Schranken durchbrach, und in starken Wellen alle Adern durchkreiste. Volle, glühende Rache stand vor ihm, und der Gedanke entstieg schnell seiner Seele, den Urheber all' seiner Lei- den zu vernichten, und dann selbst vernich- tet zu werden. Bange Furcht noch wartenden Elends gattete sich zur Verzweifelung, die in einer gänzlichen Zerrüttung seines Verstandes übergieng. Nun kannte das tobende Herz keine Grenzen mehr, es lechzte blos nach Blut -- Blut ward sein erster -- sein lezter Gedanke; und so mit glühendem Blik -- mit rollendem Lodern im Auge -- mit unerschrokkenem Mut, stürzte er ins Gemach seines Herrn. Er fand ihn sinnlos hingestrekt aufs Bette, als ein ver- nunftloses Thier; eilend faßte er den am Boden liegenden Degen, noch blutig von seinem Blut, und stieß ihn mit der größten Macht, die nur dem Wahnsinn eigen ist, durch die Brust seines Barbaren. Schnell entsprudelte das Leben der Wunde, und mit ihm entfloh die Seele zum Ort der Vergeltung -- der Rache. Seldau entfloh dem lezten dumpfen Röcheln, ging mit schnellen Schritten zum Richter, und rief mit Freudig- keit: ich hab' meinen Herrn erschlagen,
Schranken durchbrach, und in ſtarken Wellen alle Adern durchkreiſte. Volle, gluͤhende Rache ſtand vor ihm, und der Gedanke entſtieg ſchnell ſeiner Seele, den Urheber all’ ſeiner Lei- den zu vernichten, und dann ſelbſt vernich- tet zu werden. Bange Furcht noch wartenden Elends gattete ſich zur Verzweifelung, die in einer gaͤnzlichen Zerruͤttung ſeines Verſtandes uͤbergieng. Nun kannte das tobende Herz keine Grenzen mehr, es lechzte blos nach Blut — Blut ward ſein erſter — ſein lezter Gedanke; und ſo mit gluͤhendem Blik — mit rollendem Lodern im Auge — mit unerſchrokkenem Mut, ſtuͤrzte er ins Gemach ſeines Herrn. Er fand ihn ſinnlos hingeſtrekt aufs Bette, als ein ver- nunftloſes Thier; eilend faßte er den am Boden liegenden Degen, noch blutig von ſeinem Blut, und ſtieß ihn mit der groͤßten Macht, die nur dem Wahnſinn eigen iſt, durch die Bruſt ſeines Barbaren. Schnell entſprudelte das Leben der Wunde, und mit ihm entfloh die Seele zum Ort der Vergeltung — der Rache. Seldau entfloh dem lezten dumpfen Roͤcheln, ging mit ſchnellen Schritten zum Richter, und rief mit Freudig- keit: ich hab’ meinen Herrn erſchlagen,
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Schranken durchbrach, und in ſtarken Wellen
alle Adern durchkreiſte. Volle, gluͤhende Rache
ſtand vor ihm, und der Gedanke entſtieg ſchnell
ſeiner Seele, den Urheber all’ ſeiner Lei-
den zu vernichten, und dann ſelbſt vernich-
tet zu werden. Bange Furcht noch wartenden
Elends gattete ſich zur Verzweifelung, die in
einer gaͤnzlichen Zerruͤttung ſeines Verſtandes
uͤbergieng. Nun kannte das tobende Herz keine
Grenzen mehr, es lechzte blos nach Blut —
Blut ward ſein erſter — ſein lezter Gedanke;
und ſo mit gluͤhendem Blik — mit rollendem
Lodern im Auge — mit unerſchrokkenem Mut,
ſtuͤrzte er ins Gemach ſeines Herrn. Er fand
ihn ſinnlos hingeſtrekt aufs Bette, als ein ver-
nunftloſes Thier; eilend faßte er den am Boden
liegenden Degen, noch blutig von ſeinem Blut,
und ſtieß ihn mit der groͤßten Macht, die nur
dem Wahnſinn eigen iſt, durch die Bruſt ſeines
Barbaren. Schnell entſprudelte das Leben der
Wunde, und mit ihm entfloh die Seele zum Ort
der Vergeltung — der Rache. Seldau entfloh
dem lezten dumpfen Roͤcheln, ging mit ſchnellen
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/50>, abgerufen am 23.11.2024.
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