vorstechenden Eigenschaften der Seele konnte es ihr nicht an Bewunderung fehlen es war ein Zoll, den ihr die Jugend und das Alter entrich- ten mußte, und willig entrichtete. Allenthalben erscholl ihr Lob -- der edle Mann sagte es still und bescheiden -- der Stuzzer mit grossem Ge- räusch und mit der Mine der Wichtigkeit. Und sie, das Bild der Demut, hörte alles mit der Gleichgültigkeit an, so wie auch der Weise den Tadel und das Lob des Narren erträget -- und dies ist wol die glänzendste Eigenschaft, die man so selten bei einem Mädchen antrift. Bei dem Vater würkte dies auf eine entgegengesezte Art -- er wurde zu stolz auf das Glük, das freilich in unsern Tagen beneidenswert ist, ein solches Mädchen Tochter zu nennen, und fand ein Wolgefallen an den Lobsprüchen, die auf ihn als den Vater und Erzieher zurükfielen. Auch der beste Mensch kann dadurch entarten, kann den Stolz einen Sieg über sich einräumen, kann den Weihrauch einathmen, den ihm die Schmei- chelei so reichlich ausspendet.
Einige Uneinigkeiten, die zwischen ihm und seiner Schwester vorfielen, brachten ihn auf den Entschluß zu einer zweiten Ehe zu schreiten.
vorſtechenden Eigenſchaften der Seele konnte es ihr nicht an Bewunderung fehlen es war ein Zoll, den ihr die Jugend und das Alter entrich- ten mußte, und willig entrichtete. Allenthalben erſcholl ihr Lob — der edle Mann ſagte es ſtill und beſcheiden — der Stuzzer mit groſſem Ge- raͤuſch und mit der Mine der Wichtigkeit. Und ſie, das Bild der Demut, hoͤrte alles mit der Gleichguͤltigkeit an, ſo wie auch der Weiſe den Tadel und das Lob des Narren ertraͤget — und dies iſt wol die glaͤnzendſte Eigenſchaft, die man ſo ſelten bei einem Maͤdchen antrift. Bei dem Vater wuͤrkte dies auf eine entgegengeſezte Art — er wurde zu ſtolz auf das Gluͤk, das freilich in unſern Tagen beneidenswert iſt, ein ſolches Maͤdchen Tochter zu nennen, und fand ein Wolgefallen an den Lobſpruͤchen, die auf ihn als den Vater und Erzieher zuruͤkfielen. Auch der beſte Menſch kann dadurch entarten, kann den Stolz einen Sieg uͤber ſich einraͤumen, kann den Weihrauch einathmen, den ihm die Schmei- chelei ſo reichlich ausſpendet.
Einige Uneinigkeiten, die zwiſchen ihm und ſeiner Schweſter vorfielen, brachten ihn auf den Entſchluß zu einer zweiten Ehe zu ſchreiten.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0062"n="54"/>
vorſtechenden Eigenſchaften der Seele konnte es<lb/>
ihr nicht an Bewunderung fehlen es war ein<lb/>
Zoll, den ihr die Jugend und das Alter entrich-<lb/>
ten mußte, und willig entrichtete. Allenthalben<lb/>
erſcholl ihr Lob — der edle Mann ſagte es ſtill<lb/>
und beſcheiden — der Stuzzer mit groſſem Ge-<lb/>
raͤuſch und mit der Mine der Wichtigkeit. Und<lb/><hirendition="#fr">ſie,</hi> das Bild der Demut, hoͤrte alles mit der<lb/>
Gleichguͤltigkeit an, ſo wie auch der Weiſe den<lb/>
Tadel und das Lob des Narren ertraͤget — und<lb/>
dies iſt wol die glaͤnzendſte Eigenſchaft, die man<lb/>ſo ſelten bei einem Maͤdchen antrift. Bei dem<lb/>
Vater wuͤrkte dies auf eine entgegengeſezte Art<lb/>— er wurde zu ſtolz auf das Gluͤk, das freilich in<lb/>
unſern Tagen beneidenswert iſt, ein ſolches<lb/>
Maͤdchen Tochter zu nennen, und fand ein<lb/>
Wolgefallen an den Lobſpruͤchen, die auf ihn als<lb/>
den Vater und Erzieher zuruͤkfielen. Auch der<lb/>
beſte Menſch kann dadurch entarten, kann den<lb/>
Stolz einen Sieg uͤber ſich einraͤumen, kann<lb/>
den Weihrauch einathmen, den ihm die Schmei-<lb/>
chelei ſo reichlich ausſpendet.</p><lb/><p>Einige Uneinigkeiten, die zwiſchen ihm und<lb/>ſeiner Schweſter vorfielen, brachten ihn auf den<lb/>
Entſchluß zu einer zweiten Ehe zu ſchreiten.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[54/0062]
vorſtechenden Eigenſchaften der Seele konnte es
ihr nicht an Bewunderung fehlen es war ein
Zoll, den ihr die Jugend und das Alter entrich-
ten mußte, und willig entrichtete. Allenthalben
erſcholl ihr Lob — der edle Mann ſagte es ſtill
und beſcheiden — der Stuzzer mit groſſem Ge-
raͤuſch und mit der Mine der Wichtigkeit. Und
ſie, das Bild der Demut, hoͤrte alles mit der
Gleichguͤltigkeit an, ſo wie auch der Weiſe den
Tadel und das Lob des Narren ertraͤget — und
dies iſt wol die glaͤnzendſte Eigenſchaft, die man
ſo ſelten bei einem Maͤdchen antrift. Bei dem
Vater wuͤrkte dies auf eine entgegengeſezte Art
— er wurde zu ſtolz auf das Gluͤk, das freilich in
unſern Tagen beneidenswert iſt, ein ſolches
Maͤdchen Tochter zu nennen, und fand ein
Wolgefallen an den Lobſpruͤchen, die auf ihn als
den Vater und Erzieher zuruͤkfielen. Auch der
beſte Menſch kann dadurch entarten, kann den
Stolz einen Sieg uͤber ſich einraͤumen, kann
den Weihrauch einathmen, den ihm die Schmei-
chelei ſo reichlich ausſpendet.
Einige Uneinigkeiten, die zwiſchen ihm und
ſeiner Schweſter vorfielen, brachten ihn auf den
Entſchluß zu einer zweiten Ehe zu ſchreiten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/62>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.