[78/0086] eine rohe tode Maſſe, die man nicht achtet — Wenn nun der Mann von Geiſt ſich nach ein Geſchoͤpf ſehnet, das mit ihm ſimpathiſire, und durch Gaben des Verſtandes ihm Unterhaltung verſchaffe — die wenn die Glut der erſten Liebe nach und nach erkaltet, dieſen Verluſt durch vor- trefliche Eigenſchaften erſezzet, und er findet ſeine Gattin bei allem leblos, kalt und tod; wie trau- rig muß die Ehe, wie traurig und oͤde die Tage ihres Lebens ſein. Daher kommts, daß der Mann ſeine Gattin verachtet, und ſich zur Buhlerinn wendet, die ſeine leeren Stunden durch ange- nehme Unterhaltung wuͤrzet, und die feine Kunſt verſteht, ſein Herz durch tauſend gluͤkliche Wen- dungen und Ueberraſchungen an ſich zu ketten. Denn wenn ihr auch, Epikure meines Zeit- alters! alle geiſtige Liebe hinwegſophiſtiſiren wollt, und ſie als ein Hirngeſpinſt betrachtet, wenn ihr die Liebe bloß als Stillung eines Triebes annehmt, den auch das Thier hat, und ihr den Menſchen alſo alles feine Gefuͤhl abſprechet, ſo werdet ihr mir doch gewiſſe Grade in der Liebe zugeſtehen muͤſſen; ſo wird das Maͤdgen, das euch gegen den hoͤchſten Genus nichts entgegenſezt, und willig eure Begierden befriedigt, in euren

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/86>, abgerufen am 30.04.2024.