des Mitleids jemals über eure Wangen gegleitet, nun so möge die Stunde eures Scheidens nicht einst mit fürchterlichem Sausen über eurem Haupte hangen, so murmele euch Gottes Don- ner nicht einst schreklich zu, wann ihr den ent- scheidenden Spruch des Richters der Welt hört, so möge kein Redlicher das Auge von eurem Hü- gel wegwenden, und kein Fluch auf eurem Staub lasten. -- Doch zur Geschichte selbst!
Caroline war die einzige Tochter eines Kaufmannes in N ... den Glük und Fleiß in einen so begüterten Stand gesezt hatte, daß man ihn in der Stadt nur den Reichen zu nennen pflegte. Sie war das einzige Kind, deren Da- sein der Mutter das Leben kostete, desto theurer ward sie dem Vater -- desto inniger war sein Bestreben auf dies Kind, das jeden reizenden Zug der Mutter nach und nach entfaltete, all' seine Sorgfalt zu verwenden. Seine Schwester war ihm hiezu behülflich, mit mehr als mütter- licher Zärtlichkeit pflegte und wartete sie das Kind, und sah mit Vergnügen wie sowol unzählige Reize des Körpers sich mit jedem Tage enthüll- ten, als auch vortrefliche Seelenkräfte sich ent- wikkelten; denn die Natur schien nichts an die-
des Mitleids jemals uͤber eure Wangen gegleitet, nun ſo moͤge die Stunde eures Scheidens nicht einſt mit fuͤrchterlichem Sauſen uͤber eurem Haupte hangen, ſo murmele euch Gottes Don- ner nicht einſt ſchreklich zu, wann ihr den ent- ſcheidenden Spruch des Richters der Welt hoͤrt, ſo moͤge kein Redlicher das Auge von eurem Huͤ- gel wegwenden, und kein Fluch auf eurem Staub laſten. — Doch zur Geſchichte ſelbſt!
Caroline war die einzige Tochter eines Kaufmannes in N … den Gluͤk und Fleiß in einen ſo beguͤterten Stand geſezt hatte, daß man ihn in der Stadt nur den Reichen zu nennen pflegte. Sie war das einzige Kind, deren Da- ſein der Mutter das Leben koſtete, deſto theurer ward ſie dem Vater — deſto inniger war ſein Beſtreben auf dies Kind, das jeden reizenden Zug der Mutter nach und nach entfaltete, all’ ſeine Sorgfalt zu verwenden. Seine Schweſter war ihm hiezu behuͤlflich, mit mehr als muͤtter- licher Zaͤrtlichkeit pflegte und wartete ſie das Kind, und ſah mit Vergnuͤgen wie ſowol unzaͤhlige Reize des Koͤrpers ſich mit jedem Tage enthuͤll- ten, als auch vortrefliche Seelenkraͤfte ſich ent- wikkelten; denn die Natur ſchien nichts an die-
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des Mitleids jemals uͤber eure Wangen gegleitet,
nun ſo moͤge die Stunde eures Scheidens nicht
einſt mit fuͤrchterlichem Sauſen uͤber eurem
Haupte hangen, ſo murmele euch Gottes Don-
ner nicht einſt ſchreklich zu, wann ihr den ent-
ſcheidenden Spruch des Richters der Welt hoͤrt,
ſo moͤge kein Redlicher das Auge von eurem Huͤ-
gel wegwenden, und kein Fluch auf eurem Staub
laſten. — Doch zur Geſchichte ſelbſt!
Caroline war die einzige Tochter eines
Kaufmannes in N … den Gluͤk und Fleiß in
einen ſo beguͤterten Stand geſezt hatte, daß man
ihn in der Stadt nur den Reichen zu nennen
pflegte. Sie war das einzige Kind, deren Da-
ſein der Mutter das Leben koſtete, deſto theurer
ward ſie dem Vater — deſto inniger war ſein
Beſtreben auf dies Kind, das jeden reizenden
Zug der Mutter nach und nach entfaltete, all’
ſeine Sorgfalt zu verwenden. Seine Schweſter
war ihm hiezu behuͤlflich, mit mehr als muͤtter-
licher Zaͤrtlichkeit pflegte und wartete ſie das Kind,
und ſah mit Vergnuͤgen wie ſowol unzaͤhlige
Reize des Koͤrpers ſich mit jedem Tage enthuͤll-
ten, als auch vortrefliche Seelenkraͤfte ſich ent-
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/58>, abgerufen am 23.11.2024.
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